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Sie ist eine der bekanntesten Politikerinnen Europas und verkörpert vor allem eines: das Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit. Nach ihrer Deportation und dem Kriegsende wird die dreifache Mutter zur "Madame le Ministre" unter Jacques Chirac. Ihr Kampf für die "Loi Veil", die Legalisierung der Abtreibung, geht in die Geschichtsbücher ein. Neben Helmut Kohl und François Mitterrand wird sie zur Galionsfigur der europäischen Gemeinschaft. In ihren Erinnerungen berichtet sie fesselnd vom Austausch mit Politikerinnen wie Hillary Clinton oder Margaret Thatcher und schildert spannende Begegnungen…mehr

Produktbeschreibung
Sie ist eine der bekanntesten Politikerinnen Europas und verkörpert vor allem eines: das Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit. Nach ihrer Deportation und dem Kriegsende wird die dreifache Mutter zur "Madame le Ministre" unter Jacques Chirac. Ihr Kampf für die "Loi Veil", die Legalisierung der Abtreibung, geht in die Geschichtsbücher ein. Neben Helmut Kohl und François Mitterrand wird sie zur Galionsfigur der europäischen Gemeinschaft. In ihren Erinnerungen berichtet sie fesselnd vom Austausch mit Politikerinnen wie Hillary Clinton oder Margaret Thatcher und schildert spannende Begegnungen mit den Mächtigen ihrer Zeit: Helmut Schmidt, Bill Clinton, George Bush, Nelson Mandela, Papst Johannes Paul II.
Autorenporträt
Simone Veil, geb. 1927 in Nizza, überlebte Auschwitz, die Todesmärsche und Bergen-Belsen, während Bruder, Vater und Mutter getötet wurden. Sie war Gesundheits-, Familien- und Sozialministerin und die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments.
2010 wird ihr für ihr politisches und kulturelles Lebenswerk, in dessen Zentrum das Wachsen und der Zusammenhalt Europas stehen, der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2009

Breschen in den Konformismus schlagen
Von Auschwitz bis ins Europäische Parlament - Die Lebenserinnerungen der französischen Politikerin Simone Veil

"Une vie", ein Leben, heißt die 2007 erschienene Autobiographie von Simone Veil im französischen Original. Das ist nüchterner und monumentaler zugleich als der Titel der jetzt erschienenen deutschen Ausgabe: "Und dennoch leben". Das soll die Energie, den Willen, letztlich auch den unerschütterlichen Optimismus evozieren, die dem 1927 in Nizza geborenen Mädchen aus einer jüdischen Familie, das im Alter von 17 Jahren durch die Hölle des Konzentrationslagers Auschwitz gegangen war, dabei geholfen haben, zu einer der populärsten Politikerinnen Frankreichs zu werden. Das trotzige "dennoch" will aber nicht so recht passen zu dem nüchtern-unprätentiösen Ton, in dem Simone Veil ihr Leben erzählt: seine frühen Tiefen wie die späteren politischen Triumphe und Ehren.

Die glückliche Jugend im Familien- und Freundinnenkreis in Nizza wird schon in den dreißiger Jahren von Berichten überschattet, die es über die Entwicklung in Deutschland gibt, über den Aufstieg der Nazi-Horden, damit einhergehend die zunehmende Drangsalierung und Verfolgung der Juden. Mit dem Kriegsbeginn rückt diese Gefahr immer weiter nach Süden vor, bis - nach dem Zwischenspiel einer italienischen Besatzung - die Gestapo in Nizza einrückt und schließlich auch die Familie Jacob in die Fänge des Terrorregimes gerät: Simones Vater und ihr Bruder Jean werden ins Baltikum verschleppt und bleiben verschollen. Zusammen mit ihrer Mutter Yvonne und ihrer Schwester Milou kommt Simone auf einen jener Todestransporte, die über die Zwischenstation des französischen Lagers Drancy nach Auschwitz führen.

Die Verfasserin erzählt von dem unsagbaren Grauen, für das der Name Auschwitz steht. Vermutlich hat sie es nur deshalb überlebt, weil sie auf den geflüsterten Rat hörte, gleich bei der Ankunft, an der "Rampe", ihr Alter falsch anzugeben. Frau Veil schildert das Leben der Deportierten, die Demütigungen, die internen Hierarchien, die beständige Präsenz des Todes durch den Gestank der Krematorien, aber sie hält sich dabei an eine Schamgrenze: Das Unsagbare, das den Menschen in Auschwitz zugefügt wurde, ist auch in dem präsent, was sie verschweigt. Ihre Mutter, geschwächt vom Lager und dann von einem Todesmarsch nach Bergen-Belsen, erlebt die Befreiung durch die Alliierten nicht mehr.

Simone Veil hat sich nach dem Krieg stets gewehrt gegen Besserwisser, die, ohne das Elend der Deportierten am eigenen Leib erfahren zu haben, darüber schrieben, wie man sich in den Lagern hätte anders verhalten sollen oder was die Alliierten hätten tun können, um die Massenvernichtung der Juden zu verhindern oder wenigstens zu behindern. Auch Hannah Arendts Analyse der "Banalität des Bösen" aus Anlass des Eichmann-Prozesses entgeht dabei ihrem Verdikt nicht. Traumatisch wirkte, dass die Gesellschaft, dass selbst Freunde und Verwandte, mit denen, die das Schreckliche erlebt hatten, nicht darüber sprechen wollten, dass die dem Tod entkommenen Deportierten oft auf Verständnislosigkeit stießen, manchmal sogar mit dümmlichen Fragen und Bemerkungen konfrontiert waren.

