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Seit mehr als 3000 Jahren werden von Indien über Persien bis nach Europa indoeuropäische Sprachen gesprochen. Wo liegen die Ursprünge dieser Sprachfamilie? Wie und wann sind die unterschiedlichen Sprachzweige entstanden? Der renommierte Indogermanist Harald Haarmann schildert anschaulich, was wir heute über die Entstehung der indoeuropäischen Sprachen und Kulturen und ihre frühen Verbreitungswege wissen. Dabei gelingt es ihm eindrucksvoll, linguistische Befunde mit archäologischen Erkenntnissen und neuesten humangenetischen und klimageschichtlichen Forschungen in Beziehung zu setzen. Über…mehr

Produktbeschreibung
Seit mehr als 3000 Jahren werden von Indien über Persien bis nach Europa indoeuropäische Sprachen gesprochen. Wo liegen die Ursprünge dieser Sprachfamilie? Wie und wann sind die unterschiedlichen Sprachzweige entstanden? Der renommierte Indogermanist Harald Haarmann schildert anschaulich, was wir heute über die Entstehung der indoeuropäischen Sprachen und Kulturen und ihre frühen Verbreitungswege wissen.
Dabei gelingt es ihm eindrucksvoll, linguistische Befunde mit archäologischen Erkenntnissen und neuesten humangenetischen und klimageschichtlichen Forschungen in Beziehung zu setzen. Über sprachliche Verwandtschaften hinaus zeigt er, welche Wirtschaftsweisen, Gesellschaftsformen und religiösen Vorstellungen die frühen Sprecher indoeuropäischer Sprachen vom östlichen Mittelmeer bis zum Indus gemeinsam hatten. Besondere Beachtung finden dabei die Verschmelzungsprozesse mit vorindoeuropäischen Sprachen und Zivilisationen. So entsteht ein faszinierendes Panorama der frühen "indoeuropäischen Globalisierung" vom Ende der letzten Eiszeit bis zu den frühen Hochkulturen in Griechenland, Kleinasien, Persien und Indien.
Autorenporträt
Harald Haarmann gehört zu den weltweit bekanntesten Sprachwissenschaftlern. Er wurde u.a. mit dem Prix Logos der Association européenne des linguistes, Paris, sowie dem Premio Jean Monnet ausgezeichnet. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Bei C.H.Beck erschienen u.a. Das Rätsel der Donauzivilisation (22012), Geschichte der Schrift (42011) sowie Weltgeschichte der Sprachen (22010).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2016

Alteuropa und seine Migranten
An der Donau war man schon weit: Harald Haarmann möchte mit den Indogermanen bekanntmachen und leistet sich dafür einige gewagte Spekulationen

Dass sich Harald Haarmann im Titel seines Buches auf die Spuren der "Indoeuropäer" begibt, mag für manchen Leser gewöhnungsbedürftig sein. Schließlich sind hierzulande die "Indogermanen" geläufiger. Der Autor begründet seine Wahl mit der Internationalität des Begriffs und suggeriert, "indogermanisch" sei ein Provinzialismus der deutschen Romantik. Doch anders als bei ihm zu lesen, wurde der Terminus nicht 1823 von Friedrich Schlegel eingeführt, sondern dreizehn Jahre zuvor vom dänischen Geographen Conrad Malte-Brun in der französischen Form "indo-germanique". Als ein ursprünglich rein linguistischer Klammerbegriff soll er die östlichsten und westlichsten Ausläufer im Verbreitungsgebiet dieser Sprachfamilie benennen. Auch diesen informativen Wert spricht ihm Haarmann ab mit dem Argument, dass die westliche Peripherie des Sprachraums nicht von germanischen, sondern von den keltischen Sprachen Irlands und Schottlands gebildet werde. Das noch weiter westlich gesprochene, zum germanischen Zweig zählende Isländisch ist ihm dabei offenbar aus dem Blick geraten. Tatsächlich gibt es keinen stichhaltigen Grund, im deutschsprachigen Raum auf den hier eingebürgerten Indogermanen-Begriff zu verzichten, zumal sich die Vertreter des Fachs - Harald Haarmann eingeschlossen - nach wie vor "Indogermanisten" nennen.

