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Produktdetails
  • Lilienfeldiana 1
  • Verlag: Lilienfeld Verlag
  • Originaltitel: Stoev og Stjaerner
  • Seitenzahl: 238
  • Erscheinungstermin: September 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 20mm x 113mm x 186mm
  • Gewicht: 258g
  • ISBN-13: 9783940357014
  • ISBN-10: 3940357014
  • Artikelnr.: 22927426
Autorenporträt
Knud Hjortø, 1869 als Bauernsohn geboren, wurde zunächst Lehrer und widmete sich Sprachforschungen, bis ein Aufenthalt in Paris 1896/97 zur Initialzündung für sein Schreiben wurde. 1899 debütierte er mit "Syner", einem im besten Sinne sehr eigenwilligen Werk, dessen Qualität zunächst nur herausragende Kritiker und Autorenkollegen bemerkten. Die folgenden Romane, die mit Klarheit, Dynamik, psychologischer Einfühlung und einem für ihn typischen Sarkasmus seine Zeit und die Menschen beschreiben, machten Hjortø in der Folge zu einem wichtigen Vertreter der klassischen Moderne Dänemarks. Er starb 1931 bei einem Verkehrsunfall.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2008

Gedanken auf der Flucht

Früher waren noch nicht alle Radfahrer gedopt. Knud Hjortø setzt in seinem hundert Jahre alten Roman als Experiment einen Intellektuellen auf den Drahtesel.

Dieser kleine vergessene dänische Roman von 1904 fängt an, als befänden wir uns in einem französischen Zeichentrickfilm von 2003, "Les Triplettes de Belleville": "Einen staubgrauen Hügel hinauf kriecht ein Mensch mit zähen, langsamen Bewegungen ... es ist ein Radfahrer." Im Film ist es ein melancholischer dürrer Junge, der für die Ochsentour de France trainiert, in Knud Hjortøs Buch ein melancholischer Intellektueller, der dem Wahnsinn seiner Gedanken entfliehen will. "Wie der Wind saust er den Hügel hinunter, wie ein Kegel fegt er dahin, ein Hagel von Mücken prallt gegen sein Gesicht, die kleinen Hunde den Weg entlang kommen viel zu spät." Nach einer Seite Lektüre ist man schon mal außer Atem.

Das Radfahren ist hier aber auch das Äußerste an Sport; "Staub und Sterne" (der Radfahrer befindet sich dazwischen, der Mensch an sich auch) ist ein Roman der Reflexionen und verwickelten Ideen. Handlung hat er fast gar nicht. Er erzählt zunächst von zwei Männern, einem älteren und einem jüngeren, die sich gegenseitig verabscheuen, aber nicht voneinander loskommen wollen. Der ältere heißt Kasbjerg, ist ein berühmter Kritiker und als solcher eine gefürchtete Institution. Dann will er auch Romane verfassen, aber das geht daneben. Hjortø beschreibt sie mit gnadenlosen, trockenen Worten: "Seine ersten Bücher waren peinlich geistreich, sinnig affektiert wie die Brautbriefe eines ältlichen jungen Mädchens." Und den Autor selbst charakterisiert er so: "Die Stirn war eine von den bekannten hohen, gewölbten, aber war keine Gehirnkuppel, sondern nur eine schmale Dachkammer." Obwohl, ganz dumm ist Kasbjerg auch nicht; er sieht schon, dass seine Figuren anämisch und leblos sind, "sie waren alle reserviert, litten an Überkultur; es war keine Sonnenverbranntheit in seinen Büchern".

Der jüngere der beiden Männer heißt Ivar Holt, Student, ein ehrgeiziger, introvertierter Grübler mit Hang zur Depression. Ganz am Ende wird er erkennen, dass er nur aus "Übermut und Hoffnungslosigkeit" bestand, "das einzige, was wirklich war in meinem Dasein". Vital ist nur die Welt um ihn herum, wenn er seine Fahrradtouren macht, eine Welt, die in prallen Farben und zupackenden Verben beschrieben wird: "Draußen im Tümpel ziehen die Frösche ihre Weckuhren auf; ein schwarzer Dachsköter zeigt seinen weißgelben Rücken drinnen in den grünen Daunen des Gerstenfelds; die Leute schwatzen miteinander; ein Junge versucht, ein Stück von einer Brotkruste abzubeißen, er schraubt die Zähne zusammen, zerrt nach oben und zerrt nach unten." Es sind aufgeladene Szenen, die dem Gemüt ihres Betrachters entgegenstehen und es sozusagen auf die Probe stellen. Das Gemüt ist die andere Welt in diesem Roman, die innere, die Reise durch die Seele des jungen Mannes ist wiederum fast sachlich, trotz aller expressionistischen Gesten und parataktischen Sätze. Das macht das Buch zu einem merkwürdigen stilistischen Mischling.

