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Ökonomie und Regierung folgen träge ihren Imperativen, die Mühlen der Reform mahlen langsam, Ohnmacht und postpolitische Resignation machen sich breit. Manchmal flackert zwar im öffentlichen Bewußtsein das Politische auf, doch protestierende Studenten und populistische Präsidenten lösen Standardreaktionen aus: abgeklärten Zynismus und naive Euphorie. Auch wenn sich die Diagnose vom "Ende der Geschichte" plausibel anfühlen mag, politisierte Konsumenten, Medienaktivisten und Gewerkschafter versuchen, sie mit neuen Formen der Politik zu widerlegen. In anschaulichen Fallstudien bietet Und jetzt?…mehr

Produktbeschreibung
Ökonomie und Regierung folgen träge ihren Imperativen, die Mühlen der Reform mahlen langsam, Ohnmacht und postpolitische Resignation machen sich breit. Manchmal flackert zwar im öffentlichen Bewußtsein das Politische auf, doch protestierende Studenten und populistische Präsidenten lösen Standardreaktionen aus: abgeklärten Zynismus und naive Euphorie. Auch wenn sich die Diagnose vom "Ende der Geschichte" plausibel anfühlen mag, politisierte Konsumenten, Medienaktivisten und Gewerkschafter versuchen, sie mit neuen Formen der Politik zu widerlegen. In anschaulichen Fallstudien bietet Und jetzt? eine Bestandsaufnahme über Propaganda und Protest am Beginn des 21. Jahrhunderts. Reportagen und Interviews werden ergänzt durch Gespräche mit Gegenwartsdiagnostikern wie Ulrich Beck und Michael Hardt.
Autorenporträt
Geiselberger, HeinrichHeinrich Geiselberger, geboren 1977 in Waiblingen, arbeitet seit 2006 als Lektor im Suhrkamp Verlag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2008

