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Peter Handke wurde 2019 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er ist einer der umstrittensten und produktivsten Autoren der Gegenwart. Sein Bild in der Öffentlichkeit ist von Extremen geprägt: Hohepriester der Kunst, einsamer Mönch, Serbenfreund. Wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Bildern? Auch sein Leben erscheint als Gratwanderung zwischen Extremen: zwischen Einsamkeit und Liebe, Menschenscheu und Ruhmsucht, Sprache und Politik, Traum und Welt. Malte Herwig führte lange Gespräche mit dem Dichter, dessen Verwandten, Weggefährten und Kontrahenten, und er erhielt Einsicht in…mehr

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Produktbeschreibung
Peter Handke wurde 2019 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er ist einer der umstrittensten und produktivsten Autoren der Gegenwart. Sein Bild in der Öffentlichkeit ist von Extremen geprägt: Hohepriester der Kunst, einsamer Mönch, Serbenfreund. Wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Bildern? Auch sein Leben erscheint als Gratwanderung zwischen Extremen: zwischen Einsamkeit und Liebe, Menschenscheu und Ruhmsucht, Sprache und Politik, Traum und Welt. Malte Herwig führte lange Gespräche mit dem Dichter, dessen Verwandten, Weggefährten und Kontrahenten, und er erhielt Einsicht in unveröffentlichte Texte Handkes. So entstand eine aufschlussreiche und kontroverse Biographie.
  • Um ein umfangreiches Kapitel und viele neue Fotos ergänzt und aktualisiert
  • Mit zahlreichen Abbildungen: unveröffentlichte Fotos, Faksimiles von Tagebuchseiten sowie Zeichnungen und Skizzen von Handke.
  • Die einzige umfassende Biographie des umstrittenen Dichters.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Malte Herwig, geboren 1972 in Kassel, studierte Literatur, Geschichte und Politik und promovierte an der Universität Oxford. Er arbeitete als Autor für das Magazin der »Süddeutschen Zeitung«, »Spiegel« und »Stern« und veröffentlichte mehrere Bestseller, darunter »Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden« (2013), »Die Frau, die Nein sagt« (2015) über die Malerin und Picasso-Muse Françoise Gilot und »Meister der Dämmerung« (2020), die Biografie des Literaturnobelpreisträgers Peter Handke. 2019 erfand Herwig den preisgekrönten Podcast »Faking Hitler« über die gefälschten Hitler-Tagebücher. Zuletzt erschien von ihm 2021 »Der große Kalanag« über den Zauberkünstler Helmut Schreiber.

@malteherwig

www.publicorum.com
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2010

Mit der Geißel der Klugheit geschlagen

Malte Herwig hat Peter Handkes Biographie geschrieben. Er zeigt den berühmten und umstrittenen Schriftsteller wirkungsvoll als "Meister der Dämmerung".

Von Felicitas von Lovenberg

Bei Biographien lebender Künstler gibt es nur zwei Wege: den dafür und den dagegen. Im angelsächsischen Raum kennt man die "authorized biography", also das erwünschte Bild, das unter Mitwirkung des Geschilderten entstanden ist und mit seiner ausdrücklichen Billigung unter die Leute gebracht wird, sowie ihr süffiges, enthüllungsgetriebenes, selbstredend unautorisiertes Gegenstück.

Just 2008, jenem Jahr, in dem Malte Herwig die Arbeit an seiner Handke-Biographie aufnahm, machte in der englischsprachigen Welt Patrick Frenchs V. S. Naipaul-Biographie "The World Is What It Is" Furore. Über fünf Jahre hinweg hatte French Gespräche mit dem als schwierig geltenden Nobelpreisträger geführt und uneingeschränkten Zugang zu dessen Privatarchiv bekommen. Von Naipaul autorisiert, zeichnet die umfassende Biographie das ungeschönte Bild eines abstoßenden Narziss, der sich die Menschen unterwirft, und bizarr-genialen Autors, der Trinidad und Indien niedermacht und doch schreibend von seinen Herkunftsländern nicht lassen kann. Keinen geringen Teil ihrer Spannung bezieht die hochintelligente Biographie aus der Frage, warum V. S. Naipaul bei der Entstehung dieses Porträts eines schlechten Menschen nicht nur mitgemacht hat, sondern ihm nach Fertigstellung sogar seinen Segen gab.

