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Über die Darstellung von Krieg im Hollywood-Film
Amerikas traumatische Kriegsgeschichte wird am ehesten verständlich, wenn man sie durch die Linse von Filmen erfasst. In den Erzählungen von Schlachten und Feldzügen, von Frontereignissen und dem Schicksal Daheimgebliebener kann Krieg für uns erfahrbar gemacht werden.
In ihrer brillanten Analyse zentraler Klassiker von 'All quiet on Western Front' bis zu den aktuellen Produktion wie 'Flags of our Fathers' gelingt es Elisabeth Bronfen, Hollywood als zentralen Ort zu dechiffrieren, an dem die großen nationalen Erzählungen in Umlauf gebracht
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Produktbeschreibung
Über die Darstellung von Krieg im Hollywood-Film

Amerikas traumatische Kriegsgeschichte wird am ehesten verständlich, wenn man sie durch die Linse von Filmen erfasst. In den Erzählungen von Schlachten und Feldzügen, von Frontereignissen und dem Schicksal Daheimgebliebener kann Krieg für uns erfahrbar gemacht werden.

In ihrer brillanten Analyse zentraler Klassiker von 'All quiet on Western Front' bis zu den aktuellen Produktion wie 'Flags of our Fathers' gelingt es Elisabeth Bronfen, Hollywood als zentralen Ort zu dechiffrieren, an dem die großen nationalen Erzählungen in Umlauf gebracht werden, damit das Publikum sich auf Phantasien, Ideologien und Ängste einlassen kann - und die flexibel genug sind, sich dem wechselnden politischen Klima anzupassen.
Autorenporträt
Bronfen, ElisabethElisabeth Bronfen ist Professorin am Englischen Seminar der Universität Zürich. Sie promovierte und habilitierte an der Universität München und hat zahlreiche vielbeachtete Werke in den Bereichen gender studies, Psychoanalyse, Film- und Kulturwissenschaften verfasst, zuletzt 'Liebestod und Femme Fatale. Der Austausch sozialer Energien zwischen Oper, Literatur und Film' ( 2004), 'Tiefer als der Tag gedacht. Eine Kulturgeschichte der Nacht' (2008) und 'Crossmappings. Essays zur visuellen Kultur' (2009).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Elisabeth Bronfen hat mit ihrem Buch "Hollywoods Kriege" keine Polemik gegen eventuelle US-Propaganda in Filmstreifen geschrieben, sondern eine kluge und offene Analyse jenes Genres, das die Erfahrung des Krieges einzufangen versucht, berichtet Cristina Nord. Dabei sind vor allem drei Eckpunkte für jeden Kriegsfilm wichtig, erklärt die Rezensentin: der konkrete Krieg, die Entstehungszeit des Films und die Positionierung, sei es durch Anlehnung oder Abgrenzung, gegenüber vorangegangenen Filmen. Steven Spielberg griff für die Szene der Landung in der Normandie in "Saving Private Ryan" auf "alle Register des Genregedächtnisses" zurück, erfährt Nord, was allerdings gerne untergeht, wenn man die Zitate nicht erkennt oder vom Geschehen zu sehr gebannt ist. Der Kriegsfilm will die Kriegserfahrung verständlich machen, woran er zwangsläufig scheitern muss - und so bleibt das Genre in immer neuen Anläufen erhalten, erklärt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2014

Kino als Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln

Elisabeth Bronfen untersucht, wie Hollywood in seinen Filmen von den Kriegen erzählt: als Einsatz für die gute Sache, tragische Verstrickung und Lehrstück über politische Fehler.

Wenn die politischen Folgen eines Krieges kein Rolle mehr spielen und die von ihm ausgegangenen sozialen Erschütterungen schon lange vergessen sind, dann bleiben doch die literarischen und historischen Texte, die von dem einmal als grauenhaft und dann auch wieder als großartig dargestellten Geschehen berichten. Wo es solche Texte nicht gibt, ist das Geschehene, so umstürzend es gewesen sein mag, der Vergessenheit anheimgefallen. Was sich einst vor Troja wirklich abgespielt hat, wissen wir nicht, und letzten Endes ist es uns auch egal. Doch die "Ilias", die von diesem Krieg berichtet, ist die paradigmatische Erzählung von den unterschiedlichen Arten des Kämpfens, von der Trauer um die Getöteten und von den leidenschaftlichen Empfindungen derer, die sich immer wieder zum Kampf stellen.

