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Als Philosophieprofessor genoss Ravelstein Ruhm und Ansehen, reich wurde er als Bestsellerautor. Doch Ravelstein muss bald sterben. In Paris trifft er noch einmal seinen alten Freund Chick, einen amerikanischen Schriftsteller, der Ravelsteins Biographie schreiben soll. Beim eleganten Souper, beim Flanieren und Einkaufen oder im legendären Cafe Flore diskutieren die beiden Freunde Ravelsteins Leben, gemeinsame Erlebnisse, und sie mokieren sich über den Niedergang der amerikanischen Kultur. Der Roman, wie oft bei Saul Bellow vollautobiographischer Züge, besticht durch amüsante Anekdoten,…mehr

Produktbeschreibung
Als Philosophieprofessor genoss Ravelstein Ruhm und Ansehen, reich wurde er als Bestsellerautor. Doch Ravelstein muss bald sterben. In Paris trifft er noch einmal seinen alten Freund Chick, einen amerikanischen Schriftsteller, der Ravelsteins Biographie schreiben soll. Beim eleganten Souper, beim Flanieren und Einkaufen oder im legendären Cafe Flore diskutieren die beiden Freunde Ravelsteins Leben, gemeinsame Erlebnisse, und sie mokieren sich über den Niedergang der amerikanischen Kultur. Der Roman, wie oft bei Saul Bellow vollautobiographischer Züge, besticht durch amüsante Anekdoten, wunderbar erzählte Episoden und treffende Charakterisierungen. Es ist ein Genuss, Saul Bellow zu lesen.
Autorenporträt
Saul Bellow,geb. 1915 in Lachine/Quebec (Kanada) wuchs in Chicago auf. Er studierte Soziologie und Anthropologie und lehrte an verschiedenen Universitäten. Für sein umfangreiches literarisches Werk erhielt Saul Bellow zahlreiche Auszeichnungen, 1976 den Nobelpreis für Literatur. Bellow starb 2005 im Alter von 89 Jahren in Brookline / Mass.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.03.2000

Hoffnung für arme Seelen
Die Kunst der Biografie: Saul Bellows neuer Roman „Ravelstein”
Eine Großaufnahme, in einem kleinen Pariser Tableau: Ein hässlicher Espressofleck, vom besten Gebräu, das das Café de Flore zu bieten hat, auf einem eben bei Lanvin erworbenen Flanelljackett – „seidig aber dennoch satt”, die Farbe erinnert an einen Labrador, der Preis war 25 000 Francs.
Der Fleck auf dem teuren Flanell, das ist „Ravelstein pur”. Ist typisch für den amerikanischen Professor Abe Ravelstein, der mit seinem Freund Chickie, zu Besuch aus den Staaten, sattes Savoir-vivre zelebriert in Paris. In wenigen Tagen werden die amerikanischen Romanleser „all about Abe” wissen, dann erscheint bei Viking das neue Buch von Saul Bellow, dem sein exzentrischer Held auch den Titel gibt: „Ravelstein”.
Es ist ein intelligentes Feuerwerk in bester Bellow-Manier. Der amerikanische Erfolgsromancier zeigt sich, wenige Monate vor seinem 85. Geburtstag, so witzig und bissig wie eh und je – das verheißt zumindest der Vorabdruck eines Kapitels im New Yorker. Alles über Ravelstein also, und alle werden wissen, dass mit dem Romanhelden Professor Allan Bloom gemeint ist, einer der bekanntesten Intellektuellen des Landes – der so gar nicht den Vorstellungen entsprach, die man sich von seinen stillen, strengen Kollegen in Europa macht.
Keine Spur von edler Einfalt oder stiller Größe, nein, die groteske Selbstsicherheit Ravelsteins erinnert an die Auftritte der jungen amerikanischen Schreibgenies in den Zwanzigern in Paris. Ein Frühstück auf der Terrasse des Penthouse im Hôtel de Crillon, ein Vormittag lèche-vitrines, so heißt das Nobel-Shopping in Frankreich, danach viel Talk an den Cafétischen, und vor allem ein Gefühl von verrückter Lebenslust, das den dritten Amerikaner in Paris blass aussehen lässt: Michael Jackson, der sich ebenfalls im Crillon einquartiert hat.