Dennoch - hier ist das Wort angebracht - stürzt sich Simone Jacob bald in das Studentenleben und beginnt Jura zu studieren. Zuerst eher zufällig, später dann über ihren künftigen Mann Antoine kommt sie in Kontakt mit Leuten, die den französischen "Zentristen" nahestehen, dem christlich-demokratischen MRP, dessen herausragender Repräsentant Robert Schuman war, einer der Gründerväter der europäischen Einigung. Diese jungen Leute arbeiten für René Pleven oder Alain Poher, Politiker, welche die Vierte Republik prägen, teilweise auch noch die Anfänge der Fünften.

1950, kaum fünf Jahre nach dem schrecklichsten Abschnitt ihres Lebens, folgt Simone Veil, früh verheiratet, ihrem Mann nach Deutschland, offenbar ohne Ranküne oder langes Bedenken. Es folgen drei Jahre in dem besetzten Land, die beiden Söhne gehen sogar auf eine deutsche Schule. 1953 kehrt die Familie nach Frankreich zurück, und Simone beginnt ihre Karriere im Staatsdienst. Sie engagiert sich über Jahre für die Rechte von Strafgefangenen, für die Verbesserung der Lebensumstände in den Gefängnissen. Sie findet die Dekolonisierungspolitik des Sozialisten Mendés-France richtig, ihre Bewunderung für de Gaulle hält sich in engen Grenzen. Über den Mai 1968 schreibt sie: "Wir lebten sehr wohl in erstarrten Verhältnissen ... Im Gegensatz zu dem, was die Diven des rechten Lagers unermüdlich behaupteten, ließ sich nicht alles auf linke Wahnvorstellungen reduzieren." Wie kommt es, dass eine Frau, deren Ideen nach den Maßstäben der deutschen Parteipolitik eher dem linken Lager zugerechnet werden mussten, nach einer erfolgreichen Beamtenkarriere 1974 vom neugewählten Präsidenten Giscard d'Estaing als Gesundheitsministerin in die Regierung berufen wurde?

Auch Giscard war wie Simone Veil der Meinung, dass die französische Gesellschaft Reformen brauchte. Obwohl selbst praktizierender Katholik, hielt er die unwürdigen Umstände von Abtreibungen und den wachsenden Abtreibungstourismus in die Niederlande für einen Skandal. Simone Veil wurde erkoren, diese Missstände mit einem Gesetz, das den Frauen die Wahlfreiheit gab, zu beenden. Sie schildert die Umstände, unter denen ihr dies gelang, detailliert: Es gab nicht nur Unterstützung von Giscard, sondern auch von Jacques Chirac, seinem Premierminister. Es waren einige Ärzte in der Nationalversammlung und im Senat, die sie aus Kenntnis der Realitäten dabei unterstützten. Das Gesetz passierte trotz heftigem Widerstand auf der parlamentarischen Rechten mit Hilfe der Linken die beiden Kammern und ist als "Loi Veil" in die Geschichte der Französischen Republik eingegangen.

1979 ging Simone Veil, auf Bitten Giscards, in das erstmals direkt gewählte Europäische Parlament und wurde dessen Präsidentin. Es war die Einlösung jenes europäischen Engagements, das Simone Veil und ihr Mann seit den frühen fünfziger Jahren verfolgt hatten. 1993 trat Simone Veil noch einmal für zwei Jahre in eine Regierung ein: Der Präsident hieß Mitterrand, sein Premierminister Balladur, es war eine Phase der Kohabitation. Als Balladur, den Frau Veil unterstützte, bei der Präsidentenwahl scheiterte, zog sie sich aus dem aktiven politischen Leben zurück. Der Senatspräsident Monory schlug sie bald danach noch einmal als Mitglied des Verfassungsrates vor, des französischen "Verfassungsgerichts", das im Verlauf der Fünften Republik immer mehr Bedeutung gewonnen hat.

Es ist dies eine politische Karriere, die in Deutschland schwer vorstellbar ist: Von Parteipolitik hielt sich Simone Veil fern, auch wenn sie den "Giscardisten" zugerechnet wurde. Die Urteile, die sie in ihren Lebenserinnerungen über das politische Personal abgibt, haben nie etwas mit Parteizugehörigkeit zu tun, sondern halten sich immer an die Qualitäten und Meriten der Person. Ihre Erfolge wie ihre Popularität haben vielleicht gerade damit zu tun, dass sie sich oft genug über die Regeln des "politischen Betriebs" hinwegsetzte. Das Resümee ihres Lebens: "Im Grunde habe ich mich mein ganzes Leben lang dafür einsetzen können, Breschen in den Konformismus meiner Umgebung zu schlagen, gesellschaftliche Phänomene und gesetzliche Rahmenbedingungen miteinander in Einklang zu bringen; und dies habe ich immer als großes Glück empfunden."

GÜNTHER NONNENMACHER

Simone Veil: Und dennoch leben. Die Autobiographie der großen Europäerin. Aufbau Verlag, Berlin 2009. 316 S., 22,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das trotzige "dennoch" im deutschen Titel findet Günther Nonnenmacher irgendwie unpassend. Unpassend zu der Nüchternheit, mit der Simone Veil ihre 2007 im Original erschienene Autobiografie verfasst hat. Nonnenmacher gibt die Lektüre Aufschluss über Veils Leidenszeit in Auschwitz, über das die Autorin, wie der Rezensent anerkennt, in einer Weise berichtet, dass darin auch das Unsagbare präsent ist. Ferner erfährt Nonnenmacher über Veils politische Arbeit, etwa zum Abtreibungsrecht, und die charmante Art der Autorin, über politische Weggefährten zu urteilen: Immer mit Blick auf die Qualitäten der Person, niemals auf ihre Parteizugehörigkeit.

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