Der Schwung fehlt
Politik und Protest im Zeitalter der Globalisierung
Wenn schon in der Einleitung Übervater Siegfried Unseld zitiert wird, um die mit der „edition suhrkamp” verbundenen „Suchbewegungen” wieder aufleben zu lassen, wird deutlich, dass „Und jetzt?”, dieser zunächst unscheinbare Titel, eine besondere Stellung einnehmen soll. Zieht man einmal den vielleicht nötigen Furor ab, mit dem sich Lektor Heinrich Geiselberger als Herausgeber dieses Bandes über Politik, Protest und Propaganda zu positionieren versucht, liegt hier eine in ihrer Bandbreite interessante Sammlung und Bestandsaufnahme vor. 16 Akteure, Projekte und Organisationen von der Nachwuchsparteistrategin über die weitgehend unbekannte Graswurzelgruppe bis zur Website mit emanzipatorischem Anspruch werden vorgestellt. Unterschiedliche Organisationstypen wie Parteien, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen werden analysiert sowie Typen des politischen Handelns „außerhalb der klassischen Arenen” beleuchtet: „Protest, politischer Konsum und Medienaktivismus”.
Den theoretischen Hintergrund liefert dabei zum einen Zygmunt Baumann, der von einer „zweiten Sezession” moderner Gesellschaften angesichts der Herausforderungen der Globalisierung spricht. Während vor mehr als 200 Jahren ein erster Einschnitt zur Durchsetzung der klassischen Industriegesellschaft führte und es damals auch erst nach Jahrzehnten gelang, soziale Probleme mittels nationalstaatlicher Institutionen annähernd in den Griff zu bekommen, so stehe heute eine wie auch immer geartete Regulierung der entfesselten Weltwirtschaft noch aus. Wer aber wie Baumann vom „goldenen Zeitalter”, von Wirtschaftswachstum und Wohlfahrtsstaat schwärmt, berücksichtigt nicht die auch schon damals vorhandene Kritik an den einengenden Zwängen der „Fabrikgesellschaft”.
Niklas Luhmann hingegen wird als Gewährsmann für die integrative Kraft eben jener moderner Gesellschaften ins Feld geführt. Kritik sei eine Art „Immunsystem” und somit die Grundlage der Modernisierung schlechthin. „Es hat den Anschein, als hätten sich die liberalen Demokratien mit ihren Karl-Marx-Buchhandlungen und den Kreuzberger Demos am 1. Mai selbst erfolgreich ,hypersensibilisiert‘”, schlussfolgert Geiselberger und verliert dabei weiterhin existierende Formen von Ausgrenzung und Normierung aus dem Blick.
Wenn auch der Sammelband im Ganzen sehr strukturiert ist, so fallen die einzelnen Beiträge sehr disparat aus. Matthias Micus und Franz Walter etwa lösen das Spannungsfeld von außer- und innerinstitutionellem Aktivismus dahingehend auf, dass sie grundsätzlich keine Alternativen zu Parteien sehen: „Mit den Parteien steht daher à la longue die gesamte demokratische Ordnung zur Disposition.” Dieses harte Urteil ist einer Fixierung auf das System der parlamentarischen Demokratie geschuldet. Andere historische Formen, etwa die Rätedemokratie, werden nicht untersucht.
Demgegenüber steht Dieter Rucht, der Protest jenseits von Parteien als integralen Bestandteil der Demokratie ansieht; wenn sein Ansatz auch sehr an den Strukturen des Protests und weniger an den Inhalten orientiert ist. Diese Form des Rationalismus wird versucht, mittels „Framing”-Konzept abzumildern: „Historische Traditionen, kulturelle Muster und Werte, politische Erfahrungen, aktuelle Stimmungen” fließen so in die Analyse sozialer Bewegungen, ihrer Ziele und Konjunkturen mit ein. Allerdings fehlt hier die Thematisierung des entscheidenden Unterschieds zwischen Partei und sozialer Bewegung: dem zwischen Stellvertreterpolitik und Selbstorganisation.
In kurzen Interviews mit politischen Theoretikern wird schließlich der weiter ausholende theoretische Wurf, der in den oft beschreibenden beziehungsweise fachwissenschaftlich orientierten Beiträgen fehlt, versucht. Chantal Mouffe gibt hier mit den Begriffen Antagonismus und Hegemonie einen zentralen Anstoß. Zunächst einmal widerspricht sie der gängigen Runden-Tisch-Ideologie. Die bürgerliche Gesellschaft zeichne sich gerade durch grundlegende Antagonismen aus, es gebe durchaus Konflikte, „für die es keine rationale Lösung gibt”. Dass dies aber dennoch so erscheint, sei der Hegemonie einer Klasse geschuldet, jede Form sozialer Ordnung sei somit hegemonialer Natur: „Das Ziel der Linken sollte unserer Ansicht nach darin bestehen, einen kollektiven Willen aller demokratischen Kräfte zu kreieren, um eine Radikalisierung der Demokratie zu befördern und eine neue Hegemonie zu etablieren.” Da taucht er wieder auf, der „emanzipatorische Schwung”, den Geiselberger beim Blick auf die aktuelle politische Landschaft in und außerhalb der Institutionen vermisst. GOTTFRIED OY
HEINRICH GEISELBERGER (Hg.): Und jetzt? Politik, Protest und Propaganda. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2007. 364 Seiten, 12 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Gelungen scheint Rezensent Tarik Ahmia dieser Band mit 25 Aufsätzen über sozialen Protest in einer globalisierten Welt. Im Zentrum der Beiträge sieht er vor allem zwei Fragen: Was kann Protest heute noch bewirken? Und: Wie können zeitgemäße Protestformen aussehen? Die Aufsätze, die die Rolle von Parteien,Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch politische Einflussnahme in den Bereichen Protest, Konsum und Medien analysieren, unterscheiden sich seines Erachtens durchaus in der Qualität. Neben "brillanten" Beiträgen findet er auch einige "blamable". So kritisiert er etwa Tanja Brühls Abriss der Geschichte der NGOs als bieder und intellektuell dürftig. Demgegenüber lobt er die zahlreichen überzeugenden Fallbeispiele aus der aktuellen Protestkultur, die oft recht originelle Formen annimmt. Besonders gefallen haben ihm zudem die Interviews mit Theoretikerinnen und Theoretikern wie Chantal Mouffe, Ulrich Beck und Michael Hardt, die er zu den "Glanzlichtern" des Bands zählt.

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