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Albert Schweitzer in Briefen
Die theologische und philosophische Korrespondenz Albert Schweitzers wird hier erstmals in größerem Umfang veröffentlicht und zeigt Schweitzer als einen der großen Briefeschreiber des 20. Jahrhunderts. Der Band erlaubt neue, teilweise überraschende Einblicke in seinen Gedankenaustausch mit renommierten Freunden und Widersachern und erhellt viele biographische und zeitgeschichtliche Hintergründe seines Denkens und Handelns. So vielseitig Albert Schweitzer als wissenschaftlicher Theologe und Philosoph, als Prediger, Tropenarzt, Bach-Forscher, Organist,…mehr

Produktbeschreibung
Albert Schweitzer in Briefen

Die theologische und philosophische Korrespondenz Albert Schweitzers wird hier erstmals in größerem Umfang veröffentlicht und zeigt Schweitzer als einen der großen Briefeschreiber des 20. Jahrhunderts. Der Band erlaubt neue, teilweise überraschende Einblicke in seinen Gedankenaustausch mit renommierten Freunden und Widersachern und erhellt viele biographische und zeitgeschichtliche Hintergründe seines Denkens und Handelns. So vielseitig Albert Schweitzer als wissenschaftlicher Theologe und Philosoph, als Prediger, Tropenarzt, Bach-Forscher, Organist, Entwicklungshelfer und Friedensmahner gewirkt hat, so vielfältig waren auch seine Korrespondenzpartner. Zu ihnen gehörten Theologen wie Karl Barth, Rudolf Bultmann und Adolf von Harnack, Repräsentanten der Ökumene wie Martin Niemöller und Nathan Söderblom, Philosophen wie Karl Jaspers, Eduard Spranger, Martin Buber und Werner Jaeger, Politiker wie Theodor Heuss und John F. Kennedy sowie Naturwissenschaftler wie Albert Einstein und Max Planck.
Der Band versammelt dreiunddreißig Briefwechsel Schweitzers, die sich teilweise über Jahrzehnte erstrecken und hier - soweit erhalten - vollständig wiedergegeben werden. In knappen Anmerkungen und Einführungen informiert der Herausgeber über Personen und biographische Hintergründe. Der von Schweitzer-Forschern seit langem erwartete Band ist eine Fundgrube für Historiker und nicht zuletzt ein ebenso kurzweiliges wie lehrreiches Lesebuch für alle, die sich für ethische Grundsatzfragen interessieren oder nach einer verantwortlichen Synthese von Glaube, christlicher Tradition und philosophischer Reflexion suchen.
Autorenporträt
Albert Schweitzer, 1875-1965, studierte zuerst Theologie und Philosophie in Straßburg und belegte Vorlesungen in Musiktheorie. 1905 begann er sein Medizinstudium, um seinen Entschluss, als Arzt nach Afrika zu gehen, verwirklichen zu können. 1913 ging er erstmals nach Lambarene, wo er 1965 im Alter von 90 Jahren starb. 1951 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.03.2007

Liebes Fräulein Bultmann
Neuschöpfung und Müdigkeitskrisen: Albert Schweitzers eindrucksvoller Briefwechsel
Seit Albert Schweitzer schrieb, klagte er über seine „arme Schreibkrampfhand”. Dennoch hat der „Nachtarbeiter mit Tinte und Feder” Tausende Briefe hinterlassen; 8000 verwahrt allein das Schweitzer-Zentralarchiv in Günsbach, und zahllose weitere dürften weltweit noch unentdeckt in Archiven und Nachlässen lagern. Ediert waren bisher nur die Briefwechsel mit Bertrand Russell, Fritz Buri und Kurt Leese. Nun kann man viel Neues lesen.
Insgesamt werden im voluminösen letzten Band der „Werke aus dem Nachlass” 292 Briefe Schweitzers und 368 Gegenbriefe mitgeteilt. Berühmte Theologen wie Adolf von Harnack, Martin Rade und Karl Barth gehörten ebenso zu den Korrespondenzpartnern wie Physiker vom Range Albert Einsteins und Max Plancks. Als pazifistischer Gegner von Kernforschung und Atomwaffen schrieb der fromme Humanist aus Lambarene aber auch an John F. Kennedy. Theodor Heuss und seine Frau Elly Heuss-Knapp, die der junge Straßburger Privatdozent Schweitzer im April 1908 getraut hatte, gehörten zum engeren Freundeskreis. Die Edition dokumentiert zudem die enge Seelennähe zu Martin Buber, das Humanismusgespräch mit Werner Jaeger und die Lebenssinnbeschwörungen mit Eduard Spranger und Karl Jaspers. Der wichtigste Briefpartner dürfte allerdings nur noch Spezialkennern des modernen schweizerischen Liberalprotestantismus bekannt sein: Martin Werner, seit 1921 Privatdozent für Neues Testament in Bern und hier später Ordinarius für Systematische Theologie, Dogmen- und Philosophiegeschichte, der als gelehriger Schüler bald zum engen Freund Albert Schweitzers wurde.
