Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 21,95 €
  • Gebundenes Buch

John McDowell zählt seit dem Erscheinen seines aufsehenerregenden Buches Geist und Welt zu den angesehensten und wirkmächtigsten Autoren innerhalb der angelsächsischen Philosophie. Während sein bisheriges Hauptwerk sich primär mit erkenntnistheoretischen Fragen beschäftigt, um den Versuch einer Rehabilitierung eines schwachen Empirismus unter nichtszientistischen Voraussetzungen zu unternehmen, hat er in einer Reihe von Abhandlungen auch einen bedeutenden Beitrag zur Moralphilosophie entwickelt, der in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist. Der vorliegende Band versammelt nun die…mehr

Produktbeschreibung
John McDowell zählt seit dem Erscheinen seines aufsehenerregenden Buches Geist und Welt zu den angesehensten und wirkmächtigsten Autoren innerhalb der angelsächsischen Philosophie. Während sein bisheriges Hauptwerk sich primär mit erkenntnistheoretischen Fragen beschäftigt, um den Versuch einer Rehabilitierung eines schwachen Empirismus unter nichtszientistischen Voraussetzungen zu unternehmen, hat er in einer Reihe von Abhandlungen auch einen bedeutenden Beitrag zur Moralphilosophie entwickelt, der in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist. Der vorliegende Band versammelt nun die wichtigsten Aufsätze, die John McDowell in den letzten zwei Jahrzehnten zum Entwurf einer Moralphilosophie verfaßt hat. Sie geben einen höchst originellen Ansatz zu erkennen, der aus der Widerlegung festgefahrener Alternativen in der Ethik zur Wiederbelebung eines Wertrealismus gelangt. Eine Einleitung, die McDowells moralphilosophischen Entwurf im Kontext seines Werks und der gegenwärtigen Debatten situiert, komplettiert diesen Band, mit dem seine wichtigsten Arbeiten zur theoretischen und nun auch zur praktischen Philosophie in deutscher Sprache vorliegen.
Autorenporträt
McDowell, John
John McDowell ist Professor für Philosophie an der Universität von Pittsburgh. Im Suhrkamp Verlag sind von ihm erschienen: Geist und Welt (stw 1528) und Wert und Wirklichkeit (stw 1921).

Schulte, Joachim
Joachim Schulte ist Autor mehrerer Bücher über Ludwig Wittgenstein und Mitherausgeber der Kritischen Editionen von Wittgensteins Hauptwerken.

Seel, Martin
Martin Seel ist Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2002