Das Buch ist eine Auftragsarbeit. „Ich möchte, dass du über mich schreibst, mich in einem Buch festhältst”, sagt im Buch Abe zu Chickie, „wenn ich gestorben bin. Du könntest ein schönes Erinnerungsstück schaffen. Das ist nicht nur eine Bitte, ich erlege es dir auf als Verpflichtung. Du solltest es machen in deiner Erinnerungen-nach-dem-Mittagessen-Manier, wenn du ein Paar Gläser Wein getrunken hast . . . Aber sei nicht zu nett. Sei so hart, wie du willst. ”
Und Chickie/Bellow ist hart: Abe ist ein unförmiger Mensch, glatzköpfig, mit langen Armen, der eine Fuß drei Nummern größer als der andere. Er stottert, döst immer wieder ein, erschöpft von langen Nächten in fröhlicher Gesellschaft, und wenn er sich nach ausgiebigem Essen vom Tisch erhebt, hat man alle Hände zu tun, die Krümel und Flecken, die er hinterlässt, zu beseitigen. Er liebt den Luxus und die Barockoper, und seitdem er ein wohlgefülltes Bankkonto hat, ist es ihm eine Lust, seine Kreditkarte großzügig zum Einsatz zu bringen. Ein Schwuler, am Ende stirbt Ravelstein an Aids.
Ein Schluss, der das Buch zu einer postumen Outing-Aktion macht – beiläufig, aber doch ein wenig prekär. Kein Skandal sicherlich, immerhin war es ein offenes, aber nie angesprochenes Geheimnis, dass Bloom, der im Jahr 1992 gestorben ist, schwul war. Aber ganz sicher scheint sich auch Bellow nicht, ob er seinen Auftrag nicht doch zu ernst genommen hat. Gleichwohl: „Er hatte seine Art zu leben – und er hatte nichts zu verbergen. ”
Eine amerikanische Lebensart. Abe Ravelstein ist ein spendthrift, der verschwenderisch umgeht mit seinen geistigen und materiellen Ressourcen, mit Gedanken und mit Geld. „Sein Intellekt hatte ihn zum Millionär gemacht” – ein Bestseller, „inspiriert, intelligent, kriegerisch . . . rasch geschrieben, aber mit aller Ernsthaftigkeit”. Keine billigen Konzessionen also, kein Popularisieren.
„The Closing of the American Mind” hieß das Buch, mit dem Allan Bloom 1987 die Bestsellerlisten eroberte, eine kompromisslose Analyse der amerikanischen Gesellschaft in den Achtzigern, inspiriert von Bellow, der auch das Vorwort dafür lieferte: „It was Chick who put me up to it. ” 1979 hatten die beiden sich kennen gelernt, an der University of Chicago haben sie gemeinsam ein Seminar gehalten über romantische Freundschaft – und den Studenten sind sie vorgekommen wie eine Art Sancho Bloom und Saul Qujiote. Dass Bloom schwul war, soll auch auf dem Campus schon ein offenes Geheimnis gewesen sein.
Gemeinsames Intellektuellen-Leben, gemeinsame Arbeit, gemeinsame Vorstellungen – das macht Bellows „Ravelstein” zu einem Memento besonderer Art – und zu einem Glanzstück jenes Genres, das in Amerika zur Meisterschaft geführt wurde, der literarischen Biografie. (Zwei andere Beispiele wären die Bücher von David Remnick, über Muhammad Ali, und John Lahr, über Frank Sinatra – zwei Schreiber aus der New Yorker-Schule –, die eben auf Deutsch erschienen sind. )
Biografie als genuin amerikanische Kunst – der American way of life ist von Anfang an auf die Biografie angelegt. Amerikanisches Leben ist gespickt mit Schauwerten und -effekten, geprägt vom Willen zur Exzentrizität, oszillierend zwischen Fakten und Fiktion. Weil das Leben – zwangsläufig – Legende wird, drucken wir die Legende.