Über das Verhältnis zwischen Maler und Modell rätselt man auch bei der Lektüre von "Meister der Dämmerung", der Handke-Biographie des achtunddreißigjährigen Journalisten und Literaturwissenschaftlers Malte Herwig, der sich im Vorwort als Betrachter von "treusorgender Ironie" ausgibt, nah dran, doch unbeteiligt. Dass der Schriftsteller den Biographen in seiner Mission unterstützt hat, belegen zahlreiche Aussagen, zumal bei fünf über das vergangene Jahr verteilten Treffen, darunter eines in Handkes Kärntner Geburtsort Griffen und eines zusammen mit Luc Bondy in Paris. Handke hat Herwig Kontakte zu seinen Frauen und Freunden verschafft und ihm freien Zugang zu seinen Aufzeichnungen gewährt, auch zu den noch nicht im Vorlass in Marbach befindlichen Tagebüchern.

Eins ist sicher: Wer sich ausgerechnet Handke aussucht, diesen zutiefst zwiespältigen, mit sich selbst immer wieder zerfallenden Charakter, diesen Autor, der die Klarheit so sehr meidet, wie er die Schönheit sucht, der die Medien leidenschaftlich hasst und dabei wahrscheinlich mehr Interviews gegeben hat als jeder andere deutschsprachige Autor, dessen frühe Werke, Auftritte und Manifestationen so legendär sind wie manche seiner späteren Bücher, Äußerungen und Aktionen umstritten, geht gleich mehrere Wagnisse auf einmal ein. Und die brennendste Frage, auf die man sich hier endlich eine Antwort erwartet, formuliert der Biograph selbst: "Warum stellt sich Handke ausgerechnet zu den vor aller Welt als Verbrecher dastehenden Serben?"

Der Beginn einer Antwort auf dieses und viele weitere Rätsel, die dieser Dichter aufgibt, liegt in Handkes Herkunft und Jugend. Malte Herwig lässt seine Biographie wie einen Roman beginnen, mit der von Dämonen und Höllenlärm begleiteten Geburt eines außergewöhnlichen Knaben am Abend des Nikolaustages 1942. Die Leute seien von der Straße gelaufen gekommen, um es zu bestaunen: "Welch Grazie! Welch Hoheit!" Den Jungen, der auf den Namen eines Deutschen, des Berliner Unteroffiziers Adolf Bruno Handke, getauft wird, der zwar nicht sein Vater, aber kurz vor seiner Geburt der Ehemann der Mutter geworden ist, wird diese "Grundspannung" ein Leben lang begleiten, bis in sein jüngstes Werk, das Familiendrama "Immer noch Sturm" (Rezension unten auf dieser Seite). Der von Handke als Fluch empfundene Umstand, tatsächlich Sohn eines Deutschen zu sein, wird durch die Entdeckung wettgemacht, dass der von ihm verachtete Bruno Handke nur sein Stiefvater ist. Peter Handke ist achtzehn, als sein Gefühl der Besonderheit, das ihn schon während der Schulzeit auf dem Marianum in Tanzenberg von den Kameraden abhebt, endlich eine Bestätigung jenseits der Noten erfährt: "Gott sei Dank, dass ich das einzige Kind meiner Eltern bin." Nachdem seine Mutter durch einen dringlichen Brief, den Herwig ausführlich zitiert, den Kontakt zu seinem leiblichen Vater Erich Schönemann hergestellt hat, schreibt der Sohn seinem neuen Vater noch vor der ersten Begegnung: "Mein lieber Vater! Jetzt hab' ich es also geschrieben. Ich bin so froh, nach nahezu neunzehn Jahren endlich jemanden zu haben, zu dem ich es sagen kann, ohne dass ich mich dazu zwingen muss . . ." Nachdem er dem Vater Fragen über Fragen zu seiner Familie, seinem Wohnort, seinen Interessen gestellt hat, schreibt er: "Der ist aber neugierig, wirst Du sagen. Nein, eigentlich bin ich es sonst nicht, ich bin eher verschlossen, wie man so sagt (übrigens ein dummes Wort: ,verschlossen') - ich denke, ich bin zu 25 % nach Mama, zu 25 % (nach dem, was Mama mir über Dich erzählte) nach Dir, und die übrigen 50 % sind wohl neu, denke ich, vielleicht wirst Du sie kennenlernen (die 50 %); sie sind ein wenig außergewöhnlich, wenn ich so sagen darf, ohne eingebildet zu erscheinen, sogar seltsam."

