Der Titel „Gott und der Urknall“ ist irreführend. Er weckt Erwartungen, die im Inhalt des Buches nicht eingelöst werden. Vom Urknall ist nämlich so gut wie gar nicht die Rede. Und auch im Hinblick auf den Untertitel ist die Frage erlaubt, ob er nicht richtiger lauten müsste: „Religion und
Naturwissenschaften im Wechselspiel der Geschichte“. Das wäre der zum Inhalt des Buches passende…mehrDer Titel „Gott und der Urknall“ ist irreführend. Er weckt Erwartungen, die im Inhalt des Buches nicht eingelöst werden. Vom Urknall ist nämlich so gut wie gar nicht die Rede. Und auch im Hinblick auf den Untertitel ist die Frage erlaubt, ob er nicht richtiger lauten müsste: „Religion und Naturwissenschaften im Wechselspiel der Geschichte“. Das wäre der zum Inhalt des Buches passende Titel.
Fischer schildert in munterem Plauderton wichtige Stationen des Nachdenkens über Gott und die Welt. Er beginnt mit den „Anfängen des Wissens“ in der Antike und wandert über viele Stationen bis zur „Gottlosigkeit der Molekularbiologen“. Ich frage mich allerdings, ob die Molekularbiologen allesamt gottlos sind. Ausführlich und kenntnisreich werden die großen und bedeutenden Naturwissenschaftler und ihre Entdeckungen vorgestellt. Fischer schweift bei seinem Streifzug gern ab. So bespricht er nebenbei auch das Problem der Gewalt im Christentum (44-48), bekennt, dass ihm die „Doppelgesichtigkeit der Gestalt Jesu, der Gottessohn und Menschensohn zugleich sein soll, … schwer vorstellbar ist“ (47), erklärt die Infinitesimalrechnung (96-103), befasst sich ausführlich mit dem „arabischen Haus der Weisheit“ (105-127), stellt sehr instruktiv „Maxwells Dämon“ vor (168-178) und lässt sich seitenlang über die „Angst in der Wissenschaft“ aus ( 243-248). Am besten gelungen erscheint mir im Hinblick auf den Untertitel des Buches das 7. Kapitel, die Ausführungen über die naturwissenschaftliche Leistung und die Religiosität von Max Planck und Albert Einstein.
Die Ausführungen sind kenntnisreich und mit vielen, leider nicht immer genau belegten Zitaten angereichert. Etwas ermüdend wirken die häufigen Rück-, Quer- und Vorverweise. Leider fehlt in den durchaus interessanten Ausführungen eine Auseinandersetzung mit den großen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Urknall heute relevant sind: Materie und Antimaterie, Materie und Geist, Dunkle Materie, Higgs-Teilchen, „pulsierendes Universum“, Entstehung des Lebens u.a.
Vielleicht lässt sich das Anliegen des Buches am besten wiedergeben mit den von Fischer zitierten Worten des Physikers Wolfgang Pauli (257): „Ich glaube, dass es das Schicksal des Abendlandes ist, die beiden Grundhaltungen, die kritisch rationale, verstehen wollende auf der einen und die mystisch irrationale, das erlösende Einheitserlebnis suchende auf der anderen Seite immer wieder in Verbindung miteinander zu bringen.“
Norbert Scholl