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Wie verzweifelt müssen Menschen sein, um ihre Heimat, ihre Familien, ihre Kinder zu verlassen? Um sich auf eine Odyssee zu begeben, deren Ausgang ungewiss ist? Um sich, wenn sie tatsächlich das kalte, unwirtliche Europa erreichen, als sogenannte illegale Einwanderer verstecken zu müssen oder als Zwangsprostituierte ausgebeutet zu werden? Klaus Brinkbäumer ist auf der zentralen Route der Flüchtlinge quer durch sieben afrikanische Staaten gereist. Er erzählt die Geschichte seines Begleiters John Ampan aus Ghana, der damals fünf Jahre bis Europa brauchte, weil er deportiert, in der Wüste…mehr

Produktbeschreibung
Wie verzweifelt müssen Menschen sein, um ihre Heimat, ihre Familien, ihre Kinder zu verlassen? Um sich auf eine Odyssee zu begeben, deren Ausgang ungewiss ist? Um sich, wenn sie tatsächlich das kalte, unwirtliche Europa erreichen, als sogenannte illegale Einwanderer verstecken zu müssen oder als Zwangsprostituierte ausgebeutet zu werden?
Klaus Brinkbäumer ist auf der zentralen Route der Flüchtlinge quer durch sieben afrikanische Staaten gereist. Er erzählt die Geschichte seines Begleiters John Ampan aus Ghana, der damals fünf Jahre bis Europa brauchte, weil er deportiert, in der Wüste ausgesetzt und ins Gefängnis gesteckt wurde; er erzählt von Jane Aimufua aus Benin-City, die ihre drei Kinder zurückließ, um in Europa Geld für sie zu verdienen; und er erzählt von all den Menschen, denen er unterwegs begegnet ist, auf den Lastwagen, in der Sahara und in den Bergen, in den Kellern von Agadez, in den Gassen von Tanger.
»Der Traum vom Leben« ist ein Buch über Afrika, über die Träume von Menschen, ein Buch auch über Europa und die Realität unserer Politik.
Autorenporträt
Klaus Brinkbäumer (Jg. 1967) schreibt seit 1993 für den Spiegel. Für seine Reportagen aus Krisengebieten wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2007 mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2007