Holt widmet sich anfangs seinem Sprachstudium, oder er wandert, wenn er nicht radelt, durch die Stadt. Die Passanten verachtet er, sie haben wenig mit dem "blauen Raume der Dichtkunst" zu schaffen, überhaupt scheint ihn Blau ganz außerordentlich anzumachen: "Eines Gardeleutnants strammes blaues Hinterteil fesselte seine Blicke", eine etwas überraschende Bemerkung so am Anfang. Vielleicht wird sie aber auch deswegen fallengelassen, um seine Probleme mit den Frauen zu erklären, die es ihm eigentlich gar nicht so schwermachen, weder die etwas leichtsinnigeren wie Katinka oder Theologine ("Sie war nicht allen Ernstes bar, in einsamen Stunden hatte sie rührende Träume von honetter Liebe") noch die einfachen, die es wirklich ernst meinen, wie Henriette, die lieber freiwillig geht, oder später, auf dem Lande dann, Signe; Letztere verlässt er beinahe wie Kierkegaard seine Regine.

Und Holt schreibt, er will ja Schriftsteller werden. Seine Romane handeln ironischerweise von Erotik, obwohl er davon keinen blassen Schimmer hat. Die Kritiker behandeln sein Debüt wie ein rohes Ei, aber dann kommen zwei weitere, völlig unlesbare Bücher. Kunstrichter Kasbjerg freilich bewundert Holt für seine echt erfühlten Personen, dann macht er ihn sogar zu einer Romanfigur, aber einer salonfähigen, ganz banalen, "mit Sinnlichkeit durchtränkt". Holt liest es mit Entsetzen. So rächt sich Kasbjerg an Holts Jugend und unbekümmerter Vorgehensweise, an seiner Vermessenheit und seinem Übermut. Holt lässt sich aber auch gern hinreißen, einmal zu einem Monolog über die Gottgleichheit des Schriftstellers, ja Holts selbst, "es gibt keinen andern Gott als mich selbst", sagt er nach einem seiner Gedankenflüge. Dann denken wir uns, der Mann hat Drogen genommen oder Absinth getrunken, der damals Mode gewesen ist, besonders wenn er innerlich abrupt das Thema wechselt und sich zu Kasbjerg heimlich fragt: "Wie dieser Mensch wohl in erotischer Beziehung sein mag?", wieder so eine Bemerkung, aber jetzt nicht mehr ganz so überraschend.

Es ist die halb tragische, halb ironische, ein wenig auch autobiographische Geschichte eines selbstbewussten, aber meistens gehemmten jungen Mannes, der dann das Schreiben aufgibt, eine schlecht bezahlte Bürostellung in der Provinz annimmt und schließlich nur noch darauf wartet, dass die Kälte der Luft (es ist Februar) sich mit der eigenen inneren Kälte verbindet, dann hat er es geschafft, es ist wie ein perverser Triumph: endlich bewiesen, dass das Leben wertlos ist!

Knud Hjortø wurde 1869 in einem Dorf bei Kopenhagen geboren, erblindete im Alter und kam 1931 bei einem Unfall ums Leben. Sein Roman wurde schon vor hundert Jahren von Hermann Kiy übersetzt, das merkt man natürlich, aber die Schärfe, Empfindsamkeit und Reichhaltigkeit seiner Sprache ist bis heute gültig. Er ist nicht leicht zu konsumieren, aber mit nie gelesenen Bildern nur so gespickt, nervös, verzweifelt und endet in fast tolstoianischer Welt- und Seelenverbesserung. Ein junger Verlag hat einen Fund gemacht, keine Frage.

PETER URBAN-HALLE

Knud Hjortø: "Staub und Sterne". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Hermann Kiy. Mit einem Nachwort von Esther Kielberg. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2007. 240 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erfreut zeigt sich Peter Urban-Halle von dieser Ausgabe von Knud Hjortös lange vergessenem Roman "Staub und Sterne" von 1904, den er als echte Entdeckung würdigt. Das Werk ist in seinen Augen in erster Linie ein Roman der Reflexionen und Ideen, Handlung - es geht um zwei Männer, einen jungen, introvertierten, eher erfolglosen Autor und einen berühmten Kritiker, die sich verabscheuen und doch nicht voneinander loskommen - gibt es kaum. Neben anschaulichen, in "prallen Farben" gehaltenen Beschreibungen der lebendigen Welt einerseits findet Urban-Halle sachliche Schilderungen des Seelenlebens des depressiv gestimmten Schriftstellers, so dass er das Buch einen "merkwürdigen stilistischen Mischling" nennt. Die Lektüre scheint ihm nicht unbedingt leichte Kost. Dafür wird man in seinen Augen entschädigt mit einem Roman voll "nie gelesener Bilder". Lobend äußert er sich auch über die Übersetzung von Herman Kiy, die, obwohl schon hundert Jahre alt, sprachlich an "Schärfe, Empfindsamkeit und Reichhaltigkeit" nichts verloren hat.

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