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Benutzername: 
anne
Wohnort: 
Schweighofen

Bewertungen

Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2024
Die Perserinnen
Mahloudji, Sanam

Die Perserinnen


sehr gut

Der Roman erzählt die Geschichte persischer Frauen die 1979 während der Umbrüche im Iran aus diesem über Umwege schließlich in die USA flohen. Sowohl die Großmutter als auch - mehr oder weniger unbeabsichtigt - die Enkelin bleiben in ihrer alten Heimat zurück. Doch was zunächst als eine kurze Auszeit gedacht war wird zu einem jahrzehntelangem Abschied.
Neben den ganz persönlichen Hochs und Tiefs der einzelnen Personen werden auch die politischen Ereignisse und der Wandel im Iran erzählt. Diese Erzählung ist vor allem aus der Sicht betroffenen Menschen sehr interessant. Die Geschichte wird über Jahrzehnte aus der Sicht unterschiedlicher Personen erzählt. Dabei ist vor allem Shirin eine sehr polarisierende Person.
Mir hat an dem Erzählstil vor allem die gelungene Mischung aus Tragik und Humor gefallen, sowie die Orientierung an dem realen politischen Hintergrund der sicherlich einige autobiographische Bezüge enthält und damit eine sehr persönliche Note widerspiegelt.
Das Cover ist zeitlos schön und könnte sowohl eine moderne Exiliranerin der Gegenwart als auch eine Perserin der 70er Jahre vor dem politischen Umbruch zeigen.
Mir hat der Roman gut gefallen. Man kann sich anhand der Geschichte gut in die Geschehnisse des Irans sowie in die Menschen und ihren Schicksalen hineinversetzen. Durch den lockeren und leicht satirischen Blick der Autorin wirkt die Erzählung nie trocken, sondern man wird geradezu von den Geschehnissen mitgerissen.

Bewertung vom 05.08.2024
In den Farben des Dunkels
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


ausgezeichnet

Patch, ein gehandykapter 13-jähriger Junge und Außenseiter, steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Nur Saint steht ihm immer zur Seite. Doch dann wird Patch entführt und lange Zeit in einem dunklen Raum gefangen gehalten. Während für seine Mutter und Saint eine Welt zusammenbricht, erhält Patch in seinem Verlies Beistand von einer geheimnisvollen Leidensgenossin. Schließlich gelingt ihm bei einem Feuer die Flucht, doch von seiner Mitgefangenen fehlt jede Spur und Patch befindet sich plötzlich am Beginn eines langen Leidenswegs
Die Story um Patch ist alles andere als ein Thriller, was man zunächst vielleicht vermuten könnte, sondern eher ein Drama. Der Roman handelt vor allem von der inneren Zerrissenheit der Personen sowie von den Nachwirkungen der Entführung. Seelische Zustände werden detailliert beschrieben. Aber auch ein mysteriöser Faktor kommt mit der Figur um Grace zum Tragen. Bereits während der Gefangenschaft wirkt Grace sehr sonderbar. Sie scheint über den Dingen zu stehen und stets die Situation im Griff zu haben. Absolut gefasst und voller Hoffnung steht sie Patch in seiner Not bei, obwohl sie sich selbst in der gleichen Lage befindet und in einem ähnlichen Alter ist. Das mutete mir schon ziemlich sonderbar an. Noch eigenartiger wird es als Grace nach der Rettung von Patch wie vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Und so gibt es nicht nur bei den Personen im Roman große Zweifel an der Existenz dieser Person. War sie vielleicht nur eine Einbildung des Jungen um sein eigenes Überleben zu sichern?
Ein großartiger Roman, eine ruhige einfühlsame Geschichte in wunderbaren Worten erzählt.

