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Raoul Schrott ist Dichter und Erzähler zugleich. Landschaften erkundet er nicht allein mit dem Blick und zu Fuß, sondern mit den Sprachen, denn in einem fremden Terrain weiß man schon mehr, wenn man die Namen der Winde und ihre Richtungen, des Sandes und seine Körnung kennt.
In der Erzählung wäre eine lose Ansammlung von Baracken in der Wüste die Rettung. Aber es sind 500 Kilometer bis dorthin über Sanddünen und Salzseen, unter nie nachlassender Sonne, mit einem gegen der Weite des Horizonts lächerlich geringen Wasservorrat. Für die Männer liegt "der Tod dicht unter der Haut", und die…mehr

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Produktbeschreibung
Raoul Schrott ist Dichter und Erzähler zugleich. Landschaften erkundet er nicht allein mit dem Blick und zu Fuß, sondern mit den Sprachen, denn in einem fremden Terrain weiß man schon mehr, wenn man die Namen der Winde und ihre Richtungen, des Sandes und seine Körnung kennt.

In der Erzählung wäre eine lose Ansammlung von Baracken in der Wüste die Rettung. Aber es sind 500 Kilometer bis dorthin über Sanddünen und Salzseen, unter nie nachlassender Sonne, mit einem gegen der Weite des Horizonts lächerlich geringen Wasservorrat. Für die Männer liegt "der Tod dicht unter der Haut", und die einzige Zuflucht ist das Memorieren der Namen: s'hara, durch die Düne brechender roter Sand, der am Schluß fast alle begräbt. - Der Essay durchmißt dieses Terrain in Begleitung von Archäologen, die die Jahrtausende alten Wegmarken und Zeichen erkennen - die Wüste gibt ihre Namen zum zweiten Mal preis.

"Landschaftsporträts und Empfindungsräume von seltener Eindringlichkeit" (NZZ) - wasdie Kritik an Raoul Schrotts Bücher hervorhebt, findet der Leser in Khamsin auf kleinstem Raum: eine erzählerische und essayistische Erkundung der Namen der Wüste eine Hommage an die Reisenden, die noch an Horizonte stoßen.
Autorenporträt
Schrott, RaoulRaoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Joseph-Breitbach-Preis. Er veröffentlichte u.a. die Romane 'Finis Terra' (1995) und 'Tristan da Cunha oder die Hälfte der Welt' (2003), die Novelle 'Die Wüste Lop Nor' (2000) sowie die Gedichtbände 'Hotels' (1995) und 'Tropen' (1998). Die Anthologie 'Die Erfindung der Poesie' (1997) wurde zu einem lyrischen Bestseller. Daneben zahlreiche Essays zur Dichtung und Übersetzungen vom 'Gilgamesh'-Epos (2001) bis zu Homers 'Ilias' (2008).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2003

Heilung durch Handauflegen
Alles schmeckt nach Gegenwart: Raoul Schrotts Wüstenexpedition

Raoul Schrott hat ein Faible für alles Vergangene, Vergessene, Zugewehte. Während andere über die Welt der Werbeagenturen, des Internets, der Love-Parade und der aktuellen Schuhmode schreiben, taucht Schrott ein in die Welt des alten Mesopotamien, präsentiert die Dichtung der irischen Mönche, serviert seine Fassung fernöstlicher Legenden oder versucht, vorislamische arabische Gedichte wieder zum Leben zu erwecken. Wenn es im Arabischen von den Kamelkriegern in der Wüste heißt: "Laß uns halten und weinen im Gedenken an die Geliebte und den Zeltplatz", macht Schrott daraus: "Laß mich an meine liebe denken dort wo sie lag." Aber wir lesen es gerne, manchmal.

Die Ränder der Zivilisation, der Punkt, wo alles schon vom nahen Nichts kündet, faszinieren Schrott besonders - nicht als das blanke Gegenteil der Zivilisation, sondern als deren Wiege. Der Impuls, dem Schrotts Schreiben folgt, ist daher weniger antizivilisatorisch als nostalgisch. Seine Nostalgie verzehrt sich nach Halbgöttern und Helden, nach mythischer Zeit. Spürte er in "Hotels" noch den Stimmungen und Orten der mediterranen Antike nach, so sucht er die Götter nunmehr in der Sahara. Ob sich hinter dieser Recherche ein tiefes Unbehagen an der heldenfernen Gegenwart verbirgt oder nur ein gewagter Flirt mit diesem Unbehagen, ist schwer zu entscheiden, denn Schrott bleibt trotz aller Sehnsucht nach dem anderen oft an der Oberfläche der Zeitgenossenschaft hängen - einer Zeitgenossenschaft, die selten willens ist, die historische Tiefendimension mitzudenken, die Schrott zu suchen vorgibt. Ähnlich abgeflacht wie die alten Araber erscheinen bei Schrott daher auch Gilgamesch oder Catull. So exotisch die Namen der von Schrott vorgesetzten Gerichte scheinen, schmeckt doch alles nach Gegenwart. Die leichte Muse kommt im Brokatgewand polyglotter Universalbildung daher - eine Religion, die wenig von ihren Anhängern verlangt. Statt am offenen Herzen der Gegenwart zu operieren, verheißt Schrott die Wunderkräfte des Schamanen, und wenn die Arterien des Denkens verkalken, legt er die Hände auf. Man fühlt sich wohl dabei, doch den langsamen Geistestod stirbt man trotzdem.

