Ein ganz normaler Tag im Büro: Der Kühlschrank in der Gemeinschaftsküche entwickelt ein Eigenleben, im Lift herrscht unangenehmes Schweigen, und in Konferenzen melden sich immer die gleichen Wichtigtuer zu Wort. Da wünscht man sich doch etwas mehr Spaß und Spannung! Wie das geht, zeigt Timo Lokoschat mit seinen 100 Mutproben zwischen Empfang, Sekretariat, Konferenzraum und Kantine. Zur Einschätzung von Risiken und Nebenwirkungen ist jeder Vorschlag nach Kategorien wie Spaß, Action, Mut und Aufwand bewertet. Mit diesem perfekten Geschenk für alle Kollegen wird jedes Büro zum Abenteuerspielplatz!
Jetzt sitzen wir wieder im Büro. Was tun?
Ein Kind erlebt den Sommer natürlich anders. Erinnern Sie sich? Sechs Wochen Ferien: Die Zeit, für Menschen unter 13 ohnehin ein irrelevantes Abstraktum, wird wie ein weiter, milder Ozean; man schifft sich ein, weiß wohl, dass man irgendwann wieder ein Ufer erreichen wird, aber das ist lange hin. Es ist ein Driften im Selbst, das nach einer Weile erscheint wie der Zustand, für den wir gemacht sind und der niemals enden wird.
Das tut er aber, sorry, und wenn das geschieht, tut das allen weh, Kindern wie Erwachsenen. So wie jetzt. Seit Anfang der Woche endgültig auch in Bayern und Baden-Württemberg, wo die Schüler wieder in die Schule müssen - und ihre Eltern, spätestens, auch wieder zur Arbeit. Dort erleben viele Erwachsene den Schmerz des Wiedereintritts: Die Kollegen haben das Projekt unfertig liegen lassen; der Fraß in der Kantine: der gleiche; und Maier, die Ratte aus dem Vertrieb, ist auch noch da.
Und man denkt so vor sich hin: Was, wenn ich ausnahmsweise nicht wieder funktionieren würde? Stattdessen ein gutgelauntes Zeichen für meine Individualität setzte? Anleitungen, wie sich das originell machen lässt, gibt es reichlich; der Flugbegleiter Steven Slater hat im August eine geliefert, als er die Unverschämtheit einiger Passagiere mit dem stilvollen Abgang beantwortete, und Timo Lokoschat liefert jetzt eine mit "Das Bürobuch".
Es ist ein schmales Werk, nicht immer ganz so originell, wie es gerne wäre, aber es hat seine Momente. Es ist natürlich keine realistische Handreichung für die kleinen Fluchten; es lässt einen aber davon träumen, indem es dem Leser "100 Mutproben" für den Arbeitsplatz präsentiert. Da gibt es die metaphysisch angehauchten Aktionen: "Fragen Sie den Pförtner, ob Sie selbst da sind." Es gibt die verhaltenspsychologischen Experimente, etwa in der Kantine: "Beugen Sie sich quer über den Tisch, schneiden Sie ungefragt das Fleisch eines Kollegen in kleine Stückchen und sagen Sie danach: ,Ich weiß doch, wie du es gern hast.'" Die Happenings, beispielsweise mit Kollegen im Aufzug: "Schmeißen Sie sich auf den Boden und schreien Sie: ,Wir stürzen ab!'. Möglicherweise schon bevor der Aufzug losgefahren ist." Und die kleinen antiautoritären Augenblicke, etwa in Konferenzen: "Fragen Sie den Kollegen, der gerade das Wort führt, ob er den Platz mit Ihnen tauschen will."
Doch keine Sorge, das alles geht selbstredend nicht. Wir müssen ja den Aufschwung zu einem selbsttragenden machen in unseren Büros. Aber der Sommer vergeht eben nur unter Schmerzen.
bpe.
Timo Lokoschat, "Das Bürobuch. 100 Mutproben zwischen Kantine und Konferenzraum". Mit Illustrationen von Kai Pannen. Sanssouci, 96 Seiten, 9,90 Euro.
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