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Impressionen aus einem bewegten Leben könnte der Untertitel lauten zu den fünfzig kurzen Geschichten des ehemaligen Oberbürgermeisters von Palermo. Leoluca Orlando erzählt darin von seinen beeindruckenden Begegnungen mit den Großen aus Kultur und Politik und von Begebenheiten rund um den Globus. Sie sind das mitreißende Zeugnis seines weitreichenden Engagements, denn der unerschütterliche Glaube an das Gute und das starke Vertrauen in die Zivilcourage bilden den Kern von Orlandos Erzählungen.In einem Hotelzimmer in Rom streitet er sich mit Fidel Castro darüber, wie man den Papst zu begrüßen…mehr

Produktbeschreibung
Impressionen aus einem bewegten Leben könnte der Untertitel lauten zu den fünfzig kurzen Geschichten des ehemaligen Oberbürgermeisters von Palermo. Leoluca Orlando erzählt darin von seinen beeindruckenden Begegnungen mit den Großen aus Kultur und Politik und von Begebenheiten rund um den Globus. Sie sind das mitreißende Zeugnis seines weitreichenden Engagements, denn der unerschütterliche Glaube an das Gute und das starke Vertrauen in die Zivilcourage bilden den Kern von Orlandos Erzählungen.In einem Hotelzimmer in Rom streitet er sich mit Fidel Castro darüber, wie man den Papst zu begrüßen hat. Mit dem Fischer Peppuccio unterhält er sich auf dem Markt über den Wert der sizilianischen Sprache, und mit Hans Georg Gadamer kann er nicht mithalten, wenn dieser an seinem hundertsten Geburtstag zwei Liter Rotwein trinkt. Er erzählt von Unstimmigkeiten mit Leonardo Sciascia, von Morden, von grappa, vino rosso und von der omerta. Orlandos Erzählen erinnert an die sizilianische Tradition des leichtfüßigen Fabulierens und ist doch nie nur erfunden.
Autorenporträt
Leoluca Orlando, geboren 1947 in Palermo, studierte Jura in Palermo und Heidelberg. Eigene Anwaltspraxis, dann Professur an der heimischen Universität. Er war von 1985 bis Ende 2000 Bürgermeister von Palermo und wurde durch seinen erfolgreichen Kampf gegen die Mafia international bekannt. Er ist Mitglied des Europarats und Präsident der Stiftung 'The Sicilian Renaissance Institute'. Seine Autobiographie Ich sollte der nächste sein erschien 2002 mit großem Erfolg. Auf seiner Lesereise durch Deutschland begeisterte er über 30000 Zuhörer. Heute ist Orlando einer der schärfsten Widersacher Berlusconis, und noch immer steht er auf der Abschußliste der Mafia.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2004

Der mit dem Kraken ringt
Keine Macht den Paten: Der Anti-Mafioso Leoluca Orlando erzählt

Eigentlich sollte er längst ermordet sein. Was aber fängt der mit dem Leben an, dem es, wie ihm, gleichsam nur von Tag zu Tag gestundet wird? Seine Antwort war ebenso verblüffend wie rücksichtslos: Er setzt es aufs Spiel. Angst als Ratgeber, kann das gutgehen? Der Erfolg ist kaum zu glauben. Er zieht inzwischen unter dem florealen Begriff "Frühling von Palermo" internationale Kreise, bis hin zu den Vereinten Nationen. Gemeint ist die politische und zivile Renaissance der verruchten sizilianischen Stadt. Dieses Wunder hat einen Namen: Leoluca Orlando.

Er war von 1985 bis 2000 Bürgermeister Palermos - wie andere vor ihm und seither auch. Doch keiner hat es gewagt, mit so offenem Visier einen Feldzug gegen die Mafia und die Schwarzarbeit der offiziellen Politik zu führen. Das Ergebnis läßt sich beziffern: Im Jahr 2000 gab es in Palermo noch acht Morde - und diese ohne Beteiligung der Mafia. Als Orlando sein Amt antrat, waren es etwa 250, die allein auf ihr Konto gingen. Wie war das möglich? Alles, was Orlando tut, tut er nicht eigentlich als Politiker, sondern als Bürgerrechtler. "I have a dream" - mit Martin Luther King eröffnet er seine Homepage. Entsprechend geht er vor. Parteiprogramme bedeuten ihm nichts; er gewinnt seine Überzeugungskraft aus "moralischen Imperativen" - Orlando hat einige Jahre in Heidelberg studiert, unter anderem bei Gadamer, und seine Frau bei einem zweistündigen Gespräch über die Philosophie Kants kennengelernt. In Sizilien scheint Kant allerdings fern. Orlandos Maxime des Handelns ist daher naheliegender: Wer wissen will, was Politik zu machen hat, braucht nur "seinen Nachbarn zu fragen". Hier, an der Quelle des Zusammenlebens, im kleinen, finden sich auch die Maßstäbe, die es seit Generationen erträglich machen: ein Sinn fürs Leben, wie ihn Familie und Freundschaft gibt; Anständigkeit, Gutwilligkeit, Fürsorge, natürliches Rechtsempfinden. Auf diese schweigende Ordnung unterhalb der öffentlichen setzt Orlandos Anti-Mafia-Bewegung: "Ihr seid Palermo, nicht die da."

