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Spur der Filme Die Geschichte eines Landes auf Zelluloid
Den Traum vom selbstbestimmten Menschen träumten auch die Filmemacher der DDR. Wolfgang Gersch hat sich auf eine Spurensuche durch die DEFA-Filme begeben, die zwischen 1946 und 1990 entstanden sind. Ihre Geschichte erzählt zugleich die Geschichte eines Landes, seiner Ideologie, seiner Visionen und Irrtümer.
Wie auch die Künstler anderer Sparten bewegten sich die Filmschaffenden der DDR auf dem Grat zwischen Propaganda und mal mehr, mal weniger verhohlen geäußerter Kritik am System. Und wo sollte dies deutlicher werden als in ihren
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Produktbeschreibung
Spur der Filme
Die Geschichte eines Landes auf Zelluloid

Den Traum vom selbstbestimmten Menschen träumten auch die Filmemacher der DDR. Wolfgang Gersch hat sich auf eine Spurensuche durch die DEFA-Filme begeben, die zwischen 1946 und 1990 entstanden sind. Ihre Geschichte erzählt zugleich die Geschichte eines Landes, seiner Ideologie, seiner Visionen und Irrtümer.

Wie auch die Künstler anderer Sparten bewegten sich die Filmschaffenden der DDR auf dem Grat zwischen Propaganda und mal mehr, mal weniger verhohlen geäußerter Kritik am System. Und wo sollte dies deutlicher werden als in ihren Filmen? Wolfgang Gersch widmet sich den Publikumserfolgen der DEFA wie"Spur der Steine","Die Legende von Paul und Paula"oder"Solo Sunny". Er spannt den Bogen von Staudtes"Die Mörder sind unter uns"(1946), dem ersten DEFA-Film, der sich mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzte, bis zu"Die Architekten"von 1990, der in seiner Gesellschaftskritik von den historischen Ereignissen bereits überholt wurde, nimmt aber auch fast vergessene Streifen in den Blick. Diese ganz subjektive Filmgeschichte weitet sich unversehens zu einer"Sehhilfe"für zeitgeschichtliche Zusammenhänge.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2006

Wie ich die Defa haßlieben lernte
Der Untergang: Wolfgang Gersch rechnet mit dem DDR-Film ab

Seit dem 3. Oktober 1990 ist die DDR ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Numismatiker und Philatelisten können an der Vollständigkeit ihrer Schätze arbeiten, jedermann sonst Erinnerungen ans dahingegangene Land zusammentragen. Wolfgang Gersch, der 1975 mit dem Standardwerk "Film bei Brecht" auf sich aufmerksam machte und in Ost-Berlin regelmäßig über neue Filme und Theaterinszenierungen schrieb, läßt das Erbe der Defa, des einzigen Produzenten von Kinofilmen in der DDR, keine Ruhe. Das hat einen besonderen Grund: Gersch war von Frühjahr bis Herbst 1990 Filmminister im Kabinett de Maizière. Nach dem Beitritt gehörte er bis zu seiner Pensionierung dem Filmreferat des Bundesministers des Inneren an und war maßgeblich an der Gründung der Defa-Stiftung beteiligt.

Wie passend zum Jubiläum der Defa, deren Lizenzträger Kurt Maetzig und andere am 17. Mai 1946 im Babelsberger Althoff-Studio von sowjetischen Kulturoffizieren ihre Berufung überreicht bekamen, legt Gersch "eine Filmgeschichte der etwas anderen Art" vor: "Szenen eines Landes. Die DDR und ihre Filme". Der Titel zeigt die Stoßrichtung des schmalen Buches an. Mit den vierundsechzig ausgewählten Spielfilmen steht das Herrschaftssystem der SED, vor allem deren Kulturpolitik, gleich mit zur Disposition oder, wie man auf Grund des scharfen, polemischen Tones besser sagen könnte, am Pranger. Nur selten bleibt an den zwischen 1946, also noch vor Gründung der DDR, und 1990 entstandenen Werken ein gutes Haar. Gersch will weder würdigen noch nach allen Regeln der Kunst analysieren, sondern an markanten Details den Untergang des in seiner Sicht von der ersten Stunde an illegitimen Staats, der Propaganda als Dauerstütze brauchte und Kritik oft mit zensorischer Gewalt unterdrückte, exemplifizieren. Das 1965 vom berüchtigten 11. Plenum des SED-Politbüros verfügte Verbot fast eines ganzen Jahrgangs von Defa-Filmen und die Verbannung von Frank Beyers berühmtem Film "Spur der Steine" wurden dafür die bekanntesten Beispiele.