Bei Schrotts neuem Buch, das eigentlich ein altes ist, handelt es sich um ein Nebenwerk, gewiß, aber davon hat der Autor mittlerweile einige vorzuweisen. Es enthält einen Essay und eine Erzählung, beide handeln von der Erfahrung der Wüste und von Erfahrungen in der Wüste. Die Erzählung, die dem Buch den Titel gibt ("Khamsin" ist der Name eines Wüstenwindes), ist eine Hommage an einen Trupp englischer Wüstenkämpfer im Zweiten Weltkrieg. Der Trupp wird von einer italienischen Einheit aufgerieben, und die vier Überlebenden versuchen, sich mit zwanzig Liter Wasser zu ihren Leuten durchzuschlagen. Wie es sich gehört, entrinnen sie dem Tod, aber nur knapp. Schrotts Erzähler versucht, sich in ihre extremen Erfahrungen hineinzuversetzen. An den besten Stellen der Erzählung blitzt in den Halluzinationen und Visionen, die Schrott evoziert, der wärmende Schein literarischer Erkenntnisgewinnung auf.

Der Autor aus Tirol bewegt sich mit seinem erzählerischen Ansatz in guter österreichischer Tradition. Stifters "Bergkristall", Musils "Grigia" sind die literarischen Paten beim Nachzeichnen der Grenzerfahrung mit der Natur. Selbst Peter Handke ("Langsame Heimkehr", "Die Wiederholung") wäre zu nennen, obwohl Schrott wenig von dessen narrativer Chuzpe hat. Der große Unterschied zwischen Schrott und seinen österreichischen Verwandten liegt aber nicht so sehr im sprachlichen Vermögen - wenngleich Schrott manchmal zu bemüht, zu gewählt, dann wieder fast salopp und schroff schreibt: "Die Sicheln der Barkanen, die sich im Lee des Windes krümmten, ihre Grate waren wie Schwerter, längs aufgereiht aneinander, klingen von Dünen dort, wo sie wie eine Klippe auf einer Seite abfielen . . ." Der Unterschied liegt in der Wahl des Themas. Der Vorwurf - ein Heeresbericht - läßt Schrotts "Erzählung" keinen Raum, um zu einer richtigen Erzählung zu werden. Sie ist vielmehr eine Nacherzählung und viel zu wortkarg, zu knapp, um für die Grenzerfahrung der vier Soldaten den gehörigen Resonanzraum zu eröffnen.

Bei dem Essay "Im Namen der Wüste" liegt die Sache anders. Schrotts Wüstenbekenntnis ist eine Melange aus Exkursen zur Wüstenarchäologie, zur Etymologie von Wüstennamen und aus Anekdoten über Wüstenreisende. Zusammengehalten wird dies durch den fragmentarischen Bericht einer Wüstenexpedition, die Schrott offensichtlich mit einem Archäologenteam selbst unternommen hat. Auf den Spuren einer Zeit, als die Wüste noch blühte und die großen Zivilisationen allmählich ans Licht der Geschichte traten, wird das Team fündig: Hieroglyphen "mit dem nächstbesten Stein eingraviert", "Krüge aus verschiedenen Epochen nebeneinander, vom Alten Reich bis zur Römerzeit, eine Zeitspanne von gut 3000 Jahren", "ein uralter Kamelpaß, den ich gefunden hatte, markiert durch vier Alamat, kleine Steinpyramiden, die die Route wiesen: und daß er nun meinen Namen auf der von Stefan Kröpelin angelegten Karte trägt, freut mich heute noch immer mehr als jedes Buch".

Ein Großteil des Essays besteht wiederum aus der Nacherzählung von Angelesenem. Wer sich dafür interessiert, wird lieber zu den Originalen greifen wollen. Wer nicht, wird sich durch die Darstellung auch nicht dafür begeistern lassen, denn bei Schrott wird Begeisterung für die Sache immer schon vorausgesetzt. Die Schwärmerei ist seine große literarische Gabe und sein Verhängnis zugleich. Denn er schwärmt immer zu leicht und zu schnell, läßt diejenigen Leser weit hinter sich zurück, die nicht einfach mitschwärmen wollen. Zumal die Abenteuer im Geist und damit in der Literatur selten dort zu finden sind, wo Abenteuerreisende und Überlebensspezialisten sie suchen. Und so hat Schrott, während er durch Afrika marschiert, geistig nicht einmal die eigene Türschwelle überschritten. Aber er hat es versucht, und das ist schon mehr, als wir gegenwärtig von unserer Literatur erwarten dürfen.

STEFAN WEIDNER

Raoul Schrott: "Khamsin". Erzählung und Essay. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. 63 S., geb., 10,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das aus einer Erzählung und einem Essay bestehende Buch nennt die Rezensentin Beatrice von Matt eine "exzellente Mischung von Körperprosa und Reflexion". Einmal mehr schickt "der Wüstenkenner" Schrott seine Figuren (hier vier Soldaten der Long Range Desert Group von 1941) auf Ich-Suche in die Wüste, beschreibt ihre Versehrungen im Kampf gegen den Tod und schickt dem Ganzen einen Essay ("Die Namen der Wüste") hinterher, in dem sich diese Geschichte spiegelt. Wenn sich auf diese Weise Naturgeschichte, Menschengeschichte und Sprachgeschichte verbinden, der "kraftvolle Autor" es versteht, wissenschaftliche Sprache zur Dichtung auszuweiten, deren Basis die präzise erzählten Menschenschicksale abgeben, so ergibt das für die Rezensentin "ein ebenso bewegendes wie eröffnendes Stück Literatur".

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