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In diesen neuen Studien geht es dem Autor darum, mit welcher Methode Max Weber den Fragen nach dem Schicksal des Menschentum unter den Bedingungen der Modernität nachgegangen ist. Max Weber benutzte die verstehende Soziologie als Instrument, um sein als Wissenschaft vom Menschen verstandenes Werk voranzutreiben. Es ging ihm nicht um die Etablierung der Soziologie als Fach oder als Zuständigkeitsressort für einen Bereich. Er wollte vielmehr eine Möglichkeit schaffen, die als schicksalsbestimmend erscheinenden Kulturprobleme, wie sie der moderne Kapitalismus und seine eigentümliche Rationalität…mehr

Produktbeschreibung
In diesen neuen Studien geht es dem Autor darum, mit welcher Methode Max Weber den Fragen nach dem Schicksal des Menschentum unter den Bedingungen der Modernität nachgegangen ist.
Max Weber benutzte die verstehende Soziologie als Instrument, um sein als Wissenschaft vom Menschen verstandenes Werk voranzutreiben. Es ging ihm nicht um die Etablierung der Soziologie als Fach oder als Zuständigkeitsressort für einen Bereich. Er wollte vielmehr eine Möglichkeit schaffen, die als schicksalsbestimmend erscheinenden Kulturprobleme, wie sie der moderne Kapitalismus und seine eigentümliche Rationalität aufgeworden hatte, objektiv zu erfassen.
Mit diesem Werk will der Autor die an der Weber-Forschung beteiligten Fächer erneut herausfordern. Er möchte Max Weber nicht als Gründervater eines Faches verstanden wissen, sondern als nüchtern-leidenschaftlicher Analytiker von Menschheitsfragen. Den Abschluß des Bandes bildet eine Skizze der intellektuellen Biographie Max Webers.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.1996

Freiheit für Max Weber
Wilhelm Hennis will ihn den Händen seiner Interpreten entreißen

Seit 1982 kämpft der Freiburger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis einen passionierten Kreuzzug, die "eigentliche" Fragestellung Max Webers herauszuarbeiten. Seine Kernthese dabei ist, daß Weber ein "anthropologisches Erkenntnisinteresse" verfolgte, weshalb es ihm nie um Gesellschaftswissenschaft, ganz sicher nicht um Soziologie, sondern immer um eine "Wissenschaft vom Menschen" gegangen sei. Schon vor beinahe zehn Jahren legte Hennis einen ersten Sammelband seiner einschlägigen Aufsätze unter dem programmatischen Titel "Max Webers Fragestellung" vor, nunmehr folgt eine zweite Sammlung von fünf Aufsätzen, von denen bereits vier vorab publiziert waren.

Die Strategie des Weber-Schriftgelehrten Hennis war bereits im ersten Band erkennbar. Es gilt, die vor allem soziologisch geprägte Weber-Interpretation zu erschüttern durch die Einordnung Webers in Kontexte, die bislang gar nicht oder zu wenig gesehen wurden. Beim ersten Anlauf war das die Verortung Webers in der geistigen Welt Nietzsches, die Diskussion der Plazierung Webers in die Historische Schule der deutschen Nationalökonomie sowie die Profilierung Webers als Repräsentant eines "voluntaristischen Liberalismus", der nur wenig mit dem Liberalismus des Pastors Friedrich Naumann zu tun gehabt habe.

Solche Uminterpretationen, kombiniert mit dem Dauersperrfeuer auf die verantwortlichen Herausgeber der Max-Weber-Gesamtausgabe, sicherten Hennis die Aufmerksamkeit der Zunft, aber auch vehemente Ablehnung. Mit ungebrochener Leidenschaft fährt Hennis in der neuen Sammlung fort: Im ersten Teil geht es wieder um Webers "Wissenschaft vom Menschen", im zweiten um die Korrektur vermeintlicher und tatsächlicher "Mißverständnisse" und um unentdeckte ideengeschichtliche Zusammenhänge des berühmten Postulats Webers von der "Wertfreiheit", im dritten Teil wird eine "intellektuelle Biographie" Webers skizziert.

Für ein allgemeines Publikum wird es nicht von lebensentscheidender Bedeutung sein, welche Antworten Hennis auf jene historischen Fragestellungen anbietet, die er sich selbst hier stellt. Wen außerhalb der überaus rührigen, internationalen Weber-Reinterpretationsindustrie sollten Fragen bewegen wie etwa jene, in welchem Maß Weber die Positionen von Carl Menger oder Gustav von Schmoller falsch oder richtig interpretiert hat, was Weber von der zeitgenössischen Psychologie eines Wilhelm Wundt hielt oder in welchem Umfang er bei der Grundlegung seiner "verstehenden Soziologie" auf Konzepte des amerikanischen Begründers des philosophischen Pragmatismus, William James, zurückgriff? Von allgemeinem Interesse könnte jedoch die schattenrißartige Skizze einer "intellektuellen Biographie" Webers sein. Das Vorgehen von Hennis, das "Wurzelwerk" nicht nur der intellektuellen Formierung des jungen Max Weber, sondern auch dessen "moral education", seine "gemütsmäßige" Entwicklung, zu rekonstruieren, folgt dem früheren Muster. Erneut bemüht sich Hennis darum, Einflußströmungen auf Weber zu (re)konstruieren, die bislang in den "Gebirgen der Rezeptionsliteratur" verschüttet worden seien. Zwar nimmt er seinen früheren Versuch, den Einfluß der Ideen des William Ellery Channings (1780 bis 1842) auf den jungen Max Weber als "enorm prägend" darzustellen, stark zurück. Nun jedoch hebt er, die Vorarbeiten von Hubert Treiber, Andreas Anter und Bjarne Jacobsen verwertend, die Bedeutung des Marburger Philosophen Friedrich Albert Lange (1828 bis 1875) für den jungen Max Weber hervor, der "tief von Gedanken Langes geprägt worden" sei. Weil sie ebendiese Bedeutung nicht erkannt haben, tadelt Hennis frühere Interpretationen wie die von Guy Oakes, Thomas Burger und Wolfgang Schluchter "als ganz und gar unhaltbar". Bedenklich stimmt bei einem solchen Verdikt die Tatsache, daß Hennis mit vielen Wendungen: "wird Weber aus den Arbeiten Langes mitgenommen haben", "darf als sicher angenommen werden", "ist sicher durch Lange beeinflußt worden", operiert.

Das kämpferische Abgrenzungsverhalten von Hennis all jenen gegenüber, die er als "Aneigner", als große "Vereinnahmungskünstler" Webers tituliert, wie etwa Jürgen Habermas und Wolfgang Schluchter, gegen die er zornig dem historischen Weber zu seinem Recht verhelfen möchte, birgt die wachsende Gefahr einer allmählichen Verwandlung eines textgenauen Interpreten in einen Michael Kohlhaas der Weberei. Gemach, möchte man ihm an manchen Stellen voller Sympathie zurufen: ein wenig mehr Behutsamkeit und Gelassenheit, an manchen Stellen ein wenig mehr analytische Beweisführung anstelle von suggestiven Gewißheiten. Dennoch: Wer über Max Weber kompetent mitreden will, wird sich auch künftig überaus gewinnbringend mit Hennis auseinandersetzen müssen. Und er wird sich warm anziehen und seine Quellen gut parat haben müssen: Der Gegenschlag wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. DIRK KÄSLER

Wilhelm Hennis: "Max Webers Wissenschaft vom Menschen". J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Verlag, Tübingen 1996. 229 S., br., 39,- DM.

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