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Varnhagen von Ense (1785 - 1858), Diplomat und Schriftsteller, der mit seiner Frau Rachel den berühmten literarischen Salon in Berlin führte, wird hier mit einer seiner wichtigsten Korrespondenzen vorgestellt: Der Verleger Johann Friedrich Cotta und später dessen Sohn Johann Georg sind die Adressaten dieser Briefe. Fußend auf den Beständen des Marbacher Cotta-Archivs und unter Rückgriff auf den bis in die 1980er Jahre verloren geglaubten Varnhagen- Nachlaß der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau, werden alle erreichbaren Briefe dieser Korrespondenz textgetreu präsentiert. Aufgenommen sind…mehr

Produktbeschreibung
Varnhagen von Ense (1785 - 1858), Diplomat und Schriftsteller, der mit seiner Frau Rachel den berühmten literarischen Salon in Berlin führte, wird hier mit einer seiner wichtigsten Korrespondenzen vorgestellt: Der Verleger Johann Friedrich Cotta und später dessen Sohn Johann Georg sind die Adressaten dieser Briefe. Fußend auf den Beständen des Marbacher Cotta-Archivs und unter Rückgriff auf den bis in die 1980er Jahre verloren geglaubten Varnhagen- Nachlaß der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau, werden alle erreichbaren Briefe dieser Korrespondenz textgetreu präsentiert. Aufgenommen sind ferner die handschriftlich überlieferten Zeitungsartikel Varnhagens aus der »Allgemeinen Zeitung«.

Die beiden sorgfältig edierten Bände geben Einblick in das Denken zweier Zeitzeugen, die zwar keine bevollmächtigten Staatsmänner waren, aber in ihrer regen Anteilnahme am politischen Zeitgeschehen eine publizistische Interessengemeinschaft entwickeln. Die Briefe enthalten von der feuilletonistischen Theaterkritik über das aphoristische Fragment bis zum politischen Raisonnement alle literarischen Formen. Sie dokumentieren die Auseinandersetzungen um die Einführung der Länderverfassungen im Deutschen Bund nach 1815 und die Aktivitäten der süddeutschen Verfassungsbewegung. Und nicht zuletzt sind sie Dokumente der Goethe-Rezeption und Goethe-Verehrung.
Autorenporträt
Cotta, Johann FriedrichJohann Friedrich Cotta (1764-1832), seit 1817 von Cotta von Cottendorf, seit 1822 Freiherr, führte als Verleger von Goethe und Schiller die J.G. Cotta'sche Buchhandlung zu Weltruhm.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2007

Wenn das der Duden wüsste
Rechtschreibliberale alter Schule: Cottas und Varnhagens Briefe

Der eine war der erste deutsche Verleger, der schon die Statur eines Konzernchefs besaß; der andere als Diplomat, Historiker, Publizist und Literaturkritiker ein vielseitiges Talent, wie es sich jeder Buch- und Zeitungsverleger wünscht. Cotta gewann für seinen Verlag Goethe und Schiller; Varnhagen verdiente sich nach dem ironischen Ausspruch seines Freundes Heine den Titel "Statthalter Goethes auf Erden". Beide konnten nicht mit einem adligen Vater aufwarten, aber sich auf die aristokratische Herkunft eines Vorfahren berufen und erhielten das Adelsprädikat nachträglich zugesprochen. Doch beide waren politische Gegner der alten Adelsherrschaft.

Der Freiherr von Cotta beteiligte sich an riesigen Aktiengeschäften (Fabriken und Dampfschifffahrt) und hinterließ den Erben viel Ärger; Karl August Varnhagen von Ense, der 1814 die Königin der Berliner Salons, Rahel Levin, geheiratet hatte, gefiel sich in der Rolle eines literarischen Prinzgemahls und stellte sich nach Rahels Tod ganz in den Dienst ihres Nachruhms.