Wie Wölfe philosophieren
John McDowell und sein Rudel versuchen, die Moral des Menschen zu renaturalisieren
„Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen”, gab Ludwig Wittgenstein zu bedenken. Wenn wir ihn aber nicht verstehen könnten, was berechtigt uns dann zu der Annahme, „das, was der Löwe da tue, sei Sprechen?” fügte John McDowell hinzu und erweiterte Wittgensteins philosophischen Aphorismus zu einem eigenwilligen Gedankenexperiment. „Nehmen wir an, einige Wölfe erwerben Vernunft.” Dann wären sie doch nicht mehr nur, durch ihre natürlichen Anlagen disponiert, gute Jäger, die gemeinsam ihr Opfer zur Strecke bringen. Alternativen wären denkbar, und die Wölfe könnten sich geistig mit Verhaltensmöglichkeiten beschäftigen, „die über ihr Naturell hinausgehen”.
Ein nachdenklicher Wolf könnte sich dann fragen, ob es nicht besser wäre, zu faulenzen und die anderen Wölfe für sich jagen zu lassen. Wer vernünftig ist, kann über Handlungsalternativen nachdenken und sieht sich der zentralen moralischen Frage konfrontiert: „Warum soll ich das tun?”, wenn ich doch was anderes machen kann.
Doch die damit verbundene Distanzierung von natürlichen Zwängen kann nicht so weit gehen, dass der Wolf seine Wolfsnatur völlig aufgibt. Auch der faulste Wolf wird wohl der allgemeinen Meinung zustimmen, dass es besser wäre, „wenn sich die meisten Wölfe nicht so verhielten, wie er es vorhat.” Schließlich bliebe es ja für die Wölfe von Natur aus wichtig, genügend Fleisch zu fressen zu haben, auch wenn sie begrifflich denken, verständlich sprechen und kritisch reflektieren könnten. Vor der Moral komme nun mal, wie man weiß, das Fressen.
Diese Parabel vom vernunftbegabten Wolf mag wie ein fingierter Witz erscheinen. Für McDowell aber dient sie zur Klärung seines zentralen moralphilosophischen Problems. Welches Verhältnis besteht zwischen Vernunft, Werten und Wirklichkeit? 1998 erschienen seine Aufsätze zur Moralphilosophie: „Mind, Value and Reality”. Ist nicht auch der Mensch wie ein Wolf, bei dem die erste Natur eine wichtige Rolle spielt? Jedenfalls ist McDowell davon überzeugt, dass auch die Frage „Was soll ich tun?” nur gestellt und beantwortet werden kann, wenn die freie Reflexion eines vernunftbegabten Lebewesens als Verlängerung von Naturprozessen verstanden wird. Es gelte, die spaltenden Oppositionen zwischen Natur und Kultur, Welt und Geist, Wirklichkeit und Wert zu unterlaufen.
Es komme darauf an, einerseits geistige Aktivitäten zu „renaturalisieren”, doch andererseits auch jene Natur, die traditionell als sinnlose Materialität gedacht wurde, zu „remoralisieren”. Wie wölfisch der Mensch ist, zeige sich vor allem an den Grenzen, die der moralischen Reflexion durch angeborene Anlagen der menschliche Natur gesetzt sind. Die Notwendigkeit nach „Verständlichkeit” spiele dabei eine entscheidende Rolle.
Jagd auf Argumente
Wie die Wölfe gemeinsam jagen, so müsse auch Reflexion als „Gemeinschaftstätigkeit” praktiziert werden. Und selbst wenn man vereinzelt zu denken versuche, so müsse man doch in der Lage sein, „die eigenen Gedanken anderen mitzuteilen.”
So weit, so gut. Wölfe jagen in Rudeln. Philosophen wie McDowell denken gemeinsam. Diese Kollegialität gehört zu ihrem Naturell. Sie entspricht ihrem Bedürfnis. McDowell gehört zu jener Spezies, die vor allem im angelsächsischen Kulturraum beheimatet ist. Es sind keine Einzelgänger, die ihre eigenen unverwechselbaren Gedankengebäude bauen. McDowell ist integriert in einen kooperativen Diskussionszusammenhang, und all seine Schriften sind interne Gespräche mit Kollegen, die sich – auf die gleiche Weise wie er – mit den gleichen Problemen herumplagen. Es sind Beiträge zu einer gemeinsamen Jagd nach den besten Argumenten. Das macht ihre Stärke aus, zeigt jedoch auch ihre Begrenztheit. Denn John McDowells moralphilosophische Aufsätze sind nur verständlich, wenn man die innerphilosophische Problemsituation kennt, in deren Rahmen sie sich bewegen. Man muss wissen, was all die anderen denken, mit denen McDowell kommuniziert, besonders Philippa Foot, Bernard Williams und John L. Mackie, wobei vor allem Aristoteles und Kant die entscheidenden Vorüberlegungen souffliert haben.
Ohne dieses Wissen erscheinen seine Interventionen wie sophistische Haarspaltereien. Im Gewirr eines jahrzehntelangen Hin und Her von diffizilen Argumentationen verlieren sie an Klarheit und Relevanz. Für den internen Kreis mag McDowell, wie Axel Honneth und Martin Seel in ihrer Einleitung gelobt haben, „heute als einer der produktivsten und interessantesten Philosophen der Gegenwart” gelten. Aber für die externe Öffentlichkeit, die an Problemen der Moral wirklich interessiert ist, sind die begrenzten Wege des naturalisierenden Moralphilosophen unbegehbar. Seine Aufsätze sind Teil eines selbstreferentiellen Rudelphilosophierens, das hinter seinen eigenen Problemen herjagt. Der Pakt der philosophischen Wölfe hat Wert nur für diejenigen, die dazu gehören. Wenn man solche Wölfe sprechen hört, kann man sie nicht verstehen, auch wenn man ihre Sprache beherrscht.
MANFRED GEIER
JOHN MCDOWELL: Wert und Wirklichkeit. Aufsätze zur Moralphilosophie. Deutsch von Joachim Schulte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 256 Seiten, 34 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

1998 im Original erschienen, sind diese Aufsätze dem Rezensenten auch heute noch ein Rätsel. Zwar erkennt Manfred Geier das zentrale moralphilosophische Anliegen des Autors, das Verhältnis zwischen Vernunft, Werten und Wirklichkeit zu klären und die spaltende Opposition zwischen diesen Größen und der Natur zu unterlaufen, McDowell aber hält er für einen jener Rudelphilosophen, die nichts anderes tun, als "interne Gespräche" mit Kollegen zu führen. "Beiträge zu einer gemeinsamen Jagd nach den besten Argumenten" sind das, schreibt Geier durchaus anerkennend zwar, aber zugleich darauf hinweisend, dass eben darin die Begrenztheit des Unternehmens liegt. Man muss wissen, was all die anderen denken, mit denen McDowell kommuniziert (neben Kant und Aristoteles sind das zum Beispiel Philippa Foot und Bernard Williams), warnt Geier selbst den moraltheoretisch interessierten Leser, sonst erscheinen des Autors Interventionen "wie sophistische Haarspaltereien" und verlieren an Klarheit und Relevanz.

© Perlentaucher Medien GmbH