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Produktbeschreibung
Demokratie und nichtdemo kratischer Staatsverfassung.
Autorenporträt
Prof. Dr. Manfred G. Schmidt ist Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.1996

Demokratietheorienvergleich
Ein Überblick mit kleinen Lücken

Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. Uni-Taschenbücher 1887. Leske + Budrich, Opladen 1995. 407 Seiten, 26,80 Mark.

Ein ehrgeiziges Projekt: Manfred Schmidt möchte neben der politischen Ideengeschichte und der Staatsformenlehre noch die politologische Teildisziplin "Vergleichende Demokratieforschung" bereichern. Informativ ist insbesondere die Gegenüberstellung der athenischen Demokratie mit der heutigen Demokratie. Zwar gab es im antiken Athen direkte Ausübung der Staatsgewalt, durch die Volksversammlung praktiziert. Doch zum Demos zählten nur waffenfähige, steuerzahlende und seit langem ansässige Männer - bestenfalls ein Viertel der Erwachsenen. Während heutzutage die Gewaltenbalance als Kardinalprinzip der liberalen Demokratie gilt, so war für die athenische Demokratie "die tendenziell gewaltenmonistische Herrschaft der Volksversammlung und das Fehlen jeglicher Gewaltenteilung" charakteristisch. Die Geschworenengerichte fällten "ihre Urteile nach passiver Anhörung und ohne Beratung". Prominentestes Justizopfer war Sokrates.

Ihr war von neuzeitlichen Denkern insbesondere Jean-Jacques Rousseau verpflichtet. Mit seiner Lehre einer auf strikter Homogenität basierenden, unteilbaren und unübertragbaren Volkssouveränität wurde er zum Antipoden des frühliberalen Gewaltenteilungs-Protagonisten Charles de Montesquieu.

Als ein Autor, dessen Werk "Bausteine zur Theorie sozialistischer revolutionärer Direktdemokratie" enthält, wird Karl Marx vorgestellt. Hingegen steht John Stuart Mill für eine "Liberale Theorie der Repräsentativdemokratie", in der auch Frauen wählen dürfen. Wie Mill warnte Alexis de Tocqueville vor einer "Tyrannei der Mehrheit" und betrachtete dennoch - wie Schmidt darlegt - die Demokratie "als universalhistorisches Prinzip der Moderne". Der Verfasser der vorliegenden Studie stellt außerdem Demokratietheorien des 20. Jahrhunderts und unterschiedlich verwirklichte Formen der Demokratie vor.

Unterlassungen und Fehlleistungen sollten nicht übersehen werden. Unberücksichtigt bleibt der Beitrag Immanuel Kants zum heutigen Demokratieverständnis - vor allem mit seiner Lehre von der Wechselbeziehung zwischen einer gewaltenteilenden Verfassung im Inneren und einer universalen Friedensordnung. Andererseits wird der Einfluß Rousseaus auf Marx und dessen Negation der Menschenrechte in der Schrift "Zur Judenfrage" ignoriert. Unverständlich ist das Verschweigen Rosa Luxemburgs als Vordenkerin der heutigen "partizipatorischen Demokratietheorie". Recht anfechtbar erscheint die Subsumtion von "marxistischen Demokratievorstellungen", "Theorie und Praxis der sozialdemokratischen Parteien Westeuropas" wie der "Sozialstaatslehre der katholischen Arbeiterbewegung und der christdemokratischen Parteien in Europa" unter den gemeinsamen Oberbegriff "Theorie der Sozialen Demokratie". Zu Unrecht wird Ernst Fraenkels pluralistische Demokratietheorie als "Lobrede auf die politische Struktur westlicher Länder" denunziert, denn Fraenkel beklagte einen "unterentwickelten Pluralismus" in der Bundesrepublik Deutschland. Schmidts unkritische Apologie der Schweiz - die als "Konkordanz"- und "Direktdemokratie" der angelsächsischen "Konkurrenzdemokratie" gegenübergestellt wird - übersieht geflissentlich, daß erst im Jahre 1990 das Schweizer Bundesgericht die letzte Beschränkung des politischen Stimmrechtes auf Männer beseitigen und das Frauenstimmrecht auch im Halbkanton Appenzell Innerrhoden durchsetzen konnte. GISELHER SCHMIDT

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