Ein biografisches Meisterstück, aber auch ein Buch, das die Möglichkeiten und Grenzen von Biografie erkundet. Die Homosexualität bildet kein Moment des Skandalösen, sie integriert sich der Lebenskunst und -weisheit, für die Allan Bloom stand. Sein Buch war eine unnachsichtige Attacke auf die damalige amerikanische Kultur und ihr Bildungssystem. Alles was uns seit den Sechzigern als Befreiung und Revolution verkauft wurde, erklärte Bloom, hat die amerikanische Gesellschaft herunter gebracht, die Streiks und Campusbesetzungen haben das Land zurückgeworfen: „Wie die höhere Ausbildung die Demokratie verfehlte und die Seelen der Studenten von heute verarmen ließ” – das Motto (und Fazit) des Buches signalisiert, hier wird amerikanische Trauerarbeit geleistet.
Was auf den ersten Blick konservativ wirken mag in Blooms Studie, ist in Wahrheit schon wieder progressiv – weil Bloom auf dem Hintergrund antiken Wissens und antiker Philosophie argumentiert. Jede Seite ist beflügelt von der Erinnerung an jenes Goldene Zeitalter des Philosophierens auf den Straßen von Athen, an das große Paar Platon und Aristoteles. Platons „Symposion” ist das Paradies der Intellektuellen – Muster einer Philosophie, die durch ihre alltägliche Praxis auch politisch wurde. Michel Foucault hat in den letzten Jahren seines Lebens in ähnlicher Weise sein Leben und sein Denken auf Grund dieser texte neu organisiert, und Martha Nussbaum hat 1993, als Sachverständige vor dem Gericht in Denver, Colorado, ausführlich über das „Symposion” referiert, als der Staat Colorado die Homosexualität sogar in der Verfassung als widernatürlich gebrandmarkt haben wollte.
Im Licht von „Ravelstein” erscheint das radikale Buch von Bloom versöhnlicher – ein Buch der Freundschaft und des Eros, den das bürgerliche Zeitalter, die europäische idealistische Philosophie so gründlich missverstanden und verdrängt hat – und die Amerikaner haben es prompt übernommen, lesen Thomas Manns subtilen „Tod in Venedig” als frühes Plädoyer für die sexuelle Befreiung.
Der Mensch ist unvollkommen, das ist die berühmte Formel im „Symposion” – dem lebenslustigen Aristophanes in den Mund gelegt und illustriert durch den Mythos vom ursprünglichen doppelgeschlechtlichen Zwitterwesen, das vom grausamen Gott getrennt wurde in Mann und Frau: „Mensch sein, heißt versehrt, verstümmelt sein. Der Mensch ist unvollständig. Zeus ist ein Tyrann. ” Im Eros liegt für Bloom und Bellow und Ravelstein die Hoffnung auf eine andere Kultur, die einen neuen Menschen schafft. Wie das aussehen mag, deutet eine kleine Passage am Beginn des Romans an – auf der Terrasse des Crillon. „Ravelstein war in ausgezeichneter Stimmung. Dennoch hielten wir unsere Stimmen gedämpft – weil Nikki noch schlief, Abes Gefährte. In den USA hatte er immer bis vier Uhr morgens Kungfu-Filme aus seiner Heimat Singapur angeschaut. Auch hier war er meistens die Nacht über auf. Der Zimmerkellner hatte die Türflügel zusammengeschoben, so das Nikkis seidiger Schlaf nicht gestört werden konnte . . . Anfang dreißig hatte der hübsche Nikki immer noch etwas Jungenhaftes. ”
FRITZ GÖTTLER
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»Ein intelligentes Feuerwerk in bester Bellow-Manier.« Süddeutsche Zeitung