Ghana – Marokko – Büren
Einfühlsame Reportage über afrikanische Flüchtlinge
Wir müssen nach Europa fliehen, wenn wir leben wollen”, sagt John Ampan. Aufgewachsen im westafrikanischen Ghana, floh er 1992 und blieb fünf Jahre später in Südspanien hängen. Dazwischen lag eine mehrjährige Odyssee durch Togo, Benin, Nigeria, Niger und Algerien. Wie die meisten Flüchtlinge musste er immer wieder jobben. Sein Geld hatte nicht gereicht, weil er essen, Helfer und Transporte bezahlen sowie Polizisten bestechen musste. Der Spiegel-Redakteur Klaus Brinkbäumer hat Ampans Geschichte aufgeschrieben. Aber der Journalist lässt sich nicht einfach Erlebtes erzählen. Er bittet den Ghanaer, die Reise „auf den Spuren der Migranten” ein zweites Mal zu unternehmen, diesmal begleitet von ihm und dem Fotografen Markus Matzel. Die Drei klettern zu den Flüchtlingen auf die Pritschen der unzuverlässigen Lastwagen, wo Dutzende sich auf engstem Raum aneinander klammern und auf nächtlichen Fahrten durch die Sahara Hunger, Durst und Kälte erleiden.
John Ampan und seine deutschen Begleiter starten in Ghanas Hauptstadt Accra. Dort lebt Ampans Familie, die er vor 14 Jahren zurückgelassen hat. Es ist die für ihn emotional aufwühlendste Station der Reise. Er erlebt den Scherbenhaufen seiner Ehe und halbwüchsige Kinder, die ihm fremd sind. Nur durch immer stockender werdende Telefongespräche hatte er über die Jahre Kontakt gehalten und gelegentlich Geld geschickt.
Es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viele Afrikaner ihre Heimatländer verlassen, um irgendwann in Europa anzukommen. Im vergangenen Jahr landeten 31 000 Menschen allein auf den Kanarischen Inseln, weitere 10 000 Afrikaner wurden an Spaniens Mittelmeerküste aufgefischt. Nach offiziellen Angaben ertranken 600 Menschen während der Bootspassagen, Hilfsorganisationen gehren von mehr als 3000 Toten aus.
Den Flüchtlingen, in den Medien häufig als amorphe, bedrohliche Immigrantenflut abgewertet, gibt Brinkbäumer Gesichter und überraschende Biografien. Er trifft auf ehemalige Kindersoldaten, die weder lesen noch schreiben können, aber auch auf Hochschulabsolventen, die der „brain drain” nach Europa zieht. Die vertraute eurozentrische Perspektive bricht auf, wenn Brinkbäumer auf dem Markt von Agadez, einer der Drehscheiben der Migration in Niger, die florierende Infrastruktur der „Reisebüros” für Trips nach Algerien oder Libyen beschreibt. Für Europäer ist das Menschenhandel, organisierte Kriminalität. Aber: „Hier auf dem Busbahnhof ist es eine Dienstleistung. Und jeder hat etwas davon: Polizei und Militär kriegen Anteile, Händler verkaufen Wasserflaschen und Decken, Chauffeure verdienen ordentlich, und Reisende kommen voran.”
Etliche Migranten sind zum wiederholten Mal auf dem Weg in den Norden. Sie haben schon einen zermürbenden Gefängnisaufenthalt in Marokko hinter sich oder, wie Opoku Agyema, eine Abschiebung aus Europa. Der Ghanaer war mit falschen Papieren nach Deutschland eingereist, die Sache flog auf, drei Monate war er im westfälischen Büren im Gefängnis. „Deutschland? Nie wieder!” resümiert Agyema. Die Entscheidung, den Durchbruch nach Europa zu wagen, wird oft im patriarchischen Familienrat getroffen. Die am besten Ausgebildeten werden losgeschickt, meistens die erstgeborenen Söhne. Der Familienclan sammelt Reisegeld. Wer es nach Europa schafft, ist natürlich verpflichtet, Geld nach Hause zu schicken. So gesehen, lohnt das hohe Risiko. Die Überweisungen der Migranten in die Heimat machen in einigen Ländern ein Mehrfaches der Entwicklungshilfe aus. Wer 200 Euro im Monat schicken kann, sichert in Afrika das Überleben einer großen Familie.
Brinkbäumers Reportage verknüpft die abenteuerlichen, oft existenziellen Erlebnisse der Flüchtlinge mit eingestreuten, ernüchternden Fakten über die Herkunftsländer wie das albtraumhafte, korrupte Nigeria, wo die Bevölkerungsmehrheit nichts vom enormen Ölreichtum hat. Neben dem fürstlichen Anwesen eines Mafioso, der 80 Autos in seinen Garagen stehen hat, grillen Hungernde auf offener Straße Ratten.
Brinkbäumer Blick auf Afrika ist geschult an dem kürzlich verstorbenen polnischen Journalisten Ryszard Kapuscinski, der den afrikanischen Traum von Entkolonisierung und Unabhängigkeit mit einfühlsamen und zugleich kritischen Reportagen begleitet hatte. Gute Auslandsreportagen, wie Kapuczinski sie verstand, seien „essayisiert”, also „eine Mischung aus Reisebericht und Erfahrung mit Kommentar und anthropologischer und historischer Forschung”. Dieser hohen Messlatte wird Brinkbäumers packender Beitrag zur Migrationsdebatte durchaus gerecht. GÜNTER BEYER
KLAUS BRINKBÄUMER: Der Traum vom Leben. Eine afrikanische Odyssee. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 287 Seiten, 18,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lobend äußert sich Günter Beyer über Klaus Brinkbäumers "einfühlsame" Reportage über afrikanische Flüchtlinge. Er bescheinigt dem Autor, der die Fluchtrouten selbst bereiste, den Flüchtlingen, die in den Medien oft nur als amorphe Masse erschienen, ein Gesicht zu geben. Dabei werden für Beyer auch "überraschende" Biografien sichtbar. Er hebt hervor, dass Brinkbäumer seine Berichte über die gefährlichen, existenziellen Erfahrungen der Flüchtlinge mit nüchternen Fakten über die bedrückenden Verhältnisse in den Herkunftsländern verbindet. Insgesamt würdigt er das Buch als "packenden Beitrag" zur Migrationsdebatte.

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