Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 3,50 €
Produktdetails
  • Verlag: Reclam, Leipzig
  • Seitenzahl: 158
  • Deutsch
  • Abmessung: 250mm
  • Gewicht: 630g
  • ISBN-13: 9783379007856
  • ISBN-10: 3379007854
  • Artikelnr.: 10245313
Autorenporträt
Marlene Faro, geb. und aufgewachsen in Wien, wo sie trotz Mathematik das Abitur schaffte, deshalb Geschichte und Politikwissenschaften studieren konnte und zum Dr. phil. promovierte. Sie arbeitete anschließend jahrelang als freie Journalistin für internationale Magazine wie Stern, Geo oder Cosmopolitan und verfasste Reisereportagen, Porträts und Interviews. 1996 landete sie mit ihrem ersten Buch Frauen die Prosecco trinken über die schräge Welt der Frauenzeitschriften einen Bestseller, der auch verfilmt wurde. Sie lebt heute abwechselnd in Wien und im Salzkammergut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2002

Bäuchlings
Eine Schauergeschichte der
Gynäkologie von Marlene Faro
Die Romanautorin Marlene Faro hat ihr erstes Sachbuch geschrieben, „ein sorgfältig recherchierter und spannend geschriebener Beitrag zur Kulturgeschichte des weiblichen Körpers” wie es in der Verlagsankündigung heißt. Von gründlicher Recherche kann allerdings keine Rede sein bei diesem schmalen Buch, das sich zumeist aus Sekundärwissen speist, keine einzige Fußnote aufweist und trotz des Vorsatzes, „tausend Jahre Vorurteile” zu beschreiben, im Literaturverzeichnis ganze zwei Quellen vor 1800 aufführt. Dem Anspruch, gleichzeitig zu unterhalten, Wissen zu vermitteln und moralische Empörung hervorzurufen, wird die promovierte Historikerin, die sich zuvor durch Romane wie „Frauen die Prosecco trinken” hervortat, nicht gerecht.
Ziel ist eine Darstellung der Frauenheilkunde in ihrer ganzen Breite: von der Diagnose und Geburtshilfe über die Pathologie bis hin zu Themen wie Hygiene, Menstruation oder Wechseljahre. Auch psycho-physische Aspekte einer Analytik „des Weibes” kommen in den Blick: „Frigidität”, „Nymphomanie”, „Hysterie” oder „Vaginismus”. Man erfährt von der Verdrängung der Hebammen durch die Ärzteschaft, die die Autorin als „Machtkampf der Geschlechter” interpretiert, von „Kindesmörderinnen” und der „Kriminalisierung des Weiblichen” – durch männliche Forscher, versteht sich.
Viele der historischen Fallschilderungen sind in der Tat schockierend, wie etwa die Entbindung „mittels Zangen, Haken und Kopfbohrern”, die nicht selten zur „Zerstückelung des lebenden Kindes im Mutterleib” und zum Tod der Gebärenden führten. Andere „Therapien” lassen sich als groteske Verirrungen abtun, so das Herausschneiden der Eierstöcke gegen Hysterie, das Traktieren der Vagina mit Stromstößen gegen Gebärmutterentzündungen oder Kopfschmerzen, das Ansetzen von Blutegeln gegen Menstruationsbeschwerden oder die „Räucherung” der Geschlechtsteile mit brennenden Kräutermixturen.
Da die Autorin keine Vergleiche zu anderen medizinischen Gebieten anstellt, übersieht sie, dass sich die Geschichte dieses Faches durch eine Vielzahl von absurden, brutalen, zuweilen auch kuriosen Praktiken auszeichnet sowie von einer Diskursform, die das Gegenüber als „Material” und eben nicht als Individuum erfasst. Die Gynäkologie macht hier keine Ausnahme. Ihre Historie ist nur insofern problematischer, als sie eine Geschlechtergeschichte betrifft, die von Unterdrückung geprägt ist. So prangert Faro zu Recht die „Anmaßung und Mitleidslosigkeit” an, mit der Ärzte „den Frauen zu Leibe rückten”. Ihr ist zuzustimmen, wenn sie sagt: „Die Untersuchung des weiblichen Körpers durch die männliche Hand hat durch alle Zeiten hindurch nie in einem hierarchiefreien Raum stattgefunden.”
Allerdings erstaunt, mit welcher Unbefangenheit die Autorin vorgeht – als hätte es eine Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Geschlecht und Medizin nie gegeben. Man denke nur an die Bücher von Barbara Duden, Elisabeth Bronfen, Thomas Laqueur oder Claudia Honnegger. Hätte Faro sie zur Kenntnis genommen, wüsste sie, dass in den Gender Studies eine biologistische Argumentation verpönt ist – und somit auch ein Wir-Frauen-Pathos, das vom Kollektiv „unserer Urgroßmütter” spricht, den männlichen Gebärneid als Ursache für die Abwertung der weiblichen Anatomie anführt oder sich darauf beruft, dass nur Frauen wissen können, wie sich bestimmte Schmerzen anfühlen.
Die aufwendige Gestaltung des Bandes, die an wegweisende Arbeiten der Körpergeschichte erinnert – etwa die bei MIT-Press erschienenen „Fragments for a History of the Human Body” oder die Bücher Barbara Staffords – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um eine Publikation handelt, die hinter das bereits erreichte Niveau zurück fällt.
CLAUDIA BENTHIEN
MARLENE FARO: „An heymlichen orten.” Männer und der weibliche Unterleib. Eine andere Geschichte der Gynäkologie. Reclam Verlag, Leipzig 2002. 158 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr
"Faro verurteilt die Anmaßung, mit der Frauenärzte der vergangenen Jahrhunderte über das 'Wesen der Frau im Allgemeinen' urteilten: Sie galt, je nach Situation, als verlogen, sexuell verrucht, frigide oder mannstoll.