Gegen die Hellenisierung
Wer Zitatmunition gegen die „Neuorthodoxie” der Dialektischen Theologen um Karl Barth und Emil Brunner sucht, kommt gerade in den Werner-Briefen voll auf seine Kosten. Hier kann man auch Böses lesen. Zum Kampf der nationalsozialistischen „Deutschen Christen” gegen die Bekennende Kirche meldet Werner im Januar 1935 nach Lambarene: „Nun wird den neukonfessionalistischen Theologen WIE BARTH]heimgezahlt für ihre Verhöhnung des ‚Kulturprotestantismus‘ und der Humanitätsreligion. Aber an etwas anderem als an der Notwendigkeit, die Inhumanität am eigenen Leibe erfahren zu müssen, scheinen sie ja die Achtung vor dem Wort der Humanität nicht mehr lernen zu können.” Drei Jahre später gibt er den Barthianern eine Mitschuld am Sieg der Nationalsozialisten: „Der deutsche Geist ist der Verabsolutierung des Nationalismus verfallen, weil ihm in der Kriegs- und Nachkriegskrise alles problematisch wurde, was sonst noch als sinnhaft gelten wollte. Und zu diesem Debacle in Sinnlosigkeit hat ja der Skeptizismus und Defaitismus Karl Barths im Deutschland der Nachkriegszeit kräftig beigetragen.”
Als Neutestamentler war Albert Schweitzer ein theologisches Genie, er hätte glanzvoll akademische Karriere gemacht, wäre er nicht der „Logik der Heiligen” (E. Heuss-Knapp) gefolgt, um Gottes willen aus vorgegebenen Lebensbahnen auszubrechen. Obwohl Preußens Kultusminister Carl H. Becker ihm die Nachfolge Ernst Troeltschs in Berlin anbietet und die Leipziger Universität einen Ruf erteilt, bleibt der Ethiker der „Ehrfurcht vor dem Leben” seinem Tatchristentum im Zeichen „ärztlicher Versorgung der Primitiven” treu.
Briefe an Harnack, Buber und Bultmann zeigen nun, dass er auch vom afrikanischen Lambarene aus engagiert die Kontroversen um den Gottesreichsglauben des Juden Jesus und die Entstehung des Urchristentums verfolgt. In die Wissenschaftsgeschichte der Exegese hat Schweitzer sich prominent eingezeichnet durch die Entschiedenheit, mit der er den radikal eschatologischen Charakter von Jesu Verkündigung des bald hereinbrechenden Reiches Gottes betonte. Gegen die überkommene Hellenisierung sucht er in „Die Mystik des Apostels Paulus”, geschrieben weithin in Lambarene und erschienen 1930, den Heidenapostel ganz aus dem Judentum zu erklären. Harnack, der Doyen einer globalen Christentumshistorikerzunft, kommentierte zustimmend die Druckfahnen, und auch Buber las „mit tiefem Eindruck und grossem Gewinn”.
Als der jüdische Gelehrte den durch Europa hetzenden Schweitzer im Februar 1933 endlich im Schwarzwald treffen kann, reden sie nicht über die „Revolution” der Nationalsozialisten, sondern vertiefen sich in exegetische Spezialprobleme wie den paulinischen Begriff der „Neuschöpfung” oder das „Wesen von Buße und Umkehr”. Der Austausch zwischen Buber und Schweitzer lässt auch erkennen, dass die im bundesdeutschen Religionsdiskurs so beliebten Stereotypen vom generellen Antijudaismus christlicher Neutestamentler einer ideologischen Wahrnehmungsresistenz entspringen. Denn Schweitzer wie Buber sehen mit dem verehrten Harnack gerade die „Hellenisierung” des Christentums als Urkatastrophe der europäischen Religionsgeschichte. Den gemeinsamen Kampf „gegen die hellenistisch eingestellte Schule” beschwor Harnack noch kurz vor seinem Tod: „Fort u. fort müssen wir wiederholen: ‚Die Lehrbegriffe der 3 Hauptkonfessionen sind hellenistisch!‘”, also auch die der protestantischen Kirchen. Hier wird genau jene Sicht der Christentumsgeschichte programmatisch verabschiedet, die jüngst der Papst in Regensburg zu erneuern versucht hat.
Zarte, einfühlsame Briefe kann Schweitzer schreiben, und es berührt zu lesen, wie liebevoll ihm Hochachtung entgegengebracht wird. Buber verehrt ihn als „Realisten des Geistes”, auch der Gegner Karl Barth preist die „schlichte Frömmigkeit” „eines so problematischen Theologen wie Schweitzer”, und Albert Einstein, der auf Vermittlung Harnacks im Herbst 1929 einige Berliner Tage mit Schweitzer verbringt, erklärt gar: „endlich ein großer Mensch in diesem tragischen Jahrhundert”. Schweitzer selbst weiß freilich um bleibende Ambivalenzen und urteilt in seinen Briefen bescheidener, behutsamer als in manchen irritierend abendlandsstolzen Passagen seiner Kulturphilosophie. Seine entschiedene „Wahrheitssuche” verbindet sich mit viel Respekt gegenüber Andersdenkenden. Immer wieder wird er von „Müdigkeitskrisen” und „Erschöpfungszuständen” überwältigt.
