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Nach ihrer Einbindung und Verstrickung in das NS-Regime unternahm die deutsche Anwaltschaft 1945 einen neuen Aufbruch in die freie Advokatur. Starke Rechtszersplitterung durch die und innerhalb der Besatzungszonen hat dies erschwert. Interessenkonflikte zwischen den heimischen Anwälten und denen, die als Flüchtlinge oder Berufsfremde in die Anwaltschaft strebten, führten zu mancher Zerreißprobe. Begehrlichkeiten neuer politischer Einbindung in den Zeiten des kalten Krieges wurden im Westen mühsam abgewehrt. Unter der Herrschaft der sozialistischen Machthaber gelang dies im Osten nicht. Das…mehr

Produktbeschreibung
Nach ihrer Einbindung und Verstrickung in das NS-Regime unternahm die deutsche Anwaltschaft 1945 einen neuen Aufbruch in die freie Advokatur. Starke Rechtszersplitterung durch die und innerhalb der Besatzungszonen hat dies erschwert. Interessenkonflikte zwischen den heimischen Anwälten und denen, die als Flüchtlinge oder Berufsfremde in die Anwaltschaft strebten, führten zu mancher Zerreißprobe. Begehrlichkeiten neuer politischer Einbindung in den Zeiten des kalten Krieges wurden im Westen mühsam abgewehrt. Unter der Herrschaft der sozialistischen Machthaber gelang dies im Osten nicht. Das Buch beschreibt jedoch, wie ostdeutsche Anwälte sich gleichwohl in beachtlichem Umfang Möglichkeiten echter Interessenvertretung ihrer Mandanten bewahrt haben. Im Westen war die erst 1959 erreichte Bundesrechtsanwaltsordnung nur ein erster Schritt. Weder die Politik noch die Anwaltschaft hatten voll erfasst, was unter der Geltung des Grundgesetzes freier Beruf und freie Advokatur bedeuten, nicht nur Freiheit von staatlicher Intervention, sondern auch Freiheit von einer Bevormundung durch die anwaltliche Selbstverwaltung, wo Gründe des Gemeinwohls diese nicht gebieten.

Das Buch zeigt, wo und wie Anwälte erst lernen mussten, freie Advokatur zu leben und wie sehr von einem positiven Umgang damit die Zukunft der Anwaltschaft abhängt. Es zeigt auch, wie es nach 1990 gelungen ist, dass aus der Anwaltschaft in West und Ost eine deutsche Anwaltschaft entsteht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2010

Wandelbare Advokaten
Ein Anwalt hat seinen Berufsstand erforscht

Der Titel führt ein wenig in die Irre: Nicht bloß einzelne Advokaten stellt Felix Busse in seinem Buch vor. Vielmehr geht es um die gesamte Anwaltschaft hierzulande und deren Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Busse hat eine Kombination aus Geschichtsbuch und Gegenwartskunde geschrieben. Das Werk ist faktengesättigt, die Fülle an Details schier unerschöpflich. Mancher wird es daher als Nachschlagewerk nutzen - dabei aber bei wohl jeglichem Thema fündig werden, das die Zunft der Rechtsberater seit der Befreiung vom Nationalsozialismus beschäftigt.

Gegliedert ist das Kompendium zweifach: in verschiedene Zeitetappen (etwa die Phase der Militärregierung der Alliierten) wie auch in West und Ost. Denn dies ist eines der besonderen Verdienste Busses. Selbst in der DDR zur Schule gegangen, beleuchtet er nun auch die Rolle der Anwälte in der kommunistischen Diktatur gründlich. Dafür hat er Interviews mit juristisch beschlagenen Zeitzeugen geführt - vom heutigen Linkspolitiker Gregor Gysi über den damaligen Unterhändler für den Freikauf von politischen Gefangenen durch den Westen, Wolfgang Vogel, bis zum Ost-CDU-Mann Lothar de Maizière.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt im fundamentalen Wandel des Berufsrechts. Vieles, was heute in Zeiten der Globalisierung selbstverständlich erscheint, war noch vor wenigen Jahrzehnten vom Standesrecht her streng verboten: Werbung für Kanzleien; Sozietäten mit mehr als einem Standort oder gar in verschiedenen Ländern; das Recht, nicht nur an einem einzigen Landgericht im gesamten Bundesgebiet aufzutreten. "Lächerliche Kleinigkeiten wurden als unzulässige Werbung verfolgt", rügt Busse - und dies "mit inquisitorischem Eifer". Da kamen schon einmal Vertreter der Anwaltskammern und maßen die Größe des Namensschildes an der Kanzleitür nach. Für Rechtsanwälte, die sich nach ihrem Selbstverständnis gerne am Staat reiben, kommt selbst das Einschreiten ihrer eigenen Selbstverwaltungsorgane mitunter einem autoritären Eingriff in Freiheitsrechte gleich.

Vieles von dieser Entwicklung hat das Bundesverfassungsgericht mit seinen legendären "Bastille-Entscheidungen" von 1987 eingeleitet (sie heißen so, weil sie auf den 14. Juli fielen). Mittlerweile geht weiterer Druck in dieselbe Richtung von der Europäischen Union aus. Busse sieht all dies positiver als manche Kritiker, die einen "Sittenverfall" beklagen und eine Wandlung zum merkantil denkenden "Rechtskaufmann" argwöhnen. Die von Busse zitierte Akzeptanz der Rechtsberater in Meinungsumfragen scheint ihm recht zu geben.

Auch dass sich sein Berufsstand in dem von ihm beschriebenen Zeitraum vervielfacht hat und mancher Robenträger vorrangig vom Taxifahren lebt, beunruhigt ihn wenig - zumal womöglich mehr als ein Drittel der zugelassenen Anwälte nur den schönen Titel führen, aber diesen Beruf nicht ernsthaft ausüben will. Busse steuert ökonomische Daten bei, denen zufolge der Markt für Beratungsdienstleistungen ebenfalls deutlich gewachsen ist. Dass der Verfasser einst selbst Präsident des Deutschen Anwaltvereins war, garantiert profunde Insiderkenntnisse. Mitunter gewinnt der Band dadurch Züge einer Autobiographie - zumal Busse sich nicht scheut, in der ersten Person zu schreiben. Wer ihn kennt, wird schmunzeln; über einen anderen Sprachstil wäre man da eher überrascht gewesen.

JOACHIM JAHN

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"Der Bonner Anwalt und frühere Präsident des Deutschen Anwaltsvereins (DAV), Felix Busse, hat eine voluminöse Gesamtübersicht über die Geschichte der deutschen Anwaltschaft seit dem zweiten Weltkrieg vorgelegt. Inkorporiert in die fast 700 Seiten ist auch eine 200 Seiten umfassende Darstellung der Entwicklung der Anwaltschaft in der DDR, einschließlich ihres Übergangs in die Bundesrepublik. Allein dieser Teil der Untersuchung schließt verdienstvoller Weise mehrere zeitliche Lücken. [...] Busse hat sogar noch unerschlossene Justizakten aus dem Bundesarchiv ausgewertet und diese durch Interviews mit mehreren ehemaligen DDR-Anwälten [...] ergänzt." Christian Booß, in: Der Tagesspiegel, 27.06.2010