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"Dies ist das sehr persönliche, sehr liebevolle und sehr vielschichtige Portrait eines begnadeten Verführers."

Produktbeschreibung
"Dies ist das sehr persönliche, sehr liebevolle und sehr vielschichtige Portrait eines begnadeten Verführers."
Autorenporträt
Connie Palmen, geboren 1955, lebt in Amsterdam. Ihr erster Roman 'Die Gesetze', "ein erfrischendes Debüt" (The Independent, London), eine Sammlung unkonventioneller Liebesgeschichten, ein moderner Bildungsroman, eine brillant erzählte Geschichte von der Suche nach Glück und Selbstfindung, wurde zum internationalen Bestseller und Kultbuch der neunziger Jahre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2004

Filou, intellektuell geschult
Connie Palmen untersucht die Bindungsangst und ihre Folgen

Dieser Mann ist ein Wiederholungstäter, ebenso charmant wie skrupellos. Salomon Schwartz, von Freunden kurz "Mon" genannt, trägt zwar den hebräischen Namen des "Friedfertigen". Doch statt sich wie sein berühmter Namensvetter aus dem Alten Testament um Harmonie im menschlichen Miteinander zu bemühen, treiben ihn gegenteilige Gelüste. Salomon, der als Zeitungskolumnist sein Geld verdient, ist ein streitsüchtiger Polemiker, ein eitler Selbstdarsteller und vor allem: ein Schwerenöter.

Auch wenn er mit seiner Körpergröße von kaum mehr als 1,60 Metern und einem Hinkebein eigentlich nicht gerade wie ein Don Juan aussieht, verfügt Palmens Protagonist in "Ganz der Ihre" doch über eine schier unbezwingbare Verführungskraft. Keine Frau, die Salomon sich als Liebesopfer erwählt, kann seinem rhetorisch gewitzten Charme widerstehen. Und keine kann ihn, den zutiefst Bindungsunwilligen, dauerhaft bei sich halten. Mag die Geliebte auch noch so fürsorglich oder schön sein: Salomon betrügt und verläßt sie am Ende doch. Man kennt diesen Typus des intellektuell geschulten Filous, auch die "Mischung aus dominantem Macho und frechem, kleinem Jungen". Man kennt diese vornehmlich männliche Marotte, sich mit geistreichen Pointen jeder Festlegung zu entziehen. Salomon gehört zu jener Sorte Beziehungsneurotiker, die in Woody-Allen-Filmen die Hauptrolle spielt.

Tatsächlich aber hat der Mann, um den sich in "Ganz der Ihre" alles dreht, offenbar ein ganz reales Vorbild. Nachdem Palmen schon vor fünf Jahren den Herzinfarkt-Tod ihres Lebenspartners Ischa Meijer im Roman "I.M." literarisch aufarbeitete, ist nach eigener Aussage nun auch ihr neues Buch dem 1995 verstorbenen Talkmaster gewidmet, diesmal allerdings deutlich stärker verfremdet als der Vorgänger. Dafür sorgt schon ein perspektivischer Kniff. Denn ausgerechnet Salomon, dessen Biographie der Roman haarklein ausbreitet, ist gleichzeitig auch der große Abwesende. Als seine Chronik niedergeschrieben wird, ist der notorische Flachleger bereits sieben Jahre tot. Nicht Salomon, sondern fünf Frauen bilanzieren sein Leben im Rückblick. Es sind seine fünf engsten Vertrauten, denen gemeinsam ist, daß auch sie einst vom Verstorbenen enttäuscht und verraten wurden, ohne daß dieses ihrer Verehrung für ihn Abbruch getan hätte. Die Chronistinnen schwärmen weiter für den Frauenhelden und wetteifern selbst nach seinem Tod noch darum, die "Richtige" für ihn zu sein. Palmens Lösung für dieses "Rätsel einer zerstörerischen Verführungskraft" ist indes schnell enttarnt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Schon bald zeigt sich, daß die ehemals Verführten eine ähnliche Phobie vor Nähe umtreibt wie einst ihren Verführer. Angefangen mit einer Psychoanalytikerin über eine Schauspielerin, eine Hure und eine Heilige (in Gestalt einer sozial arbeitenden Ordensschwester) bis hin zur Biographin selbst, die sämtliche Aussagen über Salomon gesammelt und geordnet hat: Bezeichnenderweise hat keine der fünf Frauen einen festen Partner oder ein Kind. Alle hängen sie statt dessen lieber dem unerreichbaren Ideal ihrer entschwundenen Liebe hinterher. Heraus kommt dabei seitenlanger Psychotalk, vornehmlich über Salomons angeblich traumatische Wunden.