Dies ist die zentrale Stelle der aufschlussreichsten Quelle zum Orakel Handke: er selbst, ganz unverstellt. Zugleich sind es intime Einblicke in die "verlorene Kindheit", aus der Handkes Erzählung, die immer eine Erzählung der Selbsterkundung ist, strömt. Immer wieder erlebt man diesen kindlichen Peter Handke in den Briefen an seinen Vater Erich Schönemann, mit dem er bis zu dessen Tod 1993 in enger, meist schriftlicher Verbindung bleibt, und Malte Herwig zitiert klug und ausgiebig daraus - sind die bislang unbekannten Briefe doch das Hauptereignis seines Buchs. Aufgetan hat sie der Biograph in Schleswig-Holstein bei Handkes fast gleichaltrigem Halbbruder Heinz, den der Schriftsteller indes erst beim Begräbnis des gemeinsamen Vaters kennenlernte.

Was die Briefe so ungeheuerlich, ja im Kontext dieser Biographie geradezu unheimlich macht, ist der offenkundige Wunsch des Sohns, dem Vater zu gefallen, ihn stolz zu machen - ein natürlicher Instinkt, der bei Handke ansonsten ausgeschaltet scheint. Möglicherweise, so muss man nach dieser Lektüre vermuten, war sein Vater der einzige Mensch, um den sich Peter Handke je bemüht hat - allen anderen, Männern wie Frauen, gewährt er höchstens die Gunst seiner Aufmerksamkeit, und sei sie noch so gereizt.

Das Königsmotiv zieht sich durch das ganze Buch. "Arm von Geburt, wird er durch seinen Weltekel geadelt", schreibt Herwig gleich zu Beginn, und in fast allen Gesprächen, die er wiedergibt, blitzt die Beobachtung auf, dass "der Peter was Besseres war", wie es Rosemarie, die Frau von Hans, Handkes Halbbruder mütterlicherseits, ausdrückt. Alle anderen aber geraten in Schwärmen. Die Mutter Maria schreibt an Erich Schönemann, der gemeinsame Sohn, der "mit der Geißel der Klugheit geschlagen sei", entlohne sie "mit seinem Dasein für alle Enttäuschungen und Mühsal". Die Verehrung, Demut, ja Dankbarkeit, mit der sich frühere Geliebte und enge Freunde wie Hubert Burda oder Luc Bondy über Handke äußern, bekommt etwas Beklemmendes - zumal Herwig keinen Zweifel daran lässt, dass der jugendliche Jähzorn, in dem der "Vorzugsschüler" und "Kindkaiser" den jüngeren Geschwistern "oft eine gedonnert" hat, mit dem Alter nicht gewichen, sondern als "heiliger Zorn" lediglich subtilere Formen angenommen hat. "Von sich aus" sei er aber nie gewalttätig geworden, erzählt die Schauspielerin Libgart Schwarz, Handkes erste Ehefrau, der er einmal schreibt: "Was ich verlange, ist nur ein freier Raum für mich, und dass Du mir erlaubst, Dich ein bisschen mir anzupassen."

