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Im Streit um die amerikanische Außen- und Anti-Terror-Politik seit dem 11. September 2001 gibt es einen beherrschenden Kampfbegriff: Neokonservatismus. Eine Clique neokonservativer Ideologen, so der Vorwurf, habe den intellektuellen Hintergrund für den neuen amerikanischen Imperialismus und besonders für den Krieg gegen den Irak geschaffen. Wer aber sind diese Neocons, was macht den Kern ihres Denkens aus und wie haben sie auf die Politik der Weltmacht Einfluss genommen? Patrick Keller, gründlicher Kenner der amerikanische Geistesgeschichte und der internationalen Politik, legt die erste in…mehr

Produktbeschreibung
Im Streit um die amerikanische Außen- und Anti-Terror-Politik seit dem 11. September 2001 gibt es einen beherrschenden Kampfbegriff: Neokonservatismus. Eine Clique neokonservativer Ideologen, so der Vorwurf, habe den intellektuellen Hintergrund für den neuen amerikanischen Imperialismus und besonders für den Krieg gegen den Irak geschaffen. Wer aber sind diese Neocons, was macht den Kern ihres Denkens aus und wie haben sie auf die Politik der Weltmacht Einfluss genommen? Patrick Keller, gründlicher Kenner der amerikanische Geistesgeschichte und der internationalen Politik, legt die erste in die Tiefe gehende Studie der Neocons vor. Er schildert, wie eine militante Denkschule und ihre führenden Vertreter unter den Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush die amerikanische Strategie prägten - und die USA schließlich mit ihrer einseitigen Politik der Stärke in das Desaster des Irak-Krieges führten, mit dessen Folgen nun nicht nur sie zu ringen haben. In brillanten Portraits der 'Väter' der Neocons wie Irving Kristol und Norman Podhoretz, Henry Jackson und Nathan Glazer zeichnet Keller zunächst die Entstehungsgeschichte des Neokonservatismus seit dem in den 1960er Jahren erfolgten Bruch mit dem Linksliberalismus nach und entfaltet sodann den ideologischen Hintergrund der Außenpolitiken der Reagan- und Bush-Administrationen. Diese erste umfassende und ausgewogene Studie des Neokonservatismus ist eine fesselnde Pflichtlektüre für alle, die sich in der Beschäftigung mit den USA und ihrer Politik nicht mit Klischees begnügen wollen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2008

