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"Ich will hier nur eines erzählen, nämlich wie ich Lili, die mich natürlich auch verlassen hat, eines Tages kennenlernte." Der Erzähler - er heißt wie der Autor Franz Schuh - ist Mitte sechzig, ein Künstler in Wien, der eher schlecht als recht von seiner Kunst leben kann. Deshalb verdingt er sich als Frühstückskoch im Café Formanek. Als er eines Morgens aus dem Haus stürzt, gerät er unversehens in eine große Menschenmenge, zwischen Polizeiautos und -sirenen - die Dreharbeiten zu einer "Tatort"-Folge. Aus dieser Situation rettet ihn die Filmstudentin Lili Fichte. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, bei ihm wohl mehr.…mehr

Produktbeschreibung
"Ich will hier nur eines erzählen, nämlich wie ich Lili, die mich natürlich auch verlassen hat, eines Tages kennenlernte." Der Erzähler - er heißt wie der Autor Franz Schuh - ist Mitte sechzig, ein Künstler in Wien, der eher schlecht als recht von seiner Kunst leben kann. Deshalb verdingt er sich als Frühstückskoch im Café Formanek. Als er eines Morgens aus dem Haus stürzt, gerät er unversehens in eine große Menschenmenge, zwischen Polizeiautos und -sirenen - die Dreharbeiten zu einer "Tatort"-Folge. Aus dieser Situation rettet ihn die Filmstudentin Lili Fichte. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, bei ihm wohl mehr.
Autorenporträt
Franz Schuh, geboren 1947 in Wien, studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und Kolumnist für Zeitschriften und Rundfunkstationen. Er erhielt u.a. 2006 den Preis der Leipziger Buchmesse, 2011 den Österreichischen Kunstpreis und 2021 den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay. Bei Zsolnay erschienen zuletzt Sämtliche Leidenschaften (2014), Fortuna. Aus dem Magazin des Glücks (2017), Lachen und Sterben (2021) und Ein Mann ohne Beschwerden (2023).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Helmut Schödel kennt und schätzt Franz Schuh als Schwergewicht der Wiener Literaturszene, der sie nie zu einer universalen Thesen aufschwingen würde, weil er viel zu sehr um die "Zumutungen des gemeinen Alltags" weiß. Und so folge er auch in dem Buch "Sämtliche Leidenschaften" keiner groß angelegten Dramaturgie, sondern seinen Gedanken. Schuh selbst sei das Konzept, erkennt der Rezensent, das "Bewusstseinsflimmer" sein poetologischer Zugriff. Es streift Themen wie die Angst, den Vaterhass und andere Liebesangelegenheiten. Toll findet Schödel auch eine alte Szene aus dem Hotel Sacher, mit der Schuh das ganze intellektuelle und künstlerisch Wien in einem Satz einfängt: "Gehen S' scheißen mit Ihrer Doppelmoral", musste er sich da von der Schauspielerin Susi Nicoletti sagen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.02.2015