Bewertung vom 05.08.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


gut

Die 15-jährige Linda kümmert sich mehrmals die Woche um den demenzkranken Rentner Hubert, um seine Pflegerin Ewa zu entlasten. Linda hat eine ganz besondere Beziehung zu Hubert. Während Ewa den alten Herrn eher verkniffen verpflegt, hat Linda eine viel unbekümmertere Herangehensweise.
Obwohl es sich um ein ernstes Thema handelt, erzählt die Autorin die Geschichte mit einem lockerem, oft auch ironischen Blick auf die Situation. Der Roman lässt sich daher leicht und schnell lesen und man kommt so einige Male ins Schmunzeln. Etwas unrealistisch fand ich jedoch die Beschreibung von Linda, die ihre Aufgabe so gewissenhaft und professionell erledigt als ob sie bereits jahrelange Erfahrung im Umgang mit demenzkranken Menschen hätte. Dies mag zwar auf die Autorin zutreffen, die viele Situation wirklich gut erklärt, passt meiner Meinung aber nicht so ganz auf ein gerade 15-jähriges Mädchen.

Bewertung vom 05.08.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Irland hat sich kürzlich einem autoritärem Regime zugewandt und Eilishs Mann, ein Gewerkschaftsmitarbeiter, wird plötzlich von der neuen Geheimpolizei abgeholt. In der Folge erfährt Eilish das der Staat dank der "neuen Situation" einer Notstandsgesetzgebung weitreichende Befugnisse hat und viele ehemalige Gesetze außer Kraft gesetzt wurden.
Der Roman beschäftigt sich hauptsächlich mit den Sorgen und Nöten von Eilish und ihrer Familie. Welche Umstände hierzu genau zu der neuen Regierung führten wird nicht näher erläutert. Insgesamt herrscht über dem gesamten Roman von der ersten bis zur letzten Seite eine sehr bedrückende Atmosphäre. Vor allem dass die Personen um Eilish die neue Situation so schnell und relativ klaglos hinnehmen, Eilish teilweise sogar zur Einsicht raten, ist schockierend. Gerade wenn man bedenkt dass dieses Szenario gar nicht so weit von unserer Realität entfernt ist, wirkt das Ganze nur umso erschreckender.
Was mich beim Lesen etwas gestört hat, ist das Fehlen von Absätzen und Redezeichen.
Das Cover auf dem alles in Bruchstücke zerfallen ist und sich mittendrin die Familie befindet, versinnbildlicht den Inhalt des Buches auf abstrakte Weise sehr gut.

Bewertung vom 05.08.2024
Das Verrückte Orakel / Die magische Bibliothek der Buks Bd.1
George, Nina;Kramer, Jens J.

Das Verrückte Orakel / Die magische Bibliothek der Buks Bd.1


ausgezeichnet

Die Handlung spielt in einer wohl nicht allzu weit entfernten Zukunft. Die Menschen kennen Bücher nur noch aus Erzählungen ihrer Großeltern. Denn diese wurden aus ihrem Leben entfernt, da sie gefährliche Träume wecken. Um die Geschichten in den Büchern aber dennoch für die Menschheit zu bewahren, kümmern sich die Buks in geheimen Bibliotheken um die alten Bücher. Die Welt der Menschen ist ihnen unbekannt, sie leben ausschließlich in ihren Bibliotheken und auch die Bibliotheken werden vor den Menschen geheim gehalten um sie vor diesen zu schützen. Doch dann ereignet sich ein Unglück und ein Orakel kündigt fünf Kinder als Heilsbringer für die Buks an.

Eine originelle fantasievolle Geschichte. Was mich ein wenig gestört hat ist der recht langsame Fortgang der Handlung. Jedoch wurde der Roman als Hörbuch von dem Sprecher so gut umgesetzt, dass ich diesem ewig zuhören gekonnt hätte. Vor allem die Stimmen der einzelnen Buks sind so gut getroffen, dass es wirklich sehr unterhaltsam ist. Ich bin froh dieses Werk nicht gelesen sondern als Hörbuch gehört zu haben. Auch das Cover hat mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 05.08.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