Alle seine Fehltritte, so wird dem Leser in küchenpsychologischer Deutung eingetrichtert, seien nämlich letztlich entschuldbar gewesen: als Ausdruck einer gequälten Kinderseele. Schließlich hatte der junge Salomon einst das Pech, einen "Erzsadisten" zum Vater zu haben. Dieser Vater, ein Holocaust-Überlebender und zynischer Geschichtslehrer, habe seinen Sohn dann derart oft bloßgestellt, daß dieser zum "wahrhaft Verzweifelten" heranwuchs, der die mangelnde Elternfürsorge später - in typischer Geniemanier - mit Schreiben und Seitensprüngen kompensierte. "Es könnte sein, daß du, wenn du Frauen aufreißt, um sie dann abrupt zu verlassen, in einem fort wiederholst, was dir selbst passiert ist", überlegt die Psychoanalytikerin mitfühlend im Gespräch mit Salomon. Es ist nur eines von vielen Problemgesprächen in diesem Buch, das eher einer ausufernden Kette von Therapie-Protokollen denn einer Liebeschronik gleicht. Ja, man könnte sogar sagen: die Liebesverhältnisse, die in "Ganz der Ihre" beschrieben werden, tragen alle das Gepräge psychoanalytischer Sitzungen, bei denen es zu einer weitreichenden Gegenübertragung kommt. Salomon, heißt es einmal, besaß "das besondere Talent, daß er total in dich hineinschlüpfen konnte". Und an anderer Stelle: "Er konnte Fragen stellen, die sich gar nicht wie Fragen anhörten, sondern eher Kommentare waren, die ein ganz neues Licht auf die Sache warfen." Bloß: So spricht kein Don Juan. So spricht ein Psychotherapeut. Und auf diese Weise trat nach den Flirts stets unweigerlich das ein, wovor schon Freud jeden Analytiker warnte: Alle fünf Frauen, die sich länger mit Salomon unterhielten, fühlten sich schnell so gut verstanden, daß sie ihn zum Idealpartner überhöhten. In Gegenübertragung verblendet, wollten und wollen sie seine Charaktermängel nicht wahrhaben, obwohl diese ganz klar auf der Hand liegen. Denn allem Charme und der traumatischen Kindheit zum Trotz: Salomon erweist sich in allen ihren Berichten durchgängig als egoistischer Narziß, der "auf Lob nicht verzichten" kann und seine Kolumnen lediglich parodierend mit "Totus Tuus" überschrieb. In Wahrheit entpuppt sich auch dieser Titel nur als Floskel seiner Unverbindlichkeit. "Ich bin ganz der Ihre", bekennt Salomon, "damit ich unerreichbar sein kann."

Die so oft beschworene Frauenliebe im Buch ist entsprechend einseitig und entspringt allein neurotischer Einbildungskraft. Was zweifellos skurril-komische Aspekte birgt, die Palmen stellenweise treffend einzufangen vermag. Warum sie aber ausgerechnet einem Liebesunfähigen ein vierhundertseitiges Denkmal weiblicher Aufopferung setzt, erschließt sich wohl nur Masochistinnen. Ihr mit Superlativen nur so gespicktes Loblied auf den "genialischen" Schwerenöter Salomon ebbt leider nie ab und leidet, je länger es dahinplätschert, zunehmend an Redundanzen und fehlenden Überraschungen.

GISA FUNCK

Connie Palmen: "Ganz der Ihre". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2004. 424 S., geb., 22,10 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine gewisse Portion Masochismus müssen auch die Leser von Connie Palmens Roman aufbringen, der vom Masochismus liebender Frauen handelt, die an einen notorischen und bindungsunfähigen Don Juan geraten, behauptet Gisa Funck recht leidensunwillig. Streckenweise lese sich die Bilanz dieses Männerlebens, berichtet aus der Sicht von fünf Frauen, die alle in einem Liebesverhältnis zu diesem liebestollen und zugleich liebesunfähigen Mann standen, wie das Protokoll analytischer Sitzungen. Aber nicht nur die Psychoanalyse sieht die Rezensentin bemüht, sondern auch viel Küchenpsychologie. Die Männerfigur in diesem Roman hat ein reales Vorbild, weiß Funck, Palmes verstorbenen Lebensgefährten Isha Meijer, "I.M.". Indem Palmen sich auf die gebrochene Perspektive der fünf Chronistinnen verlegt habe, habe sie ihr Thema diesmal mehr verfremdet als in ihrem früheren Roman "I.M.", atmet Funck auf. Dennoch geht ihr das Loblied auf den genialischen und notorischen Frauenhelden auf die Nerven, ein vierhundert Seiten langes "Denkmal weiblicher Aufopferung". Die komischen Aspekte solcher Beziehungen, in denen - so laute Palmens These - auch die Frauen eine Beziehungsphobie und Bindungsangst haben - fange die Autorin teilweise recht treffend ein, gesteht Funck zu.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Connie Palmen schreibt tiefsinnige Romane, die warmherzig und unterhaltsam sind trotz messerscharfer Analysen menschlicher Gefühle.« Christa von Bernuth / Elle Elle