Der Briefwechsel zwischen Varnhagen von Ense und Johann Friedrich von Cotta liegt nun in einer zweibändigen Ausgabe vor, die den Philologen wie den Historiker und darüber hinaus den am politischen und kulturellen Leben in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts interessierten Leser gleichermaßen erfreuen muss. Die Arbeit für den Briefband und den umfassenden, das weite "Kommunikationsnetz" der beiden Briefschreiber heranziehenden Kommentar im zweiten Band teilten sich Konrad Feilchenfeldt, Bernhard Fischer und Dietmar Pravida, die dafür schon durch ihre Vorarbeiten qualifiziert waren. Diese Ausgabe war nach Wilhelm Vollmers Sammlung der Briefe Schillers und Cottas (1876), Horst Fuhrmanns und Lieselotte Lohrers Edition der Korrespondenz von Schelling und Cotta (1965) und Dorothea Kuhns Ausgabe des Briefwechsels zwischen Goethe und Cotta (1979 bis 1983) nur noch wünschbarer geworden. Denn Varnhagen stand Cotta nicht nur als Autor des Stuttgarter Buchverlags, sondern auch als Mitarbeiter der Augsburger "Allgemeinen Zeitung" nahe; die Bibliographie der Beiträge zwischen 1814 und 1849 umfasst mehrere hundert Artikel.

Aber die Beziehungen, die schließlich freundschaftlichen Charakter annahmen, waren nicht nur geschäftlicher Art, obwohl die politischen Verbindungen Varnhagens und dessen enormer Bekanntenkreis dem Verleger und Zeitungsherausgeber willkommen sein mussten, wie umgekehrt Varnhagen eigene Freunde dem Verleger zuführte. Die folgenreichste Vermittlung war die seines Freundes Heinrich Heine (die erste Empfehlung des "jungen Freunds" und Verfassers der "hochgenialen Reisebilder" trägt das Datum des 11. Mai 1827). Die berühmten Briefe Heines aus Paris über Politik, Kunst und Volkscharakter erschienen in der Augsburger "Allgemeinen Zeitung" seit 1831, die wichtigsten, später unter dem Titel "Lutetia" gesammelten, in den Jahren zwischen 1840 und 1843. Aber funktionieren konnten die Beziehungen Varnhagens zu Cotta wie zu Heine nur, weil gemeinsame liberale Ansichten in politischen und literarischen Kernfragen die drei verbanden. Cotta und Varnhagen waren Patrioten, aber alles andere als "Franzosenfresser". Varnhagen förderte nach seiner Ernennung zum Geschäftsträger Preußens am badischen Hof im Jahre 1815, von Berlin aus bald misstrauisch beobachtet, die Arbeit im badischen Verfassungsausschuss und Bestrebungen "für das Bürgertum, gegen die Vorrechte des Adels". Mit den "Demagogenverfolgungen", die der Mord des Studenten Karl Sand am Schriftsteller Kotzebue, dem verhassten "Verräter" und "Obskuranten", auslöste (1819), fiel auch Varnhagen in Ungnade, wurde vom Mannheimer Hof abberufen und zunächst in den Wartestand, 1824 in den Ruhestand versetzt. Der Briefwechsel spiegelt Varnhagens Bitterkeit über die verschärfte Zensur und die politische Stagnation. "Papiere sind jetzt ein böser Schatz, sie können jeden Augenblick zu feurigen Kohlen werden." Er fühlte sich bedrückt von der "Gewitterstille, die über Deutschland brütet". Bis zu seinem Tod 1858 lebte er in Berlin.

Cotta, der auch größeren Grundbesitz und Güter in Württemberg besaß, schaffte, "bürgerliche" Ideen in die Tat umsetzend, als Erster auf seiner Herrschaft Plettenberg die Leibeigenschaft ab. Beim Wiener Kongress suchte er seinen Einfluss für die Pressefreiheit und für das Verbot von Raubdrucken geltend zu machen. Im Württembergischen Landtag, wo auch Ludwig Uhland in den Verfassungskämpfen mitfocht, wirkte er als Abgeordneter und schließlich bis ins Jahr vor seinem Tode (1832) als Vizepräsident. Im Auftrag Bayerns und Württembergs verhandelte er 1828/29 über den Beitritt Badens zum süddeutsch-preußischen Handelsverein.