Dies betrifft zuerst seine Art des zivilen Ungehorsams, eingeübt bereits als Achtundsechziger. Wo Schweigen, die omertà, das Gesetz der Unmenschlichkeit ist - muß da nicht Reden das erste Gebot sein, um wieder menschenwürdig zu werden? Also hat Orlando Dinge und Personen beim Namen genannt und dabei weder Berlusconi, "den Paten von Europa", noch Andreotti geschont. Auch nicht Helmut Kohl, dem er sich gleichwohl freundschaftlich verbunden fühlt. Überhaupt scheint er selbst in Mafia-Kreisen Respekt und damit Lebensaussichten erworben zu haben, daß er, bei aller Vehemenz und Wut, eine sensible Grenze stets geachtet hat: nie die Person selbst zu treffen, nur was sie anrichtet, ihr "System". Orlando wäre dadurch seinem eigenen Glaubensbekenntnis untreu geworden. Da er die Sprache der Medien fließend spricht, hat er dafür auch ein leutseliges Leuchtzeichen nach Art des Landes gefunden: den "sizilianischen Karren". Ein zweirädriger Eselswagen, dessen eines Rad die bindende Kraft der Rechtmäßigkeit, dessen anderes die lösende der Kultur verkörpert. Bewegt sich nur eines, dreht sich der Karren im Kreis. Eine "Kultur der Legalität" soll er transportieren.

Um viele zu erreichen, war ihm jedes Mittel willkommen. Der Politiker verwandelte sich dafür in einen Schauspieler (der für den Film "Gezählte Tage" einen Preis 1994 als bester Darsteller erhielt), machte aus Palermo ein Zentrum der Theaterkultur, schrieb Chansons, Drehbücher - und Erzählungen. Soeben ist sein zweiter Band erschienen, eben "Der sizilianische Karren". Er ist also bei seinem Thema. Doch er übersetzt seine Politik zurück ins Leben: auf 180 Seiten 46 pointierte Begebenheiten, die seinen Weg säumen. Herausgekommen ist dabei ein schriftliches Album mit bewegten, berührten, witzigen Momentaufnahmen von einem, der auszog, das Leben ein bißchen lebenswerter zu machen. Der unangefochten von sich überzeugt ist - weil er andere überzeugen will.

Orlando legt Wert darauf, mit den Großen, aber auch kleinen Leuten dieser Welt gesehen zu werden: mit Fidel Castro, den er berät, wie er den Papst begrüßen sollte; mit Gadamer beim Rotwein; Claudio Abbado, mit dem er den Saal zu seinem Abschiedskonzert in Berlin betritt; mit Agnelli, dem Fiat-Chef, wo ein Anruf genügt, um einem, der zu kurz gekommen ist, ein Taxi schenken zu lassen; mit Leonardo Sciascia, dem mahnenden Freund, der aus Sizilien einen europäischen Mythos gemacht hat, dazu Christiansen-Talkshow, "Spiegel"-Interview, neun Monate Lesereise durch Deutschland; daneben die Namenlosen, denen er einen Namen gibt, wie Peppino, seinem Barbier, mit dem er in der Zeitung war und dessen Tod ihm der Botschafter in Washington mitteilt.

