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Der oberste Grenzsoldat der DDR galt vielen als Inkarnation der repressiven DDR, die ihre Bürger nicht rausließ. Bei dieser Betrachtung wird stets ausgeblendet, daß die deutsche Teilung Folge des Hitlerkrieges war. Und daß die Grenze keine innerdeutsche war, sondern die Frontlinie zwischen NATO und Warschauer Pakt. Diese hatten die DDR-Grenzer zu sichern. Baumgarten zeigt, in welchem Maß sie eine Bündnisverpflichtung erfüllen mußten. Ebenso macht er aus seiner Überzeugung keinen Hehl, daß er und seinesgleichen nicht nur eine militärische, sondern eine politische Aufgabe hatten, zu der er…mehr

Produktbeschreibung
Der oberste Grenzsoldat der DDR galt vielen als Inkarnation der repressiven DDR, die ihre Bürger nicht rausließ. Bei dieser Betrachtung wird stets ausgeblendet, daß die deutsche Teilung Folge des Hitlerkrieges war. Und daß die Grenze keine innerdeutsche war, sondern die Frontlinie zwischen NATO und Warschauer Pakt. Diese hatten die DDR-Grenzer zu sichern. Baumgarten zeigt, in welchem Maß sie eine Bündnisverpflichtung erfüllen mußten. Ebenso macht er aus seiner Überzeugung keinen Hehl, daß er und seinesgleichen nicht nur eine militärische, sondern eine politische Aufgabe hatten, zu der er unverändert stand. Baumgarten präsentiert sich in seinen autobiographischen Erinnerungen als ein sensibler Beobachter seiner Zeit, in der er sich mit Fleiß, Charakter und Ausdauer vom einfachen Zimmermann zum Generaloberst entwickelte.
Autorenporträt
Klaus-Dieter Baumgarten (1931 - 2008) war Zimmermann und zog 1949 Uniform an. Grenzpolizist im Harz, in den frühen 60er Jahren Besuch einer sowjetische Militärakademie, in den 70er Jahren die Generalstabsakademie der UdSSR. Danach Kommandeur des Grenzkommandos Süd. Von 1979 bis zum 28. Februar 1990 war er Chef der Grenztruppen der DDR und Stellvertretender Verteidigungsminister. Als Generaloberst a. D. wurde er zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, von denen er mehr als die Hälfte absaß.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Schuldiger mit gutem Gewissen
Baumgartens postdiktatorischer Geschichtsrevisionismus

Ein Dorfjunge aus Thüringen, mit achtzehn Zimmermann, mit achtundvierzig Chef der DDR-Grenztruppen, zuletzt Generaloberst, dazu Kandidat des Zentralkomitees der SED - das war Klaus-Dieter Baumgarten. Sein bewegtes Leben erzählt er in seinen Erinnerungen, die kurz vor seinem Tode erschienen sind. Das Buch, eine Melange aus Autobiographie, Information und Agitation, macht das Laufbahnmuster eines ehemaligen DDR-Militärs transparent und gewährt Einblicke in Charakter, Gemüt und geistige Verfassung eines Mannes, der dem SED-Staat alles verdankt hat - "seinem Staat", der ihn, den jungen Grenzer, 1953 zur Ausbildung an die Offiziersschule der Kasernierten Volkspolizei in Dresden delegiert. 1959 folgt ein mehrjähriges Studium an der Moskauer "Frunse"-Militärakademie, und in den siebziger Jahren absolviert er ein Zweitstudium an der Generalstabsakademie der sowjetischen Streitkräfte in Moskau.

