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Weg eines Jurastudenten zum Richter am Berliner Kriminalgericht in den 1920ern

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Produktbeschreibung
Weg eines Jurastudenten zum Richter am Berliner Kriminalgericht in den 1920ern

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Autorenporträt
Ernst Ottwalt (1901-1943) hieß eigentlich Ernst Gottwalt Nicolas. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss er sich einem nationalistischen Freikorps an, wurde dann aber kommunistischer Schriftsteller. Bei der Bücherverbrennung der Nazis 1933 stand auch sein Werk auf der Liste. 1934 ging er über Umwege ins Exil nach Moskau, wo er im Zuge der stalinistischen Säuberungen 1936 verhaftet und zur Zwangsarbeit in ein Lager deportiert wurde und 1943 starb.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2018

Bestraft wird durch Todesangst

Das passende Buch zum allgegenwärtigen Weimar-Hype und ein lesenswertes noch dazu: Der vergessene Justizroman von Ernst Ottwalt "Denn sie wissen was sie tun".

Heute Nacht sitzen Tausende Gefangene in deutschen Gefängnissen. In Qual und Verlassenheit starren sie an die Decke, können nicht schlafen, jede Hoffnung ist ihnen abhanden gekommen. Sie sind ausgesondert, weil die Gesellschaft durch ihr Verhalten Schaden genommen hat, weil sie gebrochen haben mit geltenden Regeln und Gesetzen. Oder auch, weil sie aus Verzweiflung etwas getan haben, für das es kein Vergessen und Vergeben gibt. Sie sitzen da und lassen ihre Gedanken Schleifen drehen. "Und während sie in fahler Umnachtung vor sich hin stieren", so heißt es im Schlussabsatz dieses phänomenalen, lange Zeit vergessenen und gerade wiederentdeckten Justizromans, "werfen Tausende von deutschen Richtern jetzt noch einen ruhigen Blick in das freundliche Dunkel ihres Zimmers und schlafen. Sie schlafen gut."

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Bedrückende Schicksals-Synchronität. Von uns verdrängt. Heute wie damals. In der Weimarer Zeit, in der "Denn sie wissen, was sie tun" von Ernst Ottwalt spielt, war die Justiz noch monarchistisch geprägt. Da hatte der Adel Vorrang, wurde bei gleichem Vergehen je nach Klassenlage geurteilt. Die Ungerechtigkeiten, die daraus erwuchsen und die Ottwalt auf drastische Weise schildert, sind alles Tatsachen, geschehen in den Jahren 1920 bis 1931. Falls irgendwelche Zweifel an dem dokumentarischen Charakter seiner Darstellung auftauchen sollten, so das entschiedene Angebot des Autors zu Anfang, bitte er darum, sich über den Verlag an ihn zu wenden.

Und genau das will man nach Lektüre seines Romans sofort tun, will ihn fragen, ob einer wirklich wegen Bettelns und Obdachlosigkeit zu einem Jahr Arbeitshaus verurteilt und ob der Oberleutnant Marloh trotz illegaler Hinrichtung von 29 Matrosen tatsächlich freigesprochen wurde, ob sich der stolze Kleinbauer Jochen Schütz erhängt hat, weil er wegen Fahrens mit einem unbeleuchteten Fuhrwerk von der gnadenlosen Justiz zu drei Wochen Gefängnisstrafe verurteilt worden war, und ob es stimmt, dass kommunistische Arbeiter, die Flugblätter verteilten, wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu jahrelangen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, während kaiserliche Generäle, die monarchistische Propaganda in der republikanischen Armee trieben, nur von ihrer natürlichen Redefreiheit Gebrauch machten?

Wo bleibt bei all dem die Gerechtigkeit, will man fragen. "tja, die Gerechtigkeit', sagt Dickmann versonnen und ist sehr weit fort.'" Dickmann, das ist der Protagonist dieses 1931 im Malik-Verlag erschienen Justizromans: Landgerichtsrat Friedrich Wilhelm Dickmann, der sich "als Aristokrat fühlt" und jeden Morgen ins Berliner Kriminalgericht geht, um dort einer kleinen Strafkammer vorzusitzen. In Rückblenden wird sein Leben erzählt, angefangen von der Jenaer Studienzeit, in der er im Studentencorps marschierte, bei einem angeblichen Fluchtversuch auf gefangene Spartakisten schoss und eine Angestelltentochter schwängerte, die beim verzweifelten Versuch der Selbstabtreibung an einer Blutvergiftung starb. Als Assessor und Doktorand am Leipziger Reichsgericht gibt Dickmann kurz Widerworte und verliebt sich in eine kluge Jüdin, aber der Vater holt ihn zurück auf die rechte Bahn: Gesetz ist Gesetz, Gerechtigkeit nur ein anderes Wort für Gesellschaftspyramide, und für Sex geht man im Zweifelsfall einfach ins Dienstmädchenzimmer.

Die distanzierte Erzählerstimme erinnert von ferne an Erich Kästner, der Protagonist an Heinrich Manns "Untertan". Neben der harschen Sozialkritik schwingt jedoch auch Mitleid für den von seinem Milieu Zugerichteten mit: "So ist Dickmann Strafrichter geworden. Diesem jungen Mann gibt der Staat die Macht, einen Menschen auf Jahre ins Zuchthaus zu schicken. An seinen wohlgeformten Lippen hängen die Blicke der Angeklagten. Sein Wort ist ihr Schicksal, bedeutet ihnen Glück oder Verzweiflung. Dieser junge Mensch weiß nichts von Not und Elend und weiß nicht, was Hunger heißt. Er kennt von Menschen nur sich selbst."