Kaufleute und Kleingetier
Oft schreibt Schweitzer auf Bootsfahrten zu Seuchenkranken, im Kampf mit allerlei fliegendem Kleingetier. „Hier lebt man wirklich in der ethischen Eschatologie”, berichtet er im Oktober 1913 „Eurer Excellenz” Harnack. „Das körperliche Elend ist so gross wie das sittliche. Und das letztere ist ungeheuer. Ich habe den Eindruck, dass die Weissen eine primitive, aber doch in ihrer Art moralische Cultur zerstört haben und nicht im Stande sind, etwas anderes an die Stelle zu setzen, sondern diese Menschheit dem Verderben weihen.” Kolonialbeamte und Kaufleute verachtet er. Denn gerade die wirtschaftliche Not in den Kolonien sei primär ein Resultat des extrem autoritären Herrschaftssystems: „Wo nur die absolute Freiheit helfen könnte, wird Zwang instituiert. Das ist tragisch.” Bisweilen blitzt aber auch die Einsicht auf, dass er selbst in jene kolonialistischen Zivilisierungsphantasmen verstrickt ist, unter denen er leidet.
Leider sind englische und französische Originale nur in Übersetzung ediert. Bei einem eleganten Stilisten ist dies Verrat an einer „Prosa, in der sich die Kraft des Geistes durchsetzt” (F. Curtius). Immerhin, das wohl schönste Stück der Auswahl wird in der Originalsprache präsentiert, ein Brieflein an die älteste Tochter des berühmten Marburger Neutestamentlers Rudolf Bultmann. Fasziniert von Schweitzer hatte die gerade zwölfjährige Antje ihren Eltern mitgeteilt, „Medizin studieren zu wollen u. dann zum Kongo zu gehen, Ihnen zu helfen”. Der weltberühmte Urwaldarzt schickte daraufhin eine Ansichtskarte seiner Klinik mit Patienten: „Liebes Fräulein Bultmann. Alle diese Schwarzen lassen Sie herzlich grüssen! Sie wünschen Ihnen gute Gesundheit für das Medizinstudium. Aber zuerst sollen Sie noch Ihre Jugend gut geniessen. Und ja nicht vergessen gut kochen zu lernen. Viel Liebes Ihr Albert Schweitzer.” Humanität wird im Ernstnehmen der Kleinsten, Geringsten wahr, kann man in der Kulturethik lesen. Schweitzers Briefe bestätigen dies eindrucksvoll. FRIEDRICH WILHELM GRAF
ALBERT SCHWEITZER: Theologischer und philosophischer Briefwechsel 1900- 1965. Herausgegeben von Werner Zager in Verbindung mit Erich Gräßer unter Mitarbeit von Markus Aellig, Clemens Frey, Roland Wolf und Dorothea Zager. Verlag C. H. Beck, München 2006, 941 Seiten, 98 Euro.
„Endlich ein großer Mensch in diesem tragischen Jahrhundert”, sagte Albert Einstein über den evangelischen Theologen, Arzt und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer (1875-1965). Foto: Ursula Röhnert
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Friedrich Wilhelm Graf von diesem umfangreichen Band mit Albert Schweitzers theologischem und philosophischem Briefwechsel von 1900 bis 1965, der 292 Briefe Schweitzers und 368 Gegenbriefe bietet. Neben berühmten Theologen wie Adolf von Harnack, Martin Rade und Karl Barth nennt Graf Korrespondenzpartner wie Albert Einstein, Max Planck, John F. Kennedy, Theodor Heuss, Werner Jaeger und Karl Jaspers. Den wichtigsten Gesprächspartner sieht er in dem heute kaum bekannten Theologen Martin Werner, der insbesondere gegen die "Neuorthodoxie" der Dialektischen Theologen um Karl Barth und Emil Brunner wettert. Graf würdigt den Neutestamentler Schweitzer als theologisches Genie, dem eine glanzvolle akademische Karriere offengestanden hätte, wäre er nicht nach Afrika gegangen. Zu seiner Freude zeigen die Briefe an Harnack, Buber und Bultmann, dass Schweitzer auch von dort aus lebhaft an den theologischen Debatten um den Gottesreichsglauben des Juden Jesus und die Entstehung des Urchristentums teilnahm. Die Briefe des Bandes, darunter viele sehr "einfühlsame" und "zarte", verdeutlichen für Graf besonders auch Schweitzers gelebte Humanität, die sich im Ernstnehmen des Kleinsten, Geringsten äußerte.

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