Und so, wie viel Öffentliches ins Private gewendet wird, gibt Familiäres, Intimes Vorlagen fürs Politische. Bruchstücke einer Autobiographie dominieren dabei. Und wieder ein Ich, das sich angesichts seiner Bedrohung täglich neu aus sich selbst aufbaut. Etwa daß er das beste Abitur seines Jahrgangs in Italien gemacht hatte; aus einer alten adligen Familie kommt, die schon von Giotto in Verbindung mit Franz von Assisi ins Bild gesetzt wurde, oder wie die einfachen Leute der Altstadt ihn als "Kinderbürgermeister" verehren (und beglaubigen). Mit entwaffnender Unangefochtenheit stellt er sich in den Mittelpunkt, so als ob es eine Krise des modernen Subjekts nie gegeben hätte. Ein wenig scheint er gar in Versuchung, sich den Heiligenschein eines politischen Missionars anzulegen - aber nur, um mit einer weitausholenden Armbewegung gleich wieder in den Alltag einzutauchen.

Verdankt sich ein so pralles Ich südländischem Überschwang der Rhetorik eines stürmischen Freundes der Menschen? Dafür ist zu viel existentieller Ernst im Spiel. Hier führt jemand sein Leben als Auftritt, um weithin sichtbar Lebenszeichen zu geben: Seht, ich bin noch immer da. Man kann organisierter Unmenschlichkeit entgegentreten. Es ist, als ob er mit Erstaunen an sich selbst entdeckte, wozu Zivilcourage fähig sein kann. Doch wäre eine solche Verausgabung ohne einen starken Beweggrund durchzuhalten? Er hat ihn in einem paradox anmutenden Traum gefunden: dem "Traum von Normalität", davon also, was in Sizilien fehlt, ist man versucht zu sagen.

Doch Orlando geht ungleich weiter. Erst wer normal lebt, gewinnt den kulturellen Spielraum, um in Bewegung zu bringen, zu verändern, was der "Krake Mafia" Macht in den Köpfen der Leute verschafft: "der Wahn der Zugehörigkeit". Wenn keine bürgerlichen Freiheiten gelten, muß man schweigen, wo das Gesetz des Schweigens herrscht. Gegen eine solche "perverse Verknüpfung von Identität und Illegalität" kämpft Orlando an - und sei es mit einer Anekdote über eine Souvenirjagd in Kamerun.

Vielleicht muß man sich wie er weit über die Normalität hinauswagen, um sie glaubhaft einfordern zu können. Daß er dabei auch zur Literatur greift, ist nicht verwunderlich; wer, wenn nicht sie, hat Erfahrung darin, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen, damit sie human wieder auf den Boden kommen. Gewiß, allererste Literatur war in diesem Falle nicht zu erwarten. Die Gabe der Affabulation ist allerdings unbestreitbar. Dem Buch steht übrigens ein Essay von Ralph Giordano voran. Es ist eine feinfühlige Hommage von Freund zu Freund. Sie zeigt, welche ansteckende Wirkung von Orlando ausgehen kann. Man sollte sie deshalb erst nach dem Buch selbst lesen.

WINFRIED WEHLE

Leoluca Orlando: "Der sizilianische Karren". Geschichten. Aus dem Italienischen übersetzt von Moshe Kahn. Vorwort von Ralph Giordano. Ammann Verlag, Zürich 2004. 195 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2005

