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Produktdetails
  • Verlag: Haag + Herchen
  • Seitenzahl: 117
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 172g
  • ISBN-13: 9783861379898
  • ISBN-10: 3861379899
  • Artikelnr.: 23948021
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Rezensent Adelbert Weinstein kann die Erinnerungen des Generals a. D. Joachim Tzschaschel nur wärmstens empfehlen. Jahrelang arbeitete der General als Militärattaché in Algerien, im Irak und in Vietnam. Seine während dieser Zeit entstandenen persönlichen Notizen hat er ausgewertet und zu einer "mit leichter Hand" geschriebenen "eleganten" Erzählung verdichtet. Das Buch sei klug, lesenswert und anregend und darüber hinaus alles andere als veraltet. Gerade Tzschaschels Erinnerungen an seine Zeit im Nahen Osten und in Nordafrika enthielten Erkenntnisse, die zum Verständnis der aktuellen Konflikte in diesen Regionen sehr wichtig und bereichernd sind, meint der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2001

Zwei Hüte, kein Stahlhelm
Bagdad, Algier, Saigon: Ein deutscher Militärattaché erinnert sich

Joachim Tzschaschel: Zeitzeuge in Bagdad, Algier, Saigon. Erinnerungen eines deutschen Militärattachés. Haag + Herchen, Frankfurt am Main 2000. 117 Seiten, Abbildungen, 18,- Mark.

Das ist ein kluges Buch: Der Autor, General a.D. Joachim Tzschaschel, ist Militärattaché an den deutschen Botschaften im Irak, in Algerien und Vietnam gewesen. Die persönlichen Notizen, die er in den Jahren seiner Tätigkeit in diesen strategischen Konfliktzonen aufzeichnete, hat er jetzt ausgewertet. Und das Ergebnis ist keine strategische Studie, sondern eine mit leichter Hand geschriebene elegante Erzählung.

Das Buch ist aktuell. Von den drei Konfliktzonen, mit denen sich der Verfasser auseinandersetzt, sind zwei strategische Regionen nach wie vor unruhig: Im Irak und in Algerien hat die Zeit im Kern wenig verändert. In Bagdad erlebte Tzschaschel vor einem Vierteljahrhundert den Machtverfall und den Kampf um die Nachfolge des Generals Kassem. Heute heißt der Diktator Saddam Hussein. Er ist genauso grausam und von einem unbändigen Expansionsdrang besessen wie damals Kassem.

Der Verfasser notierte 1963: "Die schrittweise Eroberung der arabischen Halbinsel mit den Etappen Kuweit, Bahrein, Oman bildet das Zentralproblem Kassemscher Außenpolitik." In Erinnerung an die bisherige Strategie des derzeitigen starken Mannes in Bagdad kommt Tzschaschel zu dem Schluß: "Der Irak ist noch immer ein Spannungsfeld erster Ordnung." Im nationalen Interesse bleibe das Wunschziel Bagdads die "Arabische Einheit": "Diese Konstante spiegelt sich wider in der anhaltenden Rivalität zwischen Syrien und dem Irak." Die irakischen Hegemonialbestrebungen wiesen auch immer noch in Richtung Golfregion. Es sei eine Illusion, die Wende der irakischen Außenpolitik mit der "Auswechselung der Herrschaftsfiguren" zu erwarten. Und konstant geblieben sei auch der mangelnde Wille der zentralistischen Staatsführung, die ethnischen Minderheiten zu integrieren. Die Linie blutiger Auseinandersetzungen mit den Kurden werde weiter ausgezogen.

Auch die Zukunft Algeriens deutet der Verfasser skeptisch. 1965 war er Zeuge des Sieges, den die Armee über die Partei errang: Boumedienne löste Ben Bella ab. Der Staatsstreich wurde damals damit begründet, daß "die Partei die Armee um die Früchte des blutig erkämpften Sieges" über die Franzosen gebracht habe. Wohl hatten die Streitkräfte gefürchtet, daß die "opportunistische Liebedienerei vor Moskau", die Ben Bella betrieb, in einer "ideologischen Aufweichung" des ganzen Landes enden würde. Doch der Putsch korrumpierte die Armee. Das Ansehen der Offiziere sank. Verlockungen und Pfründen erschütterten die Schlagkraft der Truppe. Die Wirtschaft stagnierte. "Algerien hat noch immer nicht seinen inneren Frieden gefunden", sagt Tzschaschel. Die von der Macht verdorbene Streitmacht könne bis heute den Gegenterror der ideologisierten Radikalen nicht brechen.

Und schließlich Palästina. Tzschaschel ist hier gleichfalls ein Beobachter, der sich auskennt. Sein Leben begann nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Abenteuer: 1950 verpflichtete sich der ehemalige Major im Generalstab als Berater der syrischen Armee. Von Damaskus aus verfolgte er die Ereignisse auf dem Spannungsfeld Palästina. Die Israelis und die Araber belauerten einander. Die Beratertätigkeit ließ ihm genügend Zeit, sich der arabischen Hochsprache zu widmen. Damit fand er Zugang zu allen Kreisen des Landes. Damaskus wurde zum idealen Ausguck, der ihm den Blick öffnete für das Kernproblem des israelisch-arabischen Bürgerkrieges: die Notwendigkeit einer aktiven Friedenspolitik. Kriege - so deutete der Beobachter die Situation - erhöhten in Palästina nur das Chaos.

Da Tzschaschel nicht ständig ein "Landknechtsleben" führen wollte, kehrte er nach drei Jahren Syrien nach Deutschland zurück. Er trat in die Bundeswehr ein. Der politische Anschauungsunterricht in Damaskus hatte aus dem Soldaten einen Diplomaten geformt. Die These, zu der der Berater der syrischen Armee frühzeitig im Hinblick auf die israelisch-arabische Spannung fand, hatte dann für den Militärattaché Gültigkeit für alle strategischen Konfliktzonen, mit denen er in Berührung kam. Und er handelte danach. Die Erkenntnis, Kriege führten nicht zu Lösungen, zieht sich durch das ganze Buch.

Da der Autor an seine Leser denkt, befriedigt er auch deren Neugierde, was so ein Militärattaché eigentlich zu tun habe. Er erklärt die Sonderstellung. Er ist Diplomat in Uniform, ein intensiver Beobachter und Berichter, kein Spion. Als Mitglied der Deutschen Vertretung im Ausland untersteht er der Dienstaufsicht des Botschafters. Der Militärattaché bleibt jedoch fachlich und disziplinarisch dem Verteidigungsminister unterstellt. "Er trägt zwei Hüte." Seine Berichte darf der Botschafter nicht verändern. Dieser zeichnet den Text lediglich ab, darf aber vermerken, ob er einverstanden ist oder nicht. Der einfache Kontrollmechanismus verhindert eine "Nebendiplomatie".

Tzschaschel hatte in Saigon enge Verbindung mit den amerikanischen Offizieren. Sie baten ihn um seine Meinung. Er gab sein Urteil ab. Es war insofern negativ, als er ihnen erklärte, "die USA werden diesen Krieg nicht mehr gewinnen können". Das war 1966. Die amerikanischen Offiziere haben ihm diese Offenheit nicht übelgenommen. Sie wurden nachdenklich. Denn auch sie kannten den Spruch Maos: "Wer in einem Volkskrieg oder Partisanenkampf nicht siegt, der verliert. Wer nicht verliert, der siegt." Ein lesenswertes, anregendes Buch.

ADELBERT WEINSTEIN

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