ausgezeichnet

Ben hat chronische Angst vor dem durch menschengemachten Untergang der Welt, vor allem in Hinblick auf den von ihm befürchteten 3. Weltkrieg ausgelöst durch die aktuelle Kriese in Osteuropa. Und so flieht er kurzerhand zusammen mit seiner Familie nach Brasilien, wo bereits sein großes Vorbild Stephan Zweig im 2. Weltkrieg eine neue Heimat fand.
Überspitzt und mit viel Humor erzählt der Autor die Geschichte um den geradezu hypochondrisch, in Bezug auf die Weltsituation, veranlagten Ben Oppenheimer. Die Handlung regt an vielen Stellen zum Schmunzeln, Lachen oder Nachdenken an und ist äußerst kurzweilig. Vor allem die Bezugnahme auf die flucht- und katastrophenerprobten Juden besticht durch seinen ganz besonderen Humor.
Das exotische Cover mit dem Jaguar und er schönen Landschaft im Hintergrund lässt die Sehnsucht nach einem besseren und friedlichen Leben erkennen.
Insgeheim ein aktuelles und humorvolles Buch das man gar nicht mehr aus den Händen legen möchte.

Bewertung vom 05.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

Das Buch beschäftigt sich mit der seit vermutlich 1768 ausgestorbenen Stellerschen Seekuh. Dabei holt die Autorin weit aus, sie erzählt nicht nur die Lebensweise und Besonderheiten der Seekuh, die bis zu 8 m lang werden konnte, sondern berichtet auch ausführlich über den geschichtlichen Hintergrund der Menschen die sie noch zu ihren Lebzeiten antrafen, Seefahrer, frühe Naturforscher und Pelztierjäger.
Bei der groß angelegten Darstellung rund um die Stellersche Seekuh kommt die Dramatik um deren frühen Aussterben gut zur Geltung. Diese Seekuh war etwas ganz besonderes, so groß wie ein Wal und damit um das fast dreifache größer als unsere heutigen noch lebenden Seekühe, war sie bereits aufgrund ihrer Erscheinung schon bemerkenswert. Dabei war sie ein absolut friedliches Tier, das aufgrund seiner Größe keine natürlichen Feinde fürchten musste und daher auch nicht vor den ihnen feindlich gesinnten Menschen floh. Und so wurde dieses einzigartige Tier als frühes Opfer des Menschen bereits vor der Neuzeit fast ausgerottet. Doch in einer abgelegenen Region, im hintersten Winkel der Welt, um eine unbewohnte Insel im östlichen Russland konnte eine Gruppe dieser Tiere überleben, bis zu dem Zeitpunkt als die moderne Schifffahrt ihren Aufschwung nahm und auch dieser Teil der Erde von der Machtergreifung des Menschen nicht mehr verschont blieb.
Das Buch erzählt von Menschen aus einer anderen Epoche, mit einem anderen Verständnis. Doch kann man dennoch Parallelen zur damaligen und zur heutigen Zerstörung unserer Umwelt ziehen. Man sollte meinen, dass wir aus früheren Fehlern gelernt haben, doch das Gegenteil scheint der Fall, dies wir umso bewusster, wenn man das Nachwort, das all den in letzter Zeit ausgestorbenen Arten gewidmet ist, liest. Nie war die Zerstörung unserer Natur größer als heute. Wenn man über 300 Seiten erfährt wie dieses einzigartige Tier, das an Friedfertigkeit kaum zu übertreffen ist, teilweise sinnlos und ohne jedes Mitgefühl für diese wunderbaren Geschöpfe und der Großartigkeit der Natur geradezu abgeschlachtet wurde, kann man wirklich wütend werden. Den Titel des Buches könnte man dementsprechend auch etwas drastischer formulieren in "Das Wesen der Menschheit", deren Bestimmung es zu sein scheint alles zu zerstören wohin sie ihren Fuß setzten.
Insgesamt ein lehrreiches Buch das viel Wissen über Geschichte und Natur vermittelt. Bemerkenswert fand ich, dass mir die Stellersche Seekuh, die über diese unglaubliche Körpergröße verfügt bislang nicht bekannt war. Obwohl ich das Buch eher als Sachbuch bezeichnen würde, liest es sich so spannend wie ein Roman, es ist an keiner Stelle langatmig sondern gut recherchiert und gut geschrieben. Auch das Cover gefällt mir sehr gut. Die gedeckten Farben und die Abbildungen passen zu einer Geschichte die in der Vergangenheit spielt.