Obwohl die Autorin betont, dass sich ihre Ausführungen auf die Geschichte der Gynäkologie beziehen und nicht dazu dienen sollen, heutige Frauenheilkundler an den Pranger zu stellen, meint sie, dass sich grundlegende Einstellungen nicht so schnell ändern: 'Frauen betreten heute helle, freundliche chromblitzende Gynäkologenpraxen, die Diagnose erfolgt mittels modernster Technik, mit Hormonbefund und Ultraschall. Aber tausend Jahre Vorurteile über den weiblichen Körper lassen sich nicht innerhalb von ein, zwei Generationen wegdesinfizieren'. Dies ist ein gründlich recherchiertes Buch, das Gynäkologen vielleicht nicht so gerne lesen werden, es aber trotzdem tun sollten. Für Freuen kann es eine Offenbarung sein - auch wenn es teilweise schmerzt -, es zu lesen." Psychologie Heute

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die promovierte Historikerin und Schriftstellerin Marlene Faro, bekannt geworden mit ihrem Roman "Frauen, die Prosecco trinken", hat nun ein Sachbuch über die Geschichte der Frauenheilkunde geschrieben, die leider nicht hält, was sie verspricht, bedauert Claudia Benthien. Zwar könne der Leser hier viele "schockierende Fallgeschichten" über das Leiden von Frauen unter den oft brutalen Behandlungsmethoden von Männern lesen, aber, kritisiert die Rezensentin, die Interpretationen der Autorin fielen weit "hinter das bereits erreichte Niveau" dieser Kulturgeschichte zurück. Hätte Faro die Bücher von Elisabeth Bronfen, Barbara Duden, Thomas Laqueur oder Claudia Honnegger gelesen, hätte sie zur Kenntnis genommen, denkt die Rezensentin, dass im Gender-Diskurs "biologistische Argumentationen" und ein "Wir-Frauen-Pathos" längst "verpönt" sind, auch wenn Benthien vielen Inhalten dieser Publikation durchaus zustimmt. Über dieses Manko, so die Rezensentin, könne leider auch die "aufwendige Gestaltung" des Bandes nicht hinwegtäuschen.

© Perlentaucher Medien GmbH