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»Kaum jemand wird das Schreiben so sehr als Folter empfinden wie ich«, ist im Juni 1936 vermerkt. Und im Februar 1939, mitten in der Atmosphäre wachsender Kriegsgefahr: »Ein Tag des Glücks« über die Arbeit an dem Roman Between the Acts. Schreiben war Bedrohung und Rettung zugleich für Virginia Woolf. Es führte sie bis zur äußersten Erschöpfung und Verzweiflung, an den Rand des Lebens - und es war ihre Flucht aus der Realität.
In den Vorkriegs- und Kriegsjahren, die dieses Tagebuch umfasst, hat Virginia Woolf eine ungeheure Arbeitsleistung vollbracht. Der Roman The Years wurde beendet und
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Produktbeschreibung
»Kaum jemand wird das Schreiben so sehr als Folter empfinden wie ich«, ist im Juni 1936 vermerkt. Und im Februar 1939, mitten in der Atmosphäre wachsender Kriegsgefahr: »Ein Tag des Glücks« über die Arbeit an dem Roman Between the Acts. Schreiben war Bedrohung und Rettung zugleich für Virginia Woolf. Es führte sie bis zur äußersten Erschöpfung und Verzweiflung, an den Rand des Lebens - und es war ihre Flucht aus der Realität.

In den Vorkriegs- und Kriegsjahren, die dieses Tagebuch umfasst, hat Virginia Woolf eine ungeheure Arbeitsleistung vollbracht. Der Roman The Years wurde beendet und überarbeitet. Riesige Mengen Material hat sie durchgesehen, um die Biographie ihres verstorbenen Freundes, des Malers und Kunstwissenschaftlers Roger Fry zu schreiben. Und fast prophetisch setzte sie sich mit der Frage auseinander, wie Frauen dazu beitragen können, Kriege zu verhindern. Ihr leidenschaftlicher politisch-feministischer Essay Three Guineas erschien ein Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Ihr Tagebuch nutzt Virginia Woolf zur Erholung vom disziplinierten Schreiben; mit ihrem Sinn für groteske Situationen beobachtet sie den Alltag, sie beschreibt Menschen und Gesellschaften, Landschaften und Reisen, genießt die geliebten Klatschgeschichten. Es scheint, als sei sie in diesen schwierigen Jahren dem Leben besonders zugewandt. Zugleich aber lässt sie Gedanken an das Alter und den Tod, »der eine ungeheure Erfahrung ist«, näher an die Oberfläche kommen. Besorgt und engagiert kommentiert sie fast täglich die politischen Ereignisse und die bevorstehende Katastrophe in Europa. Die Bedrohung und schließlich der Krieg dringen immer stärker in ihr Leben ein. Tapfer kämpft Virginia Woolf gegen die aufsteigende Depression und versucht sich beim Schreiben aufzumuntern. Aber in ihrer Erschöpfung während der letzten Arbeiten an dem Roman Between the Acts kann sie der Verdunkelung ihres Gemüts nicht mehr standhalten.
Autorenporträt
Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als Tochter des Biographen und Literaten Sir Leslie Stephen in London geboren. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. Ihre Romane stellen sie als Schriftstellerin neben James Joyce und Marcel Proust. Zugleich war sie eine der lebendigsten Essayistinnen ihrer Zeit und hinterließ ein umfangreiches Tagebuch- und Briefwerk. Virginia Woolf nahm sich am 28. März 1941 in dem Fluß Ouse bei Lewes (Sussex) das Leben. Klaus Reichert, 1938 geboren, ist Literaturwissenschaftler, Autor, Übersetzer und Herausgeber. Von 1964 bis 1968 war er Lektor in den Verlagen Insel und Suhrkamp, von 1975 bis 2003 war er Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Frankfurter Goethe-Universität, 1993 gründete er dort das 'Zentrum zur Erforschung der Frühen Neuzeit'. Von 2002 bis 2011 war er Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei S. Fischer erschien zuletzt 'Türkische Tagebücher. Reisen in ein unentdecktes Land' (2011) und 'Wolkendienst. Figuren des Flüchtigen' (2016). Claudia Wenner, Schriftstellerin, Publizistin und Übersetzerin. Sie lebt abwechselnd in Frankfurt und Pondicherry. Für S. Fischer übertrug sie die Tagebücher von Virginia Woolf, für die Neue Zürcher Zeitung schreibt sie regelmäßig über Indien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2008