Was dem sich mit dem Regisseur John Ford identifizierenden, so gar nicht staatstragenden Cowboy-König indes lange Zeit fehlt, ist ein imaginäres Reich, durch das es sich immer wieder einsam stapfen lässt. Und es muss, soviel wird deutlich, ein dunkles Land sein. Das Irrlicht Peter Handke erscheint wie eine Art umgekehrter Vampir, der in der Nacht zum Mensch wird: "Denn mit dem Morgen bricht für den Meister der Dämmerung die Stunde des Schreibens an" - und damit der Verwandlung. Der "Übergang vom Traum zum Wachsein" definiert Handkes Literatur, weil der Tag die Person vom Autor scheidet. Diese Beobachtung markiert gewissermaßen Anfang und Ende von Malte Herwigs Beschäftigung mit Handke. Als er in Marbach erstmals die Tagebücher einsah und seine Eindrücke im "Spiegel" zusammenfasste, notierte er erstmals jenen wichtigen Satz Handkes: "Ich habe fast im Dunkeln zu schreiben angefangen, und jetzt sehe ich schon meine Buchstaben."

Auch der Leser sieht die Buchstaben des Dichters, aber er kann sie auch nach dieser Biographie nicht immer entziffern. Malte Herwig, in Harvard und Oxford im Mut zur Monumentalität und gegen akademische Puzzleleien geschult, weiß den gewaltigen Stoff spannend zu bündeln und formuliert glänzend, durchquert das Handkesche Zentralmassiv aber doch allzu sehr mit Siebenmeilenstiefeln - und folgt damit wohl eher unabsichtlich der Handkeschen Überlegung aus "Wunschloses Unglück", dass mancher "sich eher mit Formulierungen identifizieren kann als mit bloß berichteten Tatsachen". Die rasante Mischung von kapitelweise gesetzten Entwicklungsstufen und Themen, unterlegt mit grober Chronologie, kaschiert die selbstbewusst in Kauf genommenen Brüche, bei denen mitunter ein ganzes Jahrzehnt übersprungen wird. Von einer so offensichtlichen Schwäche abgesehen wie jener, dass Herwig ausschließlich mit Handke-Freunden gesprochen zu haben scheint - Marcel Reich-Ranicki habe, so ist den Fußnoten zu entnehmen, ihn damit beschieden, dass er auch viel Positives zu Handke geschrieben habe -, bleibt in der Engführung, ja Überblendung von Person und Werk Handkes schriftstellerisches OEuvre letztlich unerschlossen, weil rein auf biographischen statt poetologischen Gehalt gemustert. Dieses Desinteresse an dem Schriftsteller gegenüber der Person Handke spiegelt sich auch in der Leerstelle Suhrkamp, Handkes publizistischer Heimat seit seinem Debüt 1965. Es gibt eine einzige Erwähnung eines Briefes von Ulla Unseld-Berkéwicz, aber keinerlei Hinweis darauf, dass Herwig mit irgendeinem Suhrkamp-Mitarbeiter über den Autor gesprochen hat, geschweige denn mit Handkes Lektor Raimund Fellinger, der den Autor 1996 bei seinem Treffen mit Serbenführer Radovan Karadzic begleitet hat.