Haltung
verlieren
Ein neues Buch aus der Wiener
Denkkammer des Franz Schuh
Er ist Schriftsteller, Philosoph und Essayist, engagiert sich auch als Dozent oder in Diskussionsrunden und ist ein typisch Wiener Intellektueller, dieser Franz Schuh, der angenehm aus der Zeit gefallen erscheint. „Ich habe keinen Grundbesitz, ich besitze kein Schloß, in meine Kleinwohnung paßt die Steuerfahndungstruppe gar nicht hinein“, schreibt Schuh, der ein halber Mythos der Wiener Literaturszene ist, in seinem neuen Buch „Sämtliche Leidenschaften“ und zeigt, dass dem Leben nicht mit griffigen Generalthesen beizukommen ist, auch weil es in lauter Einzelheiten und Nebensachen zerfällt, die Zumutungen des gemeinen Alltags nicht zu vergessen. „Heute Morgen hat sich etwas überschnitten, nämlich ein Einkommenssteuernachzahlungsbescheid mit einem Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid.“ Klassische Krisen eines zeitgenössischen Theatrum mundi.
  Der dem Autor nahe Ich-Erzähler stellt sich als ehemaliger Frühstückskoch im Café Formanek vor, erinnert sich an seine Zeiten als Gebirgsjäger in Tirol und gerät in einen „Tatort“-Dreh, der in unmittelbarer Umgebung stattfindet, leidet unter seinem schweren Körper, erzählt von seinem Vaterhass und bedenkt seine Liebesangelegenheiten, die Frau als nicht zu unterschätzende Komplikation. Dies alles ist mit einer Erzählkunst dargestellt, die wirkt, als wäre ihr eine 3-D-Brille eingebaut, und die den Leser auch in das Unspektakulärste hineinzieht wie in ein bedenkenswertes Ereignis. Dies ist eine Prosa des Bedenkens, in der das Leben erst in der Reflexion entsteht, in Schuhs Wiener Denkkammer.
  Wollte man ein Hauptthema herausheben, könnte es die Angst sein. Angst vor den politischen Verhältnissen, der neuen Kriegslust einerseits. Aber Schuh bekennt sich auch zu seiner persönlichen Angst, die man vielleicht als eine Nebenfolge der Erkenntnis sehen sollte. Er bekennt: „Ich bin nur ein Mensch, der auf die Gelegenheit wartet, meine Haltung zu verlieren, um loszuheulen und endlich aufzugeben.“
  Hinter allem wartet der Tod. „Der Tod hat schon was“, schreibt Schuh, und an anderer Stelle: „Leben heißt Abschied nehmen, habe ich einmal zu Lili gesagt.“ Lili ist eine drei Jahrzehnte jüngere Frau aus der Filmbranche, der er bei den Dreharbeiten zum „Tatort“ begegnet, und die mit Nachnamen Fichte heißt. So tritt sie in sein Leben wie eine ironische Anspielung auf seine Fichte-Studien. Schuh, der brillante Schreiber, ist zugleich ein passionierter Leser, promoviert in Philosophie, und auf allen seinen Erzählungen lastet angenehm pathosfrei das Gewicht der Welt der Bücher. Was ihn nicht daran hindert, gleichzeitig emphatisch die Schönheit der früheren Schauspielerin und späteren Ärztin Marianne Koch zu beschwören.
  Dass die Kunst des Schauspielers „nicht in der Verstellung, sondern in der Enthüllung“ bestünde, behauptet Schuh, und dass zum Beispiel Voyeurismus nur ein blödes Wort sei, eine typisch „diagnostische Überhebung“. Das Buch folgt keiner Dramaturgie, sondern den Gedanken des Autors, er selbst ist das Konzept. So berichtet er auch von einer Begegnung mit dem Wiener Theaterstar Susi Nicoletti im Hotel Sacher, wo er die Doppelmoral zu verteidigen sucht. Die Nicoletti spricht das Schlusswort: „GehenS’ scheißen mit Ihrer Doppelmoral.“ Eine Szene aus dem Leben eines Intellektuellen in Wien, der seine Stadt liebt und hasst wie die meisten Wiener.
  Aber was diese Prosa eigentlich ausmacht, Schuhs poetologischen Zugriff, beschreibt er selber treffend mit dem Wort „Bewußtseinsflimmern“. Es resultiert aus der ständigen „Schlacht um einen Platz im Bewußtsein“ der Menschen. Da haben Klarheit und Wahrheit einen schlechten Stand. Sie verschwimmen. Um Lösungen könne es schon deshalb nicht gehen, insinuiert Schuh, es geht darum, dass einem im Flimmern nichts entgeht. Franz Schuh meint, dass Qualität und Missachtung Geschwister seien. Es ist, als ob er sich zur Behauptung seiner Qualität immer wieder gerne klein macht und ungern gelobt wird. Aber angesichts der allgemeinen Schule der Geschmeidigkeit wird seine so verstiegen wirkende Prosa im Nachhinein noch an Bedeutung gewinnen. Er ist noch einer der großen Solisten, deren Bücher man nicht durchliest und wegstellt. Man kann sich in ihnen aufhalten.
HELMUT SCHÖDEL
  
Franz Schuh: Sämtliche Leidenschaften. Zsolnay Verlag, Wien 2014. 224 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 15,99 Euro.
Fichte-Studien: Bei einem
„Tatort“-Dreh trifft Schuh die
junge Schauspielerin Lili Fichte
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"Dies alles ist mit einer Erzählkunst dargestellt, die wirkt, als wäre ihr eine 3-D-Brille eingebaut, und die den Leser auch in das Unspektakulärste hineinzieht wie in ein bedenkeswertes Ereignis. Dies ist eine Prosa des Bedenkens, in der das Leben erst in der Reflexion entsteht." Helmut Schödel, Süddeutsche Zeitung, 04.02.15

"Der Kurzschluss von Witz, Wissen und Melancholie." Stefan Grissemann, profil, 18.08.2014

"Feinst komponiertes Chaos, ein Sprach- und Hirnkunstwerk". Peter Pisa, Kurier, 22.08.14

"Da ist es wieder, das Schuhsche Paradigma: Dieser Mann kann von den intimsten Dingen reden und dabei eine selbstironische, ins leicht Unterkühlte hinüberspielende Distanziertheit wahren. Aber darunter lodert ein Feuer: das Feuer brennenden Erkenntnisdursts und eines überschießenden intellektuellen Spieltriebs." Günter Kaindlstorfer, Deutschlandfunk, 23.9.2014

"Man könnte von der intellektuellen Variante einer Schwadronade sprechen, also einer Anti-Schwadronade, nicht gedankenlos und geschwätzig, sondern stilistisch elegant, gescheit und unterhaltsam auf hohem Niveau." Christian Schacherreiter, Oberösterreichische Nachrichten, 03.11.14

"Ein vor Esprit strotzendes Selbstporträt des Künstlers als armer Hund". Ruth Dickhoven, WDR5, 08.11.2014

"Dieses Buch gehört in keine Schublade, sondern allzeit griffbereit aufs Nachtkastl." Joachim Leitner, Tiroler Tageszeitung, 28.11.14

"Dies alles ist mit einer Erzählkunst dargestellt, die wirkt, als wäre ihr eine 3-D-Brille eingebaut, und die den Leser auch in das Unspektakulärste hineinzieht wie in ein bedenkenswertes Ereignis." Helmut Schödel, Süddeutsche Zeitung, 04.02.15…mehr