Bewertung vom 01.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


ausgezeichnet

Man steigt in einen Zug ein und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise in einer fremden Welt. Zwischen China und Russland verkehrt im 19. Jahrhundert die Transsiebirische Eisenbahn, die das sogenannte Ödland – unberührt durch Menschhand und geheimnisvoll - durchquert. Doch das ist nicht die Transsiebirische Eisenbahn die wir zu kennen glauben, denn immer weitere fantastische Ereignisse kommen zum Vorschein.
Der Handlungsstrang wechselt zwischen unterschiedlichen Personen und Zeiten, dennoch ist eine klare Linie des Geschehens immer zu erkennen. Außerdem herrscht in diesem Buch eine ganz besondere Atmosphäre, welche einem geradezu in die Handlung hineinzieht. Die geheimnisumwobene Natur um die sich alles dreht übt eine unbeschreibliche Anziehungskraft beim Lesen aus. Der Spannungsbogen Mensch und Natur wird in vielen Facetten beleuchtet.
Sowohl der Titel als auch das Cover finde ich sehr gelungen, man wird direkt neugierig auf den Inhalt des Buches.
Insgesamt ein sehr ungewöhnliches und bereicherndes Buch, kreativ und niemals langatmig. Ich kann es jedem nur wärmstens empfehlen. Man fühlt sich wie in einer Traumreise.

Bewertung vom 01.06.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Adrienne Brodeur beschreibt eine privilegierte amerikanische Familie. Doch trotz ihrer bevorzugten Stellung hat jedes Familienmitglied mit seinen Problemen zu kämpfen. Die Mutter ist früh verstorben. Der Vater ist psychisch angeschlagen. Die Tochter steht ewig im Schatten ihres Bruders, während dieser seinem Erfolg hinterherläuft und seine Frau unglücklich ist.
Der Roman wird aus fünf Perspektiven erzählt: Vater, Tochter, Sohn, die uneheliche Tochter sowie die Frau des Sohnes. Jede dieser Personen hat ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Konflikte werden aus unterschiedlichen Blickpunkten beleuchtet und geben so ein ganzes.
Gelungen ist auch die Integration eines politischen Hintergrunds in das Geschehen. Trump steht als Präsidentschaftskandidat zur Wahl, doch an seinen Sieg mag keiner so recht glauben. Rückblickend finde ich die Gefühlswelt und den Erwarungshorizont dieser Zeit sehr interessant.
Das Cover gefällt mir sehr gut. Es vermittelt eine lockere und leichte Atmosphäre. Man könnte hinter den Buchdeckeln auch einen sogenannten „Frauenroman“ vermuten. Doch dieses Titelbild ist nur eine Kulisse hinter der sich Abgründe auftun.

Bewertung vom 01.06.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


ausgezeichnet

„Und alle so still“ ist ein wütendes Buch über die Ausuferung der Ungerechtigkeiten unserer aktuellen Gesellschaft. Vor allem die Ausbeutung der Frauen, die tagtäglich unbezahlte Arbeit verrichten und auch in der Arbeitswelt meist schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen werden in diesem Roman thematisiert. Aber auch die prekären Verhältnisse von Flüchtlingen oder Arbeitnehmer im Niediglohnsektor, meist mit gleich mehreren Jobs kommen zur Sprache.
Gut gefallen haben mir die Zwischeneinschübe von der Pistole, der Gebärmutter und der Berichtserstattung, die aus einer ganz eigenen Sicht über die Dinge erzählen. Sprachlich und stilistische fand ich das Werk sehr gelungen. Auch den thematisieren Problembereichen stimme ich größtenteils zu, kann sie teilweise sogar aus meiner eigenen Erfahrung allzu gut nachvollziehen. Unglaubwürdig fand ich dagegen die Solidarisierung aller Frauen zu einer scheinbar homogenen Gruppe, die sich über ihr Vorgehen und Ziele einig ist. Dadurch wirkt der Roman sehr konstruiert, da ich mir so eine Situation in der Realität überhaupt nicht vorstellen kann.
Insgesamt hat die Autorin einen durch und durch aktuellen Roman geschrieben, die die Probleme und das Lebensgefühl unserer Zeit vollkommen erfassen.