Während Malte Herwig in den ersten, den besten Kapiteln seiner Biographie einen Chor der Stimmen zu orchestrieren versteht, verstummt dieser mit dem Fortschreiten des Buches, da Handkes rasender früher Erfolg von anschwellenden Kontroversen verdrängt wird. Immer stärker treten die Kommentare erklärter Handke-Freunde in den Vordergrund, entsteht das Bild eines Mannes, der keinen Dissens mit seinen Jüngern duldet, immer schwieriger und unverständlicher wird. In den Kapiteln "Jugoslawien" und "Sturm" gerät Herwig endgültig ins Schlittern - und macht sich die verlegene Haltung von Handkes Freunden zu eigen: ",Ich habe die Diskussion über die serbische Geschichte nicht völlig gemieden', erzählt etwa Peter Stephan Jungk, ,das konnte man ja nicht. Aber ich habe sie nie weit getrieben, weil ich wusste, ich habe die Wahl: Das zu akzeptieren oder die Freundschaft zu verlieren.'" Was bleibt, sind Teilerklärungen: Jugoslawien als Handkes "Schreibland", ein mythisches Reich, das er nicht preisgeben kann - auf der kroatischen Insel Krk beendete der Student 1964 seinen Debütroman "Die Hornissen". Immerhin: Das "Geheimnis von Handkes Schreiben" wird zwischen all den Liebesgeschichten und Literaturskandalen doch gelüftet, es verbarg sich in "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994). "Nur durch Verrat bleibt er sich treu", lautet Herwigs knappe Analyse.

Dem Verlag zufolge hat Peter Handke seine Zitate, nicht jedoch das Manuskript autorisiert. Eine Reaktion von ihm auf Malte Herwigs "Meister der Dämmerung" ist bisher nicht überliefert. Vielleicht hält er es wie V. S. Naipaul, der sich mit Patrick Frenchs Werk einverstanden erklärte, es aber gar nicht erst las.

Malte Herwig: "Meister der Dämmerung". Peter Handke. Eine Biographie.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010. 364 S., Abb., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.11.2010