Der Text ist unendlich wichtiger als das, wovon er berichtet, und wenn seit Schliemann mit Spaten und Verstand nach dem historischen Kern des großen Kriegsepos gesucht wird, dann nicht um des historischen Ereignisses, sondern um der Verifikation des Textes willen. Wie der Peloponnesische Krieg und die Punischen Kriege ausgegangen sind, spielt für die politische Ordnung des mediterranen Raums schon lange keine Rolle mehr, aber die Darstellungen dieser Kriege durch Thukydides, Polybios und Livius prägen nach wie vor unsere Vorstellung davon, was ein Krieg ist, wie er geführt wird und welche politischen und militärischen Fehler in ihm gemacht werden können. Das Ereignis selbst verschwindet im Strom der Geschichte; seine literarische Repräsentation jedoch verselbständigt sich und wird zum Muster, nach dem wir die Ereignisse unserer Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit wahrnehmen und beurteilen.

Die Züricher Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen orientiert sich an diesen Beobachtungen, wenn sie die mit dem Krieg beschäftigten Hollywood-Filme der letzten hundert Jahre Revue passieren lässt: Sie interessiert sich kaum für die Ereignisse, von denen in den Filmen gehandelt wird, sondern vor allem für die narrativen und filmtechnischen Muster, um einem Ereignis Bedeutung zu verleihen und es für die Zuschauer unterhaltsam und lehrreich zu erzählen. Manche Kriege, an erster Stelle sicherlich den Zweiten Weltkrieg, erzählt Hollywood als "gute Kriege", andere, wie den amerikanischen Bürgerkrieg, als tragische Verstrickung und wieder andere, wie den Vietnam-Krieg, als Ergebnis politischer Fehler und moralischer Hybris. Entscheidend ist die Dominanz der Ex-post-Perspektive: Es ist das Selbstverständnis der Vereinigten Staaten in diesen Filmen, das Bronfen beschäftigt. Daneben untersucht sie vor allem die Bezüge der Filme aufeinander, die offenen und versteckten Zitate und die damit vorgenommenen Umcodierungen eingeübter Wahrnehmungs- und Deutungsmuster. Es ist ein literatur- und filmwissenschaftliches, kein historisches Buch, das Bronfen geschrieben hat.

Wie Hollywood die Kriege erzählt, sind sie Heimsuchungen der Gegenwärtigen durch das Vergangene. Weil in ihnen die Geschichte mit ihren Opfern und Verstrickungen wieder zur Herausforderung wird, werden die im Frieden Lebenden durch eine Vergangenheit heimgesucht, deren Konflikte nach wie vor im Untergrund lauern und nur darauf warten, wieder virulent zu werden. Man könnte das als einen der Tricks abtun, mit denen es Hollywood ein ums andere Mal gelingt, Spannung zu erzeugen und seine Filme zu Kassenschlagern zu machen.

Für Bronfen hat es damit jedoch nicht sein Bewenden. Sie begreift die von den Filmen ausgehende Spannung als Indikator einer realen Gefahr: Mehrfach greift sie auf die Formel Michel Foucaults zurück, wonach der Frieden bloß die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln sei. Nimmt man Foucaults Variation des berühmten Clausewitz-Satzes ernst, dann wird in Krieg und Gewalt bloß sichtbar, was uns im friedlichen Alltag, in seinen Zerstreuungen und Sorglosigkeiten verborgen bleibt. Es ist die von der französischen Politik- und Sozialtheorie breit rezipierte These Nietzsches, wonach alles ein Kampf um Macht ist und noch im moralischen Konsens die eine Seite über die andere triumphiert, die Bronfens Einschätzung der existentiellen Bedeutsamkeit der Kriegsfilme zugrunde liegt. Dass sie dabei Nietzsche an keiner Stelle ihres Buches erwähnt, sondern sich allein auf Foucaults Vorlesungen am Collège de France stützt, zeigt freilich, auf welch dünnem Eis sie sich dabei bewegt.