Dankesbrief für einen Nachttopf
Vom Übermut zur Depression: Der letzte Band von Virginia Woolfs Tagebüchern
Nun ist also auch der fünfte und letzte Band der Tagebücher von Virginia Woolf erschienen, der die Jahre von 1936 bis 1941 umfasst, von Claudia Wenner übersetzt und von Klaus Reichert herausgegeben, beides mit großer Sorgfalt. Man nimmt das Buch beklommen zur Hand, weiß man doch, wie es ausgehen wird.
Vergleicht man den Band mit seinem unmittelbaren Vorgänger, so fällt auf, wie sehr eine Bewegung der Kontraktion stattgefunden hat. Noch immer zwar defilieren hier ungezählte Namen von Gästen zu Tee und Dinner vorüber, und selbst der gewissenhafte Kommentar, der sie einem alle erklärt, löst die Verwirrung der Vielzahl nicht gänzlich auf. Aber es beginnt hier etwas zu fehlen, was die Lektüre von Woolfs Tagebüchern zuvor zu einem so amüsanten, gelegentlich auch penetranten Erlebnis gemacht hatte: ihr spitzer Übermut, der Wille zur karikaturistischen Figurengestaltung, aus denen sich das Porträt einer ganzen Epoche und Klasse ergeben hatte.
Nur noch selten begegnet man der maliziösen Tiermetapher, für die die frühere Virginia Woolf ein so sicheres Händchen gehabt hatte, höchstens dass ein Mädchen noch mal als arme Gans, eine Schneiderin als Nachtfalterfrauchen bezeichnet wird. Als Indiz für das, was vorgeht, darf man wohl auch das veränderte Verhältnis zu den Dienstboten werten. Als Dame von Welt hatte Virginia Woolf hier früher durchaus eine gewisse arrogante Gereiztheit erkennen lassen. Nun trennt sie sich im Ernst von ihrer Perle Mabel. „Um 10 nahm Mabel ihre Taschen und stampfte davon, mit ihrer Fußballenentzündung. Vielen Dank, dass Sie so freundlich zu mir waren, sagte sie zu jedem von uns. Und ob ich ihr ein Zeugnis schreiben könne? ,Ich hoffe, wir sehen uns wieder‘, sagte ich. Sie sagte ,Oh, ganz bestimmt‘ – weil sie dachte, ich hätte den Tod gemeint. Damit wäre diese 5jährige unbehagliche stumme und doch sehr passive & ruhige Beziehung vorbei: eine schwere Birne, die keine Sonne bekam, fällt vom Zweig. Und wir sind freier, allein.”
Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass dieser humanere Ton nur um den Preis einer gewissen Traurigkeit und Ermattung zu haben war. Die Depression, an der Virginia Woolf leidet, schweigt in ihren akuten Phasen, nur das Vorher und Nachher hinterlässt seine Spur als Text. Aber man ahnt sie überall als die zunehmende Beschränkung, die dem Leben einer Kranken auferlegt ist. Die Last der gesellschaftlichen Verpflichtungen wird ihr immer schwerer erträglich. „Permanenter Besuch ist genauso schlecht wie Einzelhaft –”. Dass auch die materielle Lage sich verschlechtert, deutet sich beispielsweise darin an, dass Woolf einen Dankesbrief für den Erhalt eines Nachttopfs verfasst. Aber das Schreiben geht immer noch, geht besser denn je.
Und dann kommt der Krieg, der alles Persönliche in den Hintergrund drängt, aber dabei auch noch weiter verdüstert. Der Luftkrieg zerreißt das tägliche Leben, das Haus der Woolfs am Londoner Mecklenburg Square wird von einer Bombe zerstört; die Besitzer der Ausweichwohnung benehmen sich unfreundlich; der Blockwart putzt Virginia herunter, weil sie gegen das Verdunkelungsgebot verstoßen hat; man erlebt sie dabei, wie sie Vorhänge näht und stundenlang dünne Milch buttert, bis doch ein Klümpchen Butter herausspringt, und dieses wird gestohlen – ein Unglück. Im Herbst 1940 erwartet man wöchentlich die Landung der Deutschen; die Woolfs halten Gift in Bereitschaft, denn Leonard ist Jude. Am 12. November heißt es: „Wenn wir bis März durchhalten, haben wir das Schlimmste hinter uns gebracht.”
Ein Wort mit dem abgründigen Doppelsinn eines delphischen Orakelspruchs. Am 24. März hält Virginia noch fest: „L. macht den Rhododendron . . .” Am 28. März bricht sie auf wie zu einem Spaziergang und ertränkt sich in dem nahen Fluss Ouse. Leonard, der sie suchen geht, findet nur noch ihren Spazierstock. BURKHARD MÜLLER
VIRGINIA WOOLF: Tagebücher, Bd. 5: 1936-1941. Aus dem Englischen von Claudia Wenner, herausgegeben von Klaus Reichert. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 601 Seiten, 39 Euro.
„Permanenter Besuch ist genauso schlecht wie Einzelhaft”, schrieb die englische Schriftstellerin Virginia Woolf am Ende ihres Lebens. „L. macht den Rhododendron” lautet der letzte Tagebucheintrag vor ihrem Selbstmord 1941. Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Weg der "spitze Übermut", die karikaturistische Figurenzeichnung, das Amüsement bei der Lektüre. Burkhard Müller entgeht nicht die Veränderung zum Ende hin, die diesen fünften und letzten Band der Tagebücher Virginia Woolfs prägt. Das Wissen um dieses Ende macht den Rezensenten "beklommen", und er sucht und findet Indizien dafür allenthalben: Das Verhältnis zu den Dienstboten ändert sich, der Ton wird humaner, die Depression hinterlässt Spuren im Text. So sehr Müller auch die Traurigkeit und Ermattung Woolfs aus diesen Texten herauslesen kann, so sehr hat ihn die Lektüre beglückt - als vom Herausgeber Klaus Reichert gewissenhaft kommentierte, von Claudia Wenner sorgfältig übersetzte Edition.

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