Der Schwierige
Selbst noch in der Distanz, die er wahrt, verwandelt er sich dem Dichter an, anstatt ihm als selbstbewusster Journalist entgegenzutreten: Malte Herwig s Peter-Handke-Biographie
Am Beginn dieses Buches geht die junge Maria Siutz im Frühling des Kriegsjahres 1942 beschwingt durch Klagenfurt. Der Biograph des Kindes, das in diesem Frühjahr der deutsche Wehrmachtsoffizier Erich Schönemann mit ihr zeugt, begleitet sie und schaut ihr im Präsens über die Schulter. „Sie hat sich fein herausgeputzt und ist ein bisschen aufgeregt, als sie in die Paradeisergasse einbiegt und das Hotel Tigerwirt betritt.“ Er ist auch dabei, wenn am Nikolaustag 1942 das Kind geboren wird: „Ein Schrei gellt durch die niedrige, dürftige Stube. Ganz und gar nicht der Schrei eines Neugeborenen, sondern einer, der wie aus dem Innern eines Grabes schallt.“
Den Schrei aus dem Grab hat Malte Herwig einem Buch von Peter Handke entnommen. Die Biographie, die er dem Autor zu Lebzeiten widmet, ist ein Projekt der Einfühlung. Noch die Distanz, die er gegenüber Peter Handke wahrt, formuliert der Biograph mit einer Formel, die Handke selbst geprägt hat: „Natürlich will ein Künstler nicht bewundert, sondern in treusorgender Ironie betrachtet werden.“
Maria Siutz hat noch vor der Geburt des Sohnes einen anderen deutschen Wehrmachtssoldaten, den Unteroffizier Bruno Handke, geheiratet. Wer sein leiblicher Vater ist, hat Peter Handke erst mit knapp 18 Jahren erfahren. Malte Herwig ist dieser Familienkonstellation wie überhaupt der Herkunftsgeschichte Handkes sehr genau nachgegangen. Ihm entgeht dabei nicht, dass der Name Handke in ganz Österreich kaum mehr als ein Dutzend mal, aber allein im Berliner Telefonbuch über achtzig mal vorkommt. Die „Grundspannung“ aber, die er gleich zu Beginn am Namen „Peter Handke“ abliest, umschreibt er als „das ewige Gefühl von Unbehaustheit, das ihn zu einem Wanderer zwischen den Welten“ macht.
Dass hier wie in manchen anderen Passagen der Biograph, der Journalist und Germanist in einer Person ist, mit einer „poetischen“ Sprache kokettiert, ist schade. Denn die raunenden Obertöne verdunkeln auch dann, wenn sie Goethe zitieren („Handkes Werke sind Bruchstücke einer großen Konfession“), die Stärken seines Buches, die allesamt der findigen, ertragreichen Recherche entspringen. So gibt sich Herwig nicht damit zufrieden, die Aversionen, die Peter Handke nicht nur in seiner Kindheit gegen seinen Stiefvater Bruno Handke hegte, und den Kontakt, den er als junger Mann zum leiblichen Vater aufnahm, aus den Briefen, Familiendokumenten und Tagebuchaufzeichnungen herauszulesen, die Handke selbst ihm bereitwillig zur Verfügung gestellt und in ausführlichen Gesprächen erläutert hat.
Es ist ihm zudem gelungen, bei den Erben des leiblichen Vaters Einblick in dessen Briefwechsel mit seinem Sohn zu erhalten. An Erich Schönemann schreibt der 19-jährige Peter Handke Ende Mai 1962, knapp drei Jahre, nachdem die Kärntner Volkszeitung sein Debüt, die Erzählung „Die Namenlosen“ gedruckt hat: „Wenn man mich jedoch fragen würde, warum ich schreibe, ich würde gar nicht wissen, was ich antworten sollte. Etwa, um Geld zu verdienen? Das wäre etwas zu einfach, obwohl es gar nicht ganz daneben geht. Oder, um den Leuten zu imponieren? Welchen Leuten? Den Mädchen, sagen wir. Vielleicht auch gar nicht so ganz daneben, wenn wir ganz ehrlich sein wollen. Aber wenn ich’s bedenke, ich glaub es trifft doch nicht zu. Ich glaube, ich würde im Innern an das Wort von Franz Kafka denken: er schreibt, um zu sein.“
Das Archiv des bischöfliche Priesterseminar Marianum in Tanzenberg, in das Peter Handke im September 1954 eintrat und dem er im Oktober 1959 entfloh , hat Malte Herwig mit Gewinn besucht, ebenso den Gymnasiallehrer Reinhard Musar, der seinen begabten Schüler förderte. So erhält die frühe Lektüre William Faulkners den sie umschließenden Raum – und der spektakuläre Auftritt Handkes in der „closed room“-Welt der Gruppe 47 bei deren Tagung in Princeton 1967 eine Vorgeschichte. Robert Musil, den Handke nicht mag, hat das Paradoxon „aktive Passivität“ einmal als „das Warten eines Gefangenen auf die Gelegenheit zum Ausbruch“ definiert. Malte Herwig zeichnet die aktive Passivität des Jura-Studenten Handke in Graz einschließlich seiner Radiofeuilletons detailreich nach, ebenso den Aufstieg zu einer Art Popstar der Literatur seit den späten 1960er Jahren.