Ein fabelhafter Fabulierer
Leichtfüßig: Leoluca Orlandos „Der sizilianische Karren”
Man sagt, kaum ein Volk bewahre so viele unveröffentlichte Manuskripte in Nachttischschubladen auf wie die Italiener, und wir erlauben uns, die Sizilianer hier spekulativ mit einzubeziehen. Hätten die Aufzeichnungen des palermitanischen Ex-Bürgermeisters und Antimafia-Kriegers Leoluca Orlando rein nach ihrem literarischen Wert beurteilt werden müssen, so wären womöglich auch sie im Privatarchiv neben dem Kopfkissen gelandet.
Der habilitierte Jurist steht in einer Erzähltradition des „leichtfüßigen Fabulierens”, wie es der Klappentext charmant ausdrückt, das die Verschriftlichung nur bedingt verträgt. Doch was Orlando, ein Heros der Zivilcourage, aus seinem Leben zu berichten hat, interessiert die Welt und lohnt die Verbreitung, selbst noch in der sperrigen, erschütternd unlektorierten Übersetzung von Moshe Kahn, in der Sätze wie dieser an der Tagesordnung sind: „Mein fiebriger Charakter, der mich zu einem einsamen, aber hartnäckigen Kämpfer hat werden lassen, zwingt mich, mit eiskaltem und gleichwohl umgänglichem Blick die Abscheulichkeiten, die es um mich herum gibt, anzusehen.”
Orlandos Unerschrockenheit ist Legende. Seinen zähen Kampf gegen die organisierte Unmenschlichkeit und das Verbrechen hat er, der noch immer auf der Todesliste der Mafia steht, in seiner Autobiographie „Ich sollte der nächste sein” eindrucksvoll geschildert. Das Geschichtenbuch „Der sizilianische Karren”, das als Ergänzung dazu gelesen werden kann, versammelt Anekdoten aus dem Familienleben, Reiseerlebnisse, Notizen von Begegnungen mit den Großen dieser Welt und den kleinen Leuten Siziliens, Bewegendes und Marginales. Die kurzen Erzählungen, ungeordnet und sprunghaft, formlos und impulsiv, mal mit, mal ohne Pointe, fügen sich zum Porträt eines Mannes, bei dem das Charisma des politischen Visionärs ebenso ausgeprägt ist wie die liebenswürdige Egomanie des Bilderbuch-Sizilianers. Leoluca Orlando, Spross einer Mariage von Landadel und Großbürgertum, verhehlt weder seine kleinen Eitelkeiten noch seine lebenslange Zerrissenheit zwischen umstürzlerischen Neigungen und dem Wunsch, der Stolz seiner traditionsreichen Familie zu sein und zu bleiben. Volksnah und elitär, heimatverbunden und weltläufig, sentimental und voller Hochmut, süchtig nach Zuneigung und besessen von dem Drang, den Karren seines Landes, ja der ganzen Welt aus dem Dreck zu ziehen: Wenn einer derart widersprüchliche Eigenschaften in sich vereint, kann er offenbar auch Wunder vollbringen.
Mit der Bahncard in Bogota
Wie jenes, die geschundene, von vielen schon verloren gegebene Stadt Palermo wieder lebenswert zu machen. Und wem das gelungen ist, der erreicht sogar, dass das kommunistische Fossil Fidel Castro mit beiden Händen die Hand des Heiligen Vaters drückt. Seinen eigenen Anteil an dieser historischen Szene hebt der linke Katholik Orlando mit kindlichem Stolz hervor, so wie er sich von Herzen darüber freuen kann, dass er die Sicherheitssysteme von Bogota mit seiner deutschen Bahncard überlistete oder an der Seite von Claudio Abbado die Berliner Philharmonie durch den Künstlereingang betreten durfte.
Gewiss finden sich in dem Band auch scharfsichtige politische Analysen, aber sie wirken im anekdotischen Zusammenhang flüchtig, gewichtslos, fast verspielt. Die nachhaltige Wirkung der Texte liegt im Atmosphärischen begründet: Wer sich dieser leidenschaftlichen Courage, diesem kompromisslosen Willen zur „Überwindung der Angst” zweihundert Seiten lang aussetzt, kann am Ende nicht anders, als wieder an das Gute zu glauben. Oder wenigstens daran, dass auch ein Berlusconi das Wunderland Italien nicht zugrunde richten wird, solange er Widersacher wie Leoluca Orlando hat.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
LEOLUCA ORLANDO: Der sizilianische Karren. Geschichten. Aus dem Italienischen von Moshe Kahn. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano. Ammann Verlag, Zürich 2004. 198 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr angetan zeigt sich Rezensent Winfried Wehle von Leoluca Orlandos Band "Der sizilianische Karren", einem "schriftlichen Album mit bewegten, berührenden, witzigen Momentaufnahmen von einem, der auszog, das Leben ein bisschen lebenswerter zu machen". Mehr noch als von Orlandos Geschichten scheint Wehle von dessen Leistungen als Bürgerrechtler und Politiker beeindruckt, denen er den Großteil seiner Rezension widmet: Als Mafiagegner seit langem auf der Todesliste hat Orlando, von 1985 bis 2000 Bürgermeister Palermos, das kaum Glaubliche in die Wege geleitet: die "politische und zivile Renaissance" dieser verrufenen sizilianischen Stadt. Wehle würdigt Orlandos Integrität und seinen Einfallsreichtum im Kampf gegen die Mafia. So verwandelte sich Orlando etwa in einen Schauspieler, der für den Film "Gezählte Tage" 1994 einen Preis als bester Darsteller erhielt, machte aus Palermo ein Zentrum der Theaterkultur, schrieb Chansons, Drehbücher und Erzählungen. Im vorliegenden Band dominiere das Autobiographische, wobei Privates und Familiäres immer wieder zu Vorlagen fürs Politische werden. Wehle sieht in dem Band zudem ein "sichtbares Lebenszeichen" Orlandos mit der Botschaft, dass man organisierter Unmenschlichkeit auch entgegentreten kann.

© Perlentaucher Medien GmbH