Frühzeitig werden ihm Führungsfunktionen in den DDR-Grenztruppen und hohe Verantwortung bei der Installierung ihrer "Grenzsicherungsanlagen" übertragen. Er bewährt sich, ein begabter, disziplinierter und gehorsamer Offizier. Ihm sei bewusst gewesen, schreibt er, dass mancher seiner Genossen die Macht genossen habe. "Ich nicht. Ich war Kommunist, ein Dienender. Ich wollte eine bessere, gerechte, eine sozialistische Welt." Verwundert es bei diesem Credo und angesichts seiner Karriere, wenn Baumgarten bis ans Ende seiner Tage nicht begreifen kann oder will, dass er beim "Frontdienst im Frieden" zum Täter geworden war? Als ihn die 36. Strafkammer des Landgerichts Berlin 1996 wegen des mörderischen Grenzregimes an Mauer und Grenzzaun, juristisch als Totschlag qualifiziert, mit sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe zur Rechenschaft zieht - fünf mitangeklagte Ex-Generäle der DDR-Grenztruppen erhalten Strafen zwischen drei Jahren neun Monaten und drei Jahren drei Monaten -, ist dies aus Baumgartens Sicht "Rechtsbeugung", "politische Verfolgung", "Unrecht im so fortgesetzten kalten Krieg" und "Siegerjustiz". Seine Kritik an dem gegen ihn und seinesgleichen geführten Strafprozess ist radikal und maßlos. Mitangeklagte, die sich anders als er vor Gericht einsichtig zeigen, menschlich anständig, verachtet er als "opportunistisch". Dem Vorsitzenden Richter wirft er ob seiner Verhandlungsführung "Arroganz und Zynismus" vor, "Geringschätzung, ja Verachtung der DDR". Und so weiter.

Mit Rechtskraft des Urteils wird Baumgarten im November 1996 dem Strafvollzug zugeführt. Als Häftling Nr. 5355/6 lernt er die Gefängnisse Moabit, Plötzensee und Düppel kennen - für den damals 65-Jährigen gewiss keine einfache Zeit. Immerhin kommt er bald in den offenen Vollzug. Nach Begnadigung wird er im März 2000 vorzeitig entlassen. Das alles stellt der Autor ausführlich dar, ergänzt durch Auszüge aus Dokumenten. In voller Absicht und vermutlich nicht ohne ideologische Beihilfe hat Baumgarten seine Erinnerungen als Rechtfertigungsschrift angelegt, die dem postdiktatorischen Geschichtsrevisionismus zuzuordnen ist. Apologie bis zur Penetranz. Selbst den Schusswaffengebrauch gegen DDR-Flüchtlinge, die er durchweg "Grenzverletzer" nennt, und den Einsatz von Erdminen und Selbstschussanlagen im Grenzgebiet verteidigt er nachdrücklich. "Grenzverletzer sind festzunehmen oder zu vernichten" - die Vergatterungsformel der Grenzposten leugnet er zwar nicht, aber er bestreitet, dass damit die physische Vernichtung des Flüchtlings gemeint gewesen wäre. Wer kann das ernst nehmen?

Seine Sprache ist schlicht, politisch korrekt im Stil des "Neuen Deutschland" zu Ulbrichts und Honeckers Zeiten. DDR-Flüchtlinge, die "die Staatsgrenze zur BRD und West-Berlin" überwinden wollten und dabei durch Minen oder Schusswaffen zu Schaden oder gar ums Leben kamen, sind für den Autor "Opfer" in Gänsefüßchen, "sogenannte Opfer". Trotz seiner agitatorischen Zuspitzungen bietet das Buch im Detail manche aufschlussreiche Information zum DDR-Grenzregime, für das Baumgarten allerdings die Moskauer Führung und das Oberkommando der Warschauer-Pakt-Organisation verantwortlich zu machen versucht. Klaus-Dieter Baumgarten bleibt bis zuletzt ein gläubiger Kommunist und ungebrochen stolz auf seine Lebensleistung. Als selbst die Nachfolgepartei der SED auf Distanz zu dem mörderischen DDR-Grenzregime geht, erklärt er tief frustriert seinen Parteiaustritt, erbittert und verbittert. Ein Schuldiger mit gutem Gewissen.

KARL WILHELM FRICKE

Klaus-Dieter Baumgarten: Erinnerungen. Autobiographie des Chefs der Grenztruppen der DDR. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2008. 352 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kritisch äußert sich Karl Wilhelm Fricke über diese Erinnerungen des ehemaligen Chefs der DDR-Grenztruppen, Klaus-Dieter Baumgarten, die er als Mix aus "Autobiografie, Information und Agitation" charakterisiert. Er hält dem Autor vor, reinsten Geschichtsrevisionismus zu betreiben und sich in "Apologie bis zur Penetranz" zu üben. Baumgartens Kritik am Strafprozess gegen ihn wegen seiner Verantwortung für die Todesschüsse an der Mauer erscheint Fricke ohne jedes Maß. Gleichwohl findet er in dem Buch bisweilen Instruktives zum DDR-Grenzregime und die Laufbahnmuster des DDR-Militärs.

© Perlentaucher Medien GmbH