Er spiegelt dabei gern das Leben seines Helden in dessen Theaterstücken („Publikumsbeschimpfung“, „Kaspar“) und Büchern. Handke selbst hat den Selbstmord seiner Mutter in „Wunschloses Unglück“ (1972) beschrieben, sein Biograph komplettiert und korrigiert das Bild der Herkunftsfamilie nun durch Gespräche mit den Halbgeschwistern Handkes. Eine Soziologie der literarischen Karriere Handkes hat Malte Herwig nicht schreiben wollen. Stattdessen nimmt das Privat- und Familienleben des zunehmend prominenten Autors weiten Raum ein. Alle Figuren, zumal die Frauen, die ins Werk eingegangen sind, verwandelt der Biograph zurück in Lebensbegleiter. Mit Libgart Schwarz, Marie Colbin und Sophie Semin hat er gesprochen, auch mit Handkes Tochter Amina; Jeanne Moreau und Katja Flint mochten ihm nicht Auskunft geben.
Dort, wo diese Biographie an die Homestory grenzt, sitzt der Biograph in der Brasserie Lipp am Boulevard St. Germain, während der Dichter „eine Flasche Sancerre bestellt und sein Armani-Jackett lässig über den Stuhl wirft“ und am Ende „die schwarze Visacard“ zückt, um die Freunde auszuhalten. Zuvor hat er wie aus der Pistole geschossen in EinWort-Sätzen über Kollegen wie Ingo Schulze oder Orhan Pamuk Urteile gefällt, die einem Verriss von Reich-Ranicki Ehre machen würden. Es scheint, als hause auch im lässig-mondänen Dichter der jähzornig-rücksichtslose Schwierige, als der Peter Handke durch dieses Buch geht, zum Niedermachen von Freunden ebenso in der Lage wie zu grenzenloser Hingabe und zu grenzenlosem Dank, etwa gegenüber dem Dichter Hermann Lenz, der ihm aus einer Schreibkrise geholfen hat.
Schade nur, dass der Biograph Peter Handke kaum einmal als selbstbewusster Journalist gegenübertritt. Auch nicht, wenn er noch einmal Handkes Anschreiben gegen den Zerfall Jugoslawiens, seinen Protest gegen die Bombardierung Serbiens und seinen öffentlichen Auftritt am Grab von Slobodan Milosevic Revue passieren lässt. Stets hat Handke betont, politische Gesten wie diese seien nicht aus der Loyalität zu Milosevic, sondern aus der Loyalität „zu jener anderen, der nicht journalistischen, der nicht herrschenden Sprache“ hervorgegangen. Es ist aber alles andere als selbstverständlich, dass im Blick auf Srebenica eine Zeitungsreportage prinzipiell weniger wahrheitsfähig sein soll als die Sprache, die Handke am Grab von Milosevic gesprochen hat.
LOTHAR MÜLLER
MALTE HERWIG : Meister der Dämmerung. Peter Handke. Eine Biographie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010. 368 Seiten, 22,99 Seiten Euro.  
Im Werk spürt der Biograph
die Lebensbegleiter auf
Zwei Passbilder aus den 1960er Jahren: links der Jurastudent, rechts der als „fünfter Beatle“ gefeierte Jungautor; eine Gewohnheit von Peter Handke ist es, im Freien zu schreiben.
Fotos: Archiv Österreichische Nationalbibliothek (oben), Malte Herwig
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sozusagen halb autorisiert ist diese erste Biografie Peter Handkes: Die Zitate sind es, ausführliche Gespräche gewährte der Dichter seinem Lebensbeschreiber auch. Was aber Handke vom Buch insgesamt hält, weiß man nicht. Felicitas von Lovenbergs Haltung dagegen ist ziemlich klar, nämlich ambivalent. Vor allem die Kapitel über die frühen Jahre findet sie dicht, informativ, interessant. Schreiben könne der Literaturwissenschaftler Malte Herwig hervorragend, kein falscher Jargon gerate ihm ins Erzählen. Insgesamt zufriedenstellend ist das Werk für die Rezensentin dennoch aus mehreren Gründen nicht. Zum einen gebe es immer wieder recht erstaunliche Auslassungen und Brüche. Zum zweiten gehe Herwig auf das Werk als solches kaum ein, nutze es nur als Steinbruch für biografische Informationen. Und zum dritten werde sehr deutlich, dass er nur mit freundlich gesinnten (und freundlich gesinnt gebliebenen) Wegebegleitern gesprochen hat. Anders als etwas einseitig positiv konnte diese Biografie dann wohl, meint von Lovenberg skeptisch, kaum ausfallen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine ungemein kundige - und, ja, auch kritische - Biografie über Peter Handke." Tiroler Tageszeitung