Immerhin: Dort, wo Bronfen den häuslichen Kampf der Geschlechter in den Kriegsfilmen Hollywoods als Fortsetzung des Kampfes an den militärischen Fronten begreift oder die Flucht aus Heim und Ehe ins Militär als ein Ausweichen vor dem einen Kampf durch den Weg in einen anderen Kampf interpretiert, kann sie diesen Ansatz fruchtbar machen. Unter Bronfens Anleitung wird deutlich, wie stark sich Hollywood dieses Themas angenommen hat, ebenso wie es den Kampf um die Bürgerrechte der Schwarzen mit den Kriegen der Vereinigten Staaten um die Durchsetzung ihrer Werte (und Interessen) in aller Welt verbunden hat. In den klügeren und besseren Kriegsfilmen Hollywoods, mit denen Bronfen sich beschäftigt, geht es selten ausschließlich oder auch nur vorrangig um das Geschehen unmittelbar an der Front, das fast immer zurückgespiegelt wird in die Heimat, von wo die Soldaten aufgebrochen oder wohin sie wieder zurückgekehrt sind.

Dementsprechend geht es auch nur in einem der sieben thematisch strukturierten Kapitel des Buches um die Kampfdarstellung selbst. Die "Choreographie der Schlacht", wie Bronfen dieses Kapitel überschrieben hat, bildet den Mittelpunkt des Buches, dessen drei vorangehende Kapitel sich mit dem Krieg im eigenen Land, also dem Bürgerkrieg, dem Aufbruch von zu Hause und den Formen des Abschiednehmens sowie dem Kriegsentertainment als einer ins Kriegsgebiet nachrückenden Heimat beschäftigen, während die anschließenden drei Kapitel den filmischen Rückblick auf den Krieg behandeln, indem sie die Rolle der Kriegsberichterstatter thematisieren, Kriegsgerichtsverhandlungen dramatisieren oder sich mit den fortdauernden Traumata der Soldaten beschäftigen. Es ist weniger die Inszenierung des Krieges selbst als die seiner Bearbeitungen, die Bronfen an Hollywoods Kriegen interessiert.

Dass der Kampf selbst nicht darstellbar sei, ist ein Grundaxiom in Bronfens Buch, und zu dessen Beleg greift sie immer wieder auf die Clausewitz zugeschriebene Formel vom "Nebel des Krieges" zurück. Das erscheint paradox, beruhen Kriegsfilme doch gerade auf der Überzeugung, dass der Dunst des Kampfgeschehens mit Hilfe der Filmkamera zu durchdringen sei. Doch bevor die Kamera dem Protagonisten des Kampfes zu folgen vermag, muss narrative Kohärenz im Gang der Ereignisse oder zumindest eine Verknüpfung von Augenblicken zum Ereignis hergestellt werden. Erst sie verschafft den an der Schlacht Beteiligten eine Vorstellung davon, wie das abgelaufen ist, was sie zwar selbst erlebt, aber nicht begriffen haben. Einmal mehr ist es der Erzähler und nicht der Teilnehmer, der das Geschehen zum Ereignis macht. Zu Recht hat sich Bronfen darum mit den Strategien dieses Erzählens befasst. Daraus ist ein spannendes Buch geworden, das den Leser über seine persönlichen Filmerinnerungen hinaus in die Imaginationsräume einer Gesellschaft führt, die in ihrem Kern postheroisch ist, es aber ohne die Narrative des Heroischen nicht mit sich aushalten kann.

HERFRIED MÜNKLER

Elisabeth Bronfen: "Hollywoods Kriege". Geschichte einer Heimsuchung.

Aus dem Amerikanischen von Regina Brückner. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 525 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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ein spannendes Buch Herfried Münkler Frankfurter Allgemeine Zeitung 20140212