So können weder das Feilschen um Honorare, das wir auch aus den Beziehungen Cottas zu Goethe und Schiller kennen, noch die wechselseitigen Informationen über Familienangelegenheiten darüber hinwegtäuschen, dass hier das geschichtlich-politische Interesse vorherrscht und auch in Briefen noch durchschlägt, deren Anlass persönliche Mitteilungen sind. Wer sich etwa ein Bild über die Lebensverhältnisse von Rahel Varnhagen machen will, der greife besser zum Briefwechsel Rahels mit ihrer anrüchig berühmten Freundin Pauline Wiesel (1997). Diese von Barbara Hahn herausgegebene Sammlung und die Briefe Cottas und Varnhagens zusammen vermitteln eine lebendige Anschauung von der Entwicklung der deutschen Sprache in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Paulines Schriftsprache liegt noch vor aller Sprachregelung. Rahels Briefdeutsch nimmt sich die Freiheit des Poetischen. Cottas Geschäftssprache lässt zunächst keine Einheitlichkeit in Grammatik und Rechtschreibung erkennen; Schulmeister Duden hätte sich die Haare gerauft, heute hätte man diesem Verleger kein Lektorat, geschweige denn die Stelle eines Korrektors angeboten. Später merkt man, dass Cotta bei seinen Autoren in die Lehre gegangen ist. Am gefeiltesten wirkt die diplomatisch-literarische Briefsprache Varnhagens; sie steht der klassischen Form, zu der Goethe die Dichtungs- wie die Mitteilungssprache geführt hat, am nächsten. So nimmt sie eine Vermittlerstelle in jener Kultivierung unserer Sprache ein, für die Nietzsche später Goethe und Heine (und sich selber) lobt.

So manchen Einblick in die Lebens-, Kommunikations- und Verkehrsverhältnisse der Zeit erlauben diese Briefe. Das Industriezeitalter dämmert herauf; Cottas Investitionen in die Dampfschifffahrt enden, glaubt man den Briefen, in einem Desaster. Wer heute frühmorgens die frische Tageszeitung aufschlägt, denke gelegentlich daran, dass die Augsburger "Allgemeine Zeitung" damals mit der fahrenden Post für die Strecke Augsburg-Berlin eine Woche brauchte. Dass Varnhagen seine Post möglichst Freunden und Bekannten anvertraute und auf die Reise mitgab, geschah oft nicht der Dringlichkeit halber, sondern um die Briefe den Spüraugen der Postüberwachung zu entziehen. Der Briefwechsel zwischen Varnhagen und Cotta lädt ein zum Vergleich mit dem kürzlich erschienenen Band von Briefen Heinrich Heines und seines Hamburger Buchverlegers Julius Campe. Um Drängen nach Beschleunigung des Drucks von Manuskripten und hinhaltendes Begründen der Verzögerung geht es oft in beiden Briefwechseln; verschiedene Auffassungen über die angemessene Höhe von Honoraren verstehen sich von selbst.

Aber alles geschieht in ganz unterschiedlichem Stil. Die gemeinsamen politischen Interessen Varnhagens und Cottas mildern den Abstand zwischen der literarischen Prosasprache Varnhagens und der Verhandlungssprache Cottas. In Heines und Campes Briefen aber treten Autor und Verleger oft zum literarisch-artistischen Wettkampf an. Beide werfen sich die Bälle der geistreichen Anspielung und der schlagfertigen Antwort zu. Hier messen sich Autor und Verleger in der Kunst des Wortspiels.

WALTER HINCK

Karl August Varnhagen von Ense, Johann Friedrich von Cotta: "Briefwechsel 1810 - 1848". Textkritisch herausgegeben und kommentiert von Konrad Feilchenfeldt, Bernhard Fischer und Dietmar Pravida. Band I: Text; Band II: Kommentar. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006. 370 und 652 S., geb., beide Bände zusammen 98,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Briefband stillt ein Verlangen des Rezensenten. Laut Walter Hinck ergänzt er die Korrespondenzen Cottas mit Schiller, Goethe und Schelling und spricht Historiker, Philologen und politisch und kulturell Interessierte gleichermaßen an. Die von einem "umfassenden" wie "qualifizierten" Kommentar begleiteten Briefe geben Hinck dementsprechend weniger Einblick in Familiäres und Geschäftliches als vielmehr in die "gemeinsamen liberalen Ansichten" der Briefpartner, die er aus dem sich immer wieder zeigenden "geschichtlich-politischen Interesse" herausliest. Philologisch interessant erscheint Hinck der Vergleich der Briefe mit anderen Korrespondenzen der Zeit (Heine und Campe etwa). Die allgemeinen Kommunikationsverhältnisse sowie die sprachlichen Eigenheiten - "literarische Prosasprache" bei Varnhagen von Ense, "Verhandlungssprache" bei Cotta - würden so deutlich.

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