Nun kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Defa nicht zur Kritik am realexistierenden Sozialismus, sondern zum Glauben an die Heilsversprechungen beitragen sollte. Doch Sollen und Wollen gingen auch in dieser Diktatur nicht jederzeit zusammen, und die List der Vernunft unterlief immer wieder die Order der Parteiführung - sonst wären die Lichtspielhäuser leer geblieben. Die ostdeutsche Filmkunst rieb sich so oder so zwischen Baum und Borke auf: entweder an der Macht der Instanzen oder am Publikum, das nicht gern belehrt und erzogen werden wollte. Doch eines kann die nur selten international erfolgreiche Kinematographie der DDR trotzdem nicht sein: soziologisches Beweismaterial, von dem direkt auf die Verhältnisse rückgeschlossen werden kann. Wo es Kunst ist, und dieses Wollen will Gersch selbst den von ihm meist scheel angesehenen Regisseuren nicht absprechen, läßt sich ein Film spielerisch und nicht als plattes Abbild auf "die Wirklichkeit" ein.

Gerschs Leistung im Hinblick auf dieses von ihm haßgeliebte Erbe besteht vor allem darin, den vorzugsweise unter politischen Gesichtspunkten ausgewählten Filmen ein mehr oder minder verblüffendes Etikett anzuhängen. So darf Erich Engels "Affäre Blum" aus dem Jahr 1948 als "Engagement für die bürgerliche Demokratie" passieren, wohingegen Maetzigs Thälmann-Filme von 1954/55, sehr zu Recht, die Bezeichnung "Heiligenlegende" verpaßt bekommen. Über das Markenzeichen "Ästhetik der Stille" wird sich der mit dem Spielfilmprojekt "Jahrgang 45" gescheiterte, als Dokumentarfilmer dagegen erfolgreiche Maler-Regisseur Jürgen Böttcher (Strawalde) herzlich freuen. Stets mit Beifall bedenkt der Autor das ambitionierte Werk Egon Günthers, dessen Goethe-Adaption "Die Leiden des jungen Werthers" von 1976 er gegen Kritik aus dem Westen in Schutz nimmt. Nicht mit vielen Filmen geht Gersch so sanft um.

Die kurzen Kapitel sind aus einzelnen Notaten zusammengefügt und schöpfen das Thema nie aus. Man mag in dieser Methode das Vorbild Brecht erkennen, doch der faßte immer die Gegenwart scharf ins Auge. Gerschs Feind liegt längst besiegt am Boden. Für Brecht sprechen auch die vielen, mit gewundenen Partizipialkonstruktionen beginnenden Behauptungssätze, die jede weitere Erörterung ausschließen: "Die eigentümliche Künstlerpsychose kompromißlos behauptend, plädiert der Film für das Ausbrechen aus den verordneten Normen als Voraussetzung für Kreativität überhaupt", liest man zum Beispiel über den noch heute sehenswerten "Beethoven"-Film von Günter Kunert und Horst Seemann aus dem Jahr 1976 - allzu starke Worte, die an die in der DDR übliche allgemeine Überschätzung der Kunst erinnern.

Wer mit den von Gersch ausgewählten und oft harsch abgefertigten Filmen (bemerkenswerte andere, vielleicht sogar bessere bleiben außen vor, weil sie "keinen Ausblick des maroden Landes geben") vertraut ist, wird nicht viel Neues finden. Was aber fängt der Defa-Unkundige damit an? Wird er sich an den kräftigen Worten des Autors über "Bonzen" und "Altkommunisten" aufrichten? Zuweilen scheint das Buch eine verspätete Kampfschrift gegen die Defa und natürlich die DDR.

Ein Blick in das verborgene Räderwerk des Studios, das Regisseure, Autoren, Darsteller und viele exzellente Fachleute dem Funktionärswillen unterwarf, aber auch vielen eine Arbeitsmöglichkeit bot, wäre womöglich nützlicher gewesen. Und welches trübe letzte Kapitel begann, als das einstige, profitable Studiogelände der Ufa mit staatlichen Zuwendungen erst saniert, dann verkauft und wenige Jahre später als eigenständiger Produktionsstandort aufgegeben wurde? Wolfgang Gersch ist dabeigewesen.

HANS-JÖRG ROTHER

Wolfgang Gersch: "Szenen eines Landes". Die DDR und ihre Filme. Aufbau Verlag, Berlin 2006, 226 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Beste seien noch die "verblüffenden" Kurz-Etikettierungen, die Wolfgang Gersch manchmal den von ihm ausgewählten Filmen angedeihen lasse, konstatiert ein verblüffter Rezensent. Denn das eigentliche Ziel des Autors sei nicht ein Blick hinter die Kulissen, sondern monokausale Indizienbeweise und Belegstellen für das Unrechtssystem DDR zu sammeln. So einfach, erhebt Rezensent Hans-Jörg Rother den Finger, sei die Diktatur aber nicht an der ostdeutschen Filmkunst ablesbar, und er fühlt sich auf fatale Weise erinnert an die überhöhte Wertschätzung der Kunst in der DDR. Zudem zeige auch die Sprache des Autors einen quasiautoritären und schlechten Partizipial-Stil. Hätte Wolfgang Gersch, seufzt der Rezensent, doch ein anderes Buch geschrieben als dieses "verspätete" Pamphlet.

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