Haarmann greift in seinem Buch weit über den rein sprachwissenschaftlichen Bereich hinaus: Sein Ziel ist es, linguistische, archäologische und anthropologische Forschungsergebnisse so zusammenzuführen, dass die Menschen, die sich hinter der abstrakten Bezeichnung verbergen, mit ihrer Sprache und Kultur fassbar werden. Bei allem Bemühen, die komplizierten interdisziplinären Zusammenhänge auch für nicht vorgebildete Leser nachvollziebar zu machen - das Buch ist nicht immer laienfreundlich: Etliche linguistische und archäölogische Fachausdrücke bleiben unerläutert, und der Stil leidet gelegentlich unter akademischer Trockenheit. Doch wer die Leseanstrengung nicht scheut, bekommt eine Fülle von sonst weitverstreuten Informationen geboten, die Haarmann zu einem Gesamtbild zusammenfügt. In dieser homogenisierenden Darstellung liegt allerdings auch ein grundsätzliches Problem des Buches, denn sie suggeriert Eindeutigkeiten, wo in Wirklichkeit Unklarheiten herrschen. Wer die Indogermanen eigentlich waren, wird in den beteiligten Fächern seit mehr als zwei Jahrhunderten kontrovers diskutiert, und nicht wenige Wissenschaftler bezweifeln, dass es auf diese Frage - jenseits der reinen Sprachgeschichte - überhaupt eine seriöse Antwort geben kann. Die Versuche, die Fülle der unterschiedlichen Daten nach Art eines Puzzles zusammenzusetzen, stoßen immer wieder auf hohe Hürden, denn Gene, Sprachen und archäologische Artefakte folgen ganz unterschiedlichen Mustern.

Eine Sprache kann sich wandeln oder durch eine andere Sprache verdrängt werden, ohne dass sich die Sprachgemeinschaft genetisch verändert. Produkte, Techniken oder kulturelle Bräuche werden manchmal gemeinsam mit der Sprache ihrer "Erfinder" weitergegeben, manchmal aber auch ohne sie, sie können sich durch Migration ausbreiten, aber auch durch Handel oder Nachahmung. Weder die Überreste in der Erde noch das biologische Erbgut geben darüber von sich aus Auskunft. Entsprechend groß sind die Spielräume der Interpretationen, die oft genug vom gerade herrschenden Zeitgeist gefärbt sind.

Zwar betont Haarmann, dass er mit "Indogermanen" kein Volk im biologischen oder politischen Sinne meint. Aber da er die Geschichte "der" Indogermanen - und nicht die ihrer Erforschung - erzählen will, suggeriert seine Darstellung zwangsläufig die Existenz einer ethnisch und kulturell homogenen Urgemeinschaft. Damit geht einher, dass viele kontrovers diskutierte Hypothesen, Theorien und Interpretationen bei ihm als gesicherte Fakten erscheinen.

Dazu gehört beispielsweise die Behauptung, die indogermanische und die uralische Sprachfamilie - aus ihr sind unter anderem Finnisch und Ungarisch hervorgegangen - stammten aus einer gemeinsamen Wurzel, dem 15 000 Jahre zurückliegenden "Nostratischen". Doch diese sprachliche Ururfamilie ist keineswegs "zufriedenstellend rekonstruiert", sondern eine zweifelhafte Hypothese über sprachliche Verhältnisse tief im vorgeschichtlichen Nebel. Auf gesicherteren Boden begibt sich Haarmann, wenn es um die Herkunftsregion der Indogermanen geht. Er geht davon aus, dass es sich um Viehnomaden handelte, die zunächst in den Steppen nördlich des Schwarzen und des Kaspischen Meeres lebten. Von dort aus wanderten ab der Mitte des 5. Jahrtausends vor Christus Gruppen in mehreren Schüben zunächst in die westlicheren Regionen Europa und später in Richtung Asien. Diese Steppen-Theorie wird momentan von der Mehrheit der Forscher geteilt, weil sie zu den derzeit verfügbaren Daten am besten passt. Aber auch die konkurrierende Anatolien-Hypothese, die bis vor einigen Jahren der Favorit war, ist noch keineswegs so erledigt, wie Haarmann unterstellt. Ihr zufolge waren es indogermanische Bauern aus der heutigen Türkei, die ihre Sprache zusammen mit der Landwirtschaft nach Europa brachten.