Macht und Ohnmacht
Die neokonservative Politik der Vereinigten Staaten gefährdet langfristig ihre eigenen Grundlagen
Robert Kagan liebt klare Unterscheidungen: Gut und Böse, Macht und Ohnmacht, Mars und Venus in der transatlantischen Welt und nun Demokratien und Autokratien. Daher glaubt der Kolumnist der Washington Post auch nicht, dass eine liberale Weltordnung allein auf dem Sieg von Ideen und auf der natürlichen Entfaltung des menschlichen Fortschritts beruhen kann. Für Kagan fällt die globale Verschiebung zur freiheitlichen Demokratie mit der historischen Verschiebung im Machtgleichgewicht hin zu jenen Nationen und Völkern zusammen, die der liberaldemokratischen Idee den Vorzug gaben: Sie begann mit dem Sieg über den Faschismus, auf den ein Sieg der Demokratien über den Kommunismus folgte.
Doch diese Siege waren weder zwangsläufig, noch müssen sie von Dauer sein. Heute schwächt das Wiedererstarken großer autokratischer Mächte wie Russland oder China zusammen mit dem
reaktionären islamischen Radikalismus diese Ordnung. Damit das nicht so weitergeht, teilt Kagan den Globus nach zwei Weltkriegen und einem kalten Krieg erneut in Gut und Böse auf. Und er braucht neue Instrumente, um die völkerrechtliche Legitimität von Aktionen demokratischer Staaten zu garantieren. Der UN-Sicherheitsrat, gespalten in demokratische und autokratische Mitglieder, erfüllt diesen Zweck nicht zu Kagans Zufriedenheit. Daher fordert er einen Bund der Demokratien, der Interventionen wie die der Nato im Kosovo legitimieren soll.
Woher solche Ideen stammen, die elementare Lehren aus der Geschichte demokratischer Staaten ausblenden wie die, dass Demokratien Kriege meist nur dann auch politisch gewonnen haben, wenn sie sich im engeren Sinne verteidigt und nicht als Erste zu den Waffen gegriffen haben, schildert Patrick Keller in seiner brillanten Studie über den amerikanischen Neokonservatismus, dem auch Kagan anhängt. Entstanden aus einer Abwendung vom liberalen Mainstream enttäuschter Intellektueller, wie ihn die Demokratische Partei seit Franklin D. Roosevelt verkörpert hatte, handelt es sich beim Neokonservatismus um eine Geisteshaltung, die aus den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der 60er Jahre hervorgegangen ist.
Sein heutiges Markenzeichen, die Beschäftigung mit außenpolitischen Fragen, entwickelte der Neokonservatismus erst aus seinem innenpolitischen Antrieb heraus: der Übertragung des antikommunistischen beziehungsweise proamerikanischen Kampfes im Innern auf die Weltbühne. Diese Spannung zwischen innen und außen, die Besonderheit der Motivation und des Blickwinkels sowie das späte Hinzutreten zu etablierten außenpolitischen Zirkeln brachten den Neokonservativen eine Außenseiterrolle ein, die bis heute anhält. Dieser unbehauste Hintergrund begünstigt nach Kellers Untersuchung auch das wichtigste Merkmal der neokonservativen Außenpolitik: die Vermischung des auf Werten basierenden, optimistischen und fortschrittsgläubigen Idealismus mit einem interessegeleiteten, bellizistischen und nationalstaatsfixierten Realismus.
Die Frage, ob die Neokonservativen die beste Strategie zur globalen Durchsetzung des liberalen Ideals der individuellen Freiheit und der Menschenrechte verfolgen, erscheint bei Keller rhetorisch. Der Koordinator Außen- und Sicherheitspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, einer Einrichtung, die des Antiamerikanismus kaum verdächtig sein dürfte, verweist zu Recht auf den Hochmut und auf die Überschätzung militärischer Macht in der internationalen Politik. Hochmütig ist die Annahme, die eigenen, als universell verstandenen Werte in fremden Kulturen zu verbreiten, werde dort auf Zustimmung, gar Begeisterung stoßen. Eine Hybris, die sich auch in der Ignoranz gegenüber wohlmeinenden Einwänden und Ratschlägen der Bündnispartner zeigt. Ein Hochmut, der die Kehrseite der eigenen Selbstgewissheit und der Begeisterung für die eigene Nation, die eigene Kultur bildet.
Angesichts der ernüchternden Erfahrungen in Afghanistan und im Irak stellt sich die Frage nach der Zukunft der Neokonservativen. Keller macht ihr politisches Überleben von zwei Faktoren abhängig: von der weiteren Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere im Hinblick auf den Versuch einer Demokratisierung und Stabilisierung der Region und der Bekämpfung des Terrorismus; sowie von der Fortdauer des unipolaren Moments in der Weltpolitik als elementarer Voraussetzung für eine neokonservative Außenpolitik der USA.
Ist es für ein abschließendes Urteil über das Vorgehen im Irak noch zu früh, so kann auch über die Fortdauer von Amerikas heutigem Machtvorsprung gegenüber jedem anderen Staat der Erde lediglich spekuliert werden. So bleibt Keller nur, auf eine Ironie der Geschichte hinzuweisen: Gerade aufgrund der neokonservativen US-Außenpolitik haben die Vereinigten Staaten erheblich an Macht eingebüßt, nicht zuletzt an „Soft Power”. Die Umsetzung neokonservativer Politik im engeren Sinne gefährdet somit langfristig ihre eigenen Grundlagen.
Dennoch glaubt Keller nicht, dass der Neokonservatismus mit Bush von der politischen Bühne abtreten wird. In Europa wird unterschätzt, wie tief seine Geisteshaltung in der politischen Kultur der USA verwurzelt ist. Der revolutionäre Geist der Außenpolitik, der missionarische Liberalismus und die positive Einstellung zum Einsatz des Militärs bilden entscheidende Schnittstellen zwischen Neokonservatismus und allgemeiner politischer Kultur. Beim steten Pendelschlag der US-Außenpolitik zwischen Realismus und Idealismus wird sich nach Kellers luzider Analyse daher immer wieder Gelegenheit für die Neokonservativen finden, ihre Positionen einzubringen. Die transatlantische Debatte um Robert Kagans Idee eines Bundes der Demokratien führt dies einmal mehr vor Augen. THOMAS SPECKMANN
ROBERT KAGAN: Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung? Siedler Verlag, München 2008. 127 Seiten, 16,95 Euro.
PATRICK KELLER: Neokonservatismus und amerikanische Außenpolitik. Ideen, Krieg und Strategie von Ronald Reagan bis George W. Bush. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2008. 344 Seiten, 29,90 Euro.
Das Ende der Amtszeit von George W. Bush wird wohl nicht zugleich das Ende des Neokonservatismus bedeuten. Zu tief ist diese Geisteshaltung in der politischen Kultur der USA verwurzelt. Foto: laif
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eingenommen ist Rezensent Thomas Speckmann von Patrick Kellers Studie über den amerikanischen Neokonservatismus. Eingehend referiert er Kellers Ausführungen über die Entstehung des Neokonservatismus aus den gesellschaftspolitischen Kämpfen der 1960er Jahre sowie über sein heutiges Markenzeichen, die Außenpolitik. Die Außenpolitik dieser Prägung sei aus der Übertragung des antikommunistischen beziehungsweise proamerikanischen Kampfes im Innern auf die Weltbühne hervorgegangen. Speckmann hebt Kellers durchaus kritische Auseinandersetzung mit dem Neokonservatismus in den USA hervor. Zu Recht verweise der Autor in seinen Augen auf neokonservativen Hochmut und die Überschätzung militärischer Macht in der internationalen Politik. Bedenkenswert scheinen ihm auch die Überlegungen Kellers über Zukunft und Überlebensfähigkeit des Neokonservatismus. Dabei unterstreicht er dessen Einschätzung, die Umsetzung neokonservativer Politik im engeren Sinne gefährde langfristig ihre eigenen Grundlagen.

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