Für ihren Debütroman „Die letzte Reise der Meerjungfrau oder wie Jonah Hancock über Nacht zum reichen Mann wurde“ hat Imogen Hermes Gowar drei Jahre lang recherchiert, geforscht und gelernt, im Sprachduktus des 18. Jahrhundert zu schreiben.
Der Aufwand und die Arbeit haben sich gelohnt. Die Autorin bewegt sich mit ihrem opulenten Stil des Inszenierens auf herausragenden Niveau. Sie findet mit außergewöhnlich gutem Gespür den Ton der Zeit und gibt ihn in nuancierter Art und Weise wieder, so dass das Lesen und folglich Eintauchen in eine vergangene Realität zum Erlebnis werden. Dabei nutzt
sie in wunderbarer Kunstfertigkeit die Art der Kommunizierens im London des zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts. Zurückhaltend und distanziert und damit ein wenig ungewohnt, indes bei der Lektüre…mehrFür ihren Debütroman „Die letzte Reise der Meerjungfrau oder wie Jonah Hancock über Nacht zum reichen Mann wurde“ hat Imogen Hermes Gowar drei Jahre lang recherchiert, geforscht und gelernt, im Sprachduktus des 18. Jahrhundert zu schreiben.
Der Aufwand und die Arbeit haben sich gelohnt. Die Autorin bewegt sich mit ihrem opulenten Stil des Inszenierens auf herausragenden Niveau. Sie findet mit außergewöhnlich gutem Gespür den Ton der Zeit und gibt ihn in nuancierter Art und Weise wieder, so dass das Lesen und folglich Eintauchen in eine vergangene Realität zum Erlebnis werden. Dabei nutzt sie in wunderbarer Kunstfertigkeit die Art der Kommunizierens im London des zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts. Zurückhaltend und distanziert und damit ein wenig ungewohnt, indes bei der Lektüre überhaupt nicht hinderlich.
Hinzu kommt, dass durch das Erzählen in der Gegenwart eine Präsens entsteht, die uns unmittelbar in die Geschichte hineinzieht und einbindet. So befinden wir uns mitten in einem Geschehen, das historische Gegebenheiten wie die Ungleichheit zwischen den Klassen, Geschlechtern und Hautfarben thematisiert und diese mit dem Mythos und der Legende der Meerjungfrau mittels eingeflochtener lyrischer Passagen verknüpft.
Noch zu berücksichtigen ist der feinsinnige Humor, der den Zeilen das eine oder andere Mal entströmt. Hierbei gelingt es der Autorin, mit unseren Zweifeln zu spielen. Existieren Meerjungfrauen oder nicht? Wir wissen, dass es diese Geschöpfe nicht gibt. Aber wir lassen uns gern auf dieses Spiel der Phantasie ein, geben uns der Illusion hin, dass es möglich kann. Wir möchten, dass es so ist und vergessen für einen Moment die Wirklichkeit.
Faszinierend ist außerdem das Können von Imogen Hermes Gowar, das Milieu und die Umstände auf den Punkt zu schildern, insbesondere die Abhängigkeit der Frauen von den Männern zu beleuchten.
Das überträgt sich auf die Protagonisten. Die Autorin hat bemerkenswerte, mit Brillanz ausgearbeitete Figuren geschaffen, deren Tiefgründigkeit sich langsam, dann jedoch mit Wucht offenbaren.
Da ist zum einen Jonah Hancock, ein aufrichtiger, empfindsamer Mann, mit einem einfachen Herzen voller Sehnsucht, und trotzdem und erstaunlicherweise bereit, etwas Neues zu wagen. _„Ich habe mein Leben bisher nicht ausgeschöpft… Und jetzt wurde mir etwas Großes aufgezeigt. Ich wäre ein Narr, wenn ich nicht mehr für mich erstreben würde…“_ (Seite 121)
Und wir lernen Angelica Neal kennen, eine Frau, die auf den ersten Blick eitel, seelenlos und unmoralisch wirkt, gleichzeitig über eine unwiderstehliche Schönheit und eine gewisse Wahrhaftigkeit verfügt und durchaus Parallelen zu einer Meerjungfrau aufweist.
_„Denn eine Meerjungfrau ist ein höchst unnatürliches Wesen und ihr Herz ohne Liebe."_ (Seite 90)
Im Grunde ist Angelica ein Geschöpf der Umstände, und bei genauerer Betrachtung, versucht auch sie nur, das Bestmögliche aus eben diesen zu machen. Sie steht zu ihrem Handeln, und sie möchte Unabhängigkeit, zumindest von Mrs. Chappell, ihrer einstigen Bordellwirtin. Denn wirklich frei wird sie nie sein können, weil sie immer auf die Gunst eines Mannes angewiesen ist. Ob als Kurtisane oder als Ehefrau...
Imogen Hermes Gowar meistert eine anspruchsvolle und eindringliche Darstellung von Sein und Schein, Realität und Mythos. Einfach grandios!