Neben dem nüchtern Lakonischen gibt es in diesem Buch auch Passagen voller Wut und Aufregung. Darüber etwa, dass der Wille des Volkes eine juristische Leerformel ist, die die Willkür der Staatsgewalt nur mühsam kaschiert. Das eindrücklichste Kapitel handelt vom Prozess gegen einen lustmordenden Landstreicher, der nach seiner Verzweiflungstat gejagt und zur Strecke gebracht wird wie ein tollwütiges Tier. Aussichtslos das Plädoyer des Verteidigers, der fragt, ob nicht die "Grausamkeit der Gesellschaft" den Delinquenten zu dem gemacht habe, was er ist. Ob nicht die existenzielle Einsamkeit alle guten Regungen in einem Menschen zugrunderichten könnte. Empörtes Schweigen im Gerichtssaal: So ein asoziales Element hat kein Recht auf Verteidigung, ist grundsätzlich und für immer verdorben.

Also steht Amtsgerichtsrat Dickmann im Morgenfrost auf dem Gefängnishof und wartet, bis der Mörder von einem gut angezogenen Wäschereibesitzer, der sich als Henker etwas dazuverdient, zum Schafott geführt wird. Dabei lässt er sich Zeit, viel Zeit, denn: "Man bestraft einen Menschen ja nicht mit dem Tode, sondern mit der Todesangst." Fast neutral beschreibt Ottwalt die letzten Momente und Schritte, aussichtslosen Blicke, den Pfarrer, der mit geschlossenen Augen den 23. Psalm spricht und gar nicht merkt, dass der Kopf schon abgeschlagen vor ihm liegt.

"Denn sie wissen, was sie tun" ist kein typischer historischer Roman, es gibt nur wenig Zeitkolorit - ein bisschen Kapp-Putsch hier, ein wenig Geldentwertung da -, kaum Stadtatmosphäre, keine Burlesque-Tänzerinnen. Mit der Szenerie der gerade angesagten "BabylonBerlin"-Serie, hat das hier nicht viel zu tun. Eher mit dem "Hauptmann von Köpenick", mit dem Antrieb also, die Ungerechtigkeiten der Zeit in dem nervösen Gewissen einer schuldlos-schuldigen Hauptperson zu spiegeln und damit das Bewusstsein der ganzen Gesellschaft auf die Probe zu stellen.

Kurt Tucholsky spielt Ottwalts Roman in seiner - der Neuausgabe angehängten - Rezension mit etwas fadenscheinigen Argumenten gegen Rudolf Borchardts "Deutsche Literatur im Kampfe um ihr Recht" aus: Während der "Hochstapler" Borchardt gegen die "Philister von links eifert und die Philister von rechts mit Samthandschuhen, Vergebung, mit Stulpenhandschuhen" anfasst, sei Ottwalts Buch beachtlich - "weniger als künstlerische Leistung denn als gute Hilfe im Kampf gegen die Justiz". Das Lob als griffiges Instrument der Gesellschaftskritik ist verdienstvoll und greift doch zu kurz. Was Ottwalts Roman auszeichnet und auch heute noch lesenswert macht, geht zum Glück über Gesinnungserbauung hinaus: Es steckt viel innerer Kampf, viel Verzweiflung hinter den kühlen Tatsachenbeschreibungen.

Das versteht man noch besser, wenn man die Biographie von Ernst Ottwalt kennt: 1901 in ein konservatives Elternhaus geboren, meldete er sich noch vor dem Abitur bei einem Freikorps, brach später das Jurastudium in Jena ab; nach einer kurzen Lehrzeit in einer Privatbank hielt er sich mühsam als Redakteur für Reiseführer über Wasser und half seiner Frau bei Gerichtsreportagen. In den zwanziger Jahren machte er die Bekanntschaft von Bertolt Brecht und vollzog einen radikalen Seitenwechsel: Als glühender Marxist schrieb er jetzt Bergarbeiterdramen und autobiographische Konversionsromane. 1931 verfasste er zusammen mit Brecht das Drehbuch zum Arbeiterfilm "Kuhle Wampe".

In "Denn sie wissen, was sie tun" rechnete er mit der ungerechten Sozialstruktur der deutschen Richterschaft ab. Als bei der Bücherverbrennung im Mai 1933 auch seine Werke ins Feuer kamen, floh Ottwalt erst nach Dänemark, dann nach Moskau. Hier wurde er - wie so viele aufrechte Sozialisten - wegen angeblicher trotzkistischer Agitation verurteilt und in ein Arbeitslager verbannt, wo er im August 1943 elend starb.

Seine Frau Waltraut Ottwalt-Nicolas kehrte 1941 zurück und lebte als Schriftstellerin bis 1962 in Deutschland. Ihr Mann war da - wie viele linke Weimarer Helden - längst vergessen. Jetzt hat der Verlag mit dem verheißungsvollen Namen "Das kulturelle Gedächtnis" seinen Justizroman wiederaufgelegt. Eine zwingende Lektüre, gerade für die, die sich in diesen Tagen nach dem aufregenden Weimarer Nacht- und Nebelkerzenleben zurücksehnen.

SIMON STRAUSS

Ernst Ottwalt: "Denn sie wissen was sie tun".

Roman.

Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2017. 352 S., geb., 25,- [Euro].

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