In Haarmanns Szenario trafen die patriarchalisch und hierarchisch organisierten Indogermanen auf eine "alteuropäische" Kultur, die einen Gegensatz zur nomadisch-kriegerischen Existenzform der Immigranten aus der Steppe bildete. Diese Gesellschaft trug egalitäre und mutterrechtliche Züge, das Fundament war die Landwirtschaft.. Den alteuropäischen Kern bildete die "Donauzivilisation", eine von Haarmann postulierte Hochkultur in Südosteuropa, die sogar schon über eine archaische Schrift verfügt haben soll. Doch dass ein solcher Kulturkreis überhaupt existiert hat, wird von vielen Archäologen bezweifelt. Für Haarmann jedenfalls reichen die Wurzeln der "Alteuropäer" tief in die Zeit zurück, denn vor der Ankunft der Indogermanen hätten innerhalb Europas keine wesentlichen Migrationen stattgefunden. Deshalb hätten die "Alteuropäer" den Ackerbau auch nicht von Migranten aus dem Nahen Osten direkt übernommen, sondern diese Techniken untereinander weitergegeben.

Dieses Bild von einer über Jahrtausende hinweg stabilen und autochthonen "alteuropäischen" Bevölkerung wird jedoch durch aktuelle Forschungen in Frage gestellt: Neue genetische Studien - die Haarmann in anderen Zusammenhängen auch anführt - legen nahe, dass es im sechsten Jahrtausend vor Christus eine massive Wanderungsbewegung von Bauern aus dem Nahen Osten nach Europa gab. Danach folgten dann wahrscheinlich die indogermanischen Einwanderungen. Wie soll man sich nun die ersten Begegnungen zwischen den "Alteuropäern" und den indogermanischen Neuankömmlingen vorstellen? Haarmann zufolge ging es überwiegend friedlich zu, wobei sich allerdings die Indogermanen zur herrschenden Schicht aufschwangen. Während die "Alteuropäer" die Sprache der Indogermanen übernahmen, eigneten sich diese die überlegenen Technologien ihrer neuen Heimat einschließlich des Ackerbaus an.

Für dieses Kontakt-Szenario liefert Haarmann einige plausible Argumente, die auf dem rekonstruierten indogermanischen Wortschatz beruhen. Doch daneben stehen Interpretationen archäologischer Funde, die gewagt und durchaus strittig sind. Vollends spekulativ ist der Rückgriff auf die viel jüngeren Kulturen der Antike, um von dort aus per Rückprojektion indogermanische Mythen, Weltbilder und poetische Sprachmuster herzuleiten. So präsentiert sich das Buch insgesamt als eine Mixtur von Informationen, deren sehr unterschiedliche Qualität für den Leser nur schwer zu unterscheiden ist. In der Indogermanistk ist es üblich, den Wörtern des Ur-Indogermanischen ein Sternchen voranzustellen, um deutlich zu machen, dass es sich hierbei nicht um überlieferte, sondern um rekonstruierte Ausdrücke handelt. Vielleicht sollte man bis auf weiteres das gesamte Konstrukt der "Indogermanen" mit einem solchen Vorzeichen versehen.

WOLFGANG KRISCHKE

Harald Haarmann: "Auf den Spuren der Indoeuropäer". Von den neolithischen Steppennomaden bis zu den frühen Hochkulturen.

Verlag C. H. Beck, München 2016. 368 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Krischke steht Harald Haarmanns Spurensuche kritisch gegenüber. Das Buch erscheint ihm als für den Laien mitunter schwer verständliche Mixtur aus gesicherten Informationen und Spekulationen, wobei der Leser mitunter nicht entscheiden könne, worum es sich handle, so Krischke. Wenn der Autor linguistische, archäologische und anthropologische Forschungsergebnisse zusammenstellt, um die Indogermanen als Menschen mit einer Sprache und einer Kultur fassbar zu machen, hätte sich der Rezensent mehr Begriffserläuterungen und einen weniger akademischen Stil gewünscht. Wer dennoch weiterliest, erhält laut Krischke eine Fülle von Informationen als Gesamtbild. Wobei das Gesamtbild für den Rezensenten eine Eindeutigkeit und Homogenität in Bezug auf die Indogermanen suggeriert, die er nicht erkennen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH