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Ta-Nehisi Coates hat mit seinem Buch »Zwischen mir und der Welt« ein leidenschaftliches und zugleich schmerzhaftes Manifest gegen Rassismus geschrieben. In Form eines Briefes, der an seinen Sohn Samori gerichtet ist, verbindet Coates die amerikanische Geschichte mit seiner persönlichen. Er schreibt darüber, dass es nicht nur ein Problem individueller Verfehlung ist, wenn in den USA Schwarze von Polizisten ermordet werden. Denn rassistische Gewalt ist fest eingewoben in die amerikanische Identität - sie ist das, worauf das Land gebaut ist. Afroamerikaner besorgten als Sklaven seinen Reichtum…mehr

Produktbeschreibung
Ta-Nehisi Coates hat mit seinem Buch »Zwischen mir und der Welt« ein leidenschaftliches und zugleich schmerzhaftes Manifest gegen Rassismus geschrieben. In Form eines Briefes, der an seinen Sohn Samori gerichtet ist, verbindet Coates die amerikanische Geschichte mit seiner persönlichen. Er schreibt darüber, dass es nicht nur ein Problem individueller Verfehlung ist, wenn in den USA Schwarze von Polizisten ermordet werden. Denn rassistische Gewalt ist fest eingewoben in die amerikanische Identität - sie ist das, worauf das Land gebaut ist. Afroamerikaner besorgten als Sklaven seinen Reichtum und sterben heute als freie Bürger auf seinen Straßen. Coates fordert die Menschen auf, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um ein Bewusstsein in Bezug auf rassistische Diskriminierung zu entwickeln und gegen sie zu kämpfen. Sein Buch ist bereits wenige Monate nach Erscheinen zum Klassiker geworden, der aus keiner zukünftigen Diskussion um Rassismus wegzudenken ist.
Autorenporträt
Ta-Nehisi Coates ist vielfach ausgezeichneter Journalist und einer der bedeutendsten Intellektuellen der USA. Mit seinem Essay 'Plädoyer für Reparationen' stieß er eine landesweite Diskussion zur Aufarbeitung der Sklaverei an. 'Zwischen mir und der Welt' führte monatelang die amerikanischen Bestsellerlisten an. Coates lebt mit seiner Familie in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2016

Schwarzer Zorn
„Zwischen mir und der Welt“: Der amerikanische Autor Ta-Nehisi Coates hat das explosivste Buch der aktuellen
Rassismus-Debatte geschrieben. Den Weißen will er nicht vergeben, den Afroamerikanern macht er keine Hoffnung
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
Kugeln auf Schwarze, ob aus Dienstwaffen oder nicht, sind in den USA tägliche Routine. Doch seit der Welle von Gewalt, seit der Ermordung von Trayvor Martin, seit Ferguson und Charleston, wird nun endlich darüber gesprochen. Man hatte in den USA schon hier und dort die „post-rassische“ Ära“ ausgerufen, seit der erste Afroamerikaner Präsident wurde. Doch das erwies sich als voreilig. Ob es um die Toten ging, ob um Harper Lees Buch „Gehe hin, stelle einen Wächter“, ob um die weißen Oscars: Die Debatte um Schwarz und Weiß wird mit einer Heftigkeit geführt wie seit Jahrzehnten nicht.
  Keiner bestimmte diese Debatte so wie Ta-Nehisi Coates. Der 1975 in Baltimore geborene Autor, der vor allem für den Atlantic Monthly schreibt, hat mit „Zwischen mir und der Welt“ den Text zur Stunde geschrieben. Eben ist er – leider schludrig übersetzt – auch auf Deutsch erschienen. Man könnte alles wissen, was in diesem Buch steht, man weiß es auch. Dennoch trifft es einen wie ein Schock.
  Das liegt nicht zuletzt daran, dass Coates seiner erbarmungslosen Diagnose des amerikanischen Rassenproblems die Form eines Briefs an seinen 14-jährigen Sohn Samori gibt. Coates entgeht damit nicht nur einem alten Dilemma schwarzen Schreibens – wen soll es ansprechen, schwarze oder weiße Leser? Er erzeugt einen intimen Binnenraum, in den der Leser mit angehaltenem Atem eintritt, um nicht zu stören. Nur um dann um so fassungsloser zu hören, was der Vater dem verletzlichen, unschuldigen, noch hoffnungsvollen jungen Mann auf den Weg mitgibt. Man möchte dieser Sohn nicht unbedingt sein.
  Es sind zwei Geschichten, die Coates seinem Sohn erzählt. Die eigene, eine Geschichte vom Aufstieg und von wahrgewordenen Träumen: Er wurde nicht Opfer der Polizei, kam nicht ins Gefängnis, schmiss nicht die Highschool, sondern wurde ein hoch angesehener Autor mit Festanstellung bei einer der besten Zeitschriften des Landes – und das, ohne sich anzupassen.
  Und die von der Erfahrung, Schwarzer in Amerika zu sein. Von der Angst, die sich im Bewusstsein festkrallt und den Körper, die Gesten, das Fühlen und Denken chronisch deformiert. Sein eigener Erfolg, sein Aufstieg, die Macht seiner schwarzen Stimme, ändert nichts an seiner durch die Hautfarbe bestimmten Minderwertigkeit im weißen Amerika. Dass sein Sohn weniger Gewalt erlebt, dass er nicht, wie Coates selbst, von seinem Vater geschlagen wird, kann nichts daran ändern, dass auch er dieses Stigma zeit seines Lebens tragen wird: „Mein schöner, brauner Junge“, spricht Coates in Gedanken den Säugling an, den er im Kinderwagen durchs idyllische West Village schiebt, „der du bald eingeweiht werden und die Verordnungen deiner Galaxie begreifen würdest, all die Gelegenheiten zur Auslöschung, die auf dich warteten“.
  Von den anderen, den Weißen, denen also, die wirklich in dieses privilegierte Viertel New Yorks gehören, deren Kinder angstfrei auf dem Gehsteig spielen, werden seinen Sohn immer Welten trennen, prophezeit Coates. Als „Träumer“ bezeichnet er sie – und meint damit nicht, dass sie träumen, sondern, dass sie den Traum leben, den Coates selbst nur aus dem Fernsehen kennt, die Welt „jenseits des Firmaments“, wo „kleine weiße Jungs lebten, denen nichts fehlte als eine hübsche Freundin“.
  Doch „der Traum“ – nicht zu verwechseln mit Martin Luther Kings Traum – bezeichnet eben auch die für die Weißen angenehme Illusion, die Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß seien auf einem unaufhaltsamen Kurs Richtung Entspannung und Normalität. Hautfarbe verlöre als Kriterium an Bedeutung, wir seien alle irgendwie bunt.
  Coates will davon nichts wissen. „Ich möchte, dass du Folgendes weißt“, mahnt er seinen Sohn: „In Amerika ist es Tradition, den schwarzen Körper zu zerstören.“ Sklaverei bedeutete „sorglose Gewalt und willkürliche Verstümmelung, bedeutete gespaltene Schädel und den Fluss verspritzten Hirns.“ Wir sind das „Unten“, schreibt er. „Das galt 1776. Das gilt auch heute. Es gibt kein sie ohne dich, und ohne das Recht, dich zu brechen“. Coates erspart seinem Sohn – und seinem Leser – nichts. Nicht einmal der Katastrophe von 9/11 und ihren Opfern gesteht er einen Ort außerhalb dieser amerikanischen Geschichte zu: „das südliche Manhattan war für uns schon immer Ground Zero . . . Dort hatten sie unsere Körper versteigert.“
  Die Wucht von Coates’ Buch rührt aber auch von seiner tiefen Verankerung in der Geschichte der Rassendebatte des 20. Jahrhunderts. Coates’ Vater gehörte den Black Panthers an, arbeitete als Archivar in der schwarzen Howard University und führt heute einen auf afroamerikanische Autoren spezialisierten Verlag. Das Buch ist an James Baldwins „The Fire Next Time“ angelehnt, und wie Baldwin geht auch Coates schließlich nach Paris, sein erster Auslandsaufenthalt, und erlebt zum ersten Mal fassungslos die Befreiung von dem Druck und der Anspannung, unter der er als Schwarzer in den USA seit frühester Kindheit und permanent lebte. Und vollends geadelt wurde Coates durch Toni Morrison, nicht nur eine der bedeutendsten amerikanischen Schriftstellerinnen, sondern auch eine Schwarze und zu dessen Lebzeiten eng mit Baldwin befreundet. „Ich habe mich lange gefragt, wer das intellektuelle Vakuum füllen könnte, das James Baldwin hinterlassen hat. Ganz klar: Es ist Ta-Nehisi Coates.“
  Coates’ hoher Ton, sein Pathos, seine alttestamentarische Drastik erinnern an die Rhetorik schwarzer Prediger. Immer wieder hört man im Kopf die Gemeinde „Amen!“ beipflichten. Doch da ist keine Gemeinde. Da ist auch kein Gott. Coates ist Atheist, er kennt keine Hoffnung, weder auf Gerechtigkeit im Jenseits noch auf bessere Zeiten auf Erden.
  Sein Buch bricht gnadenlos mit dem unausgesprochenen Agreement zwischen Schwarz und Weiß: Die Schwarzen, so etwa lautet es, dürfen und sollen über das Unrecht sprechen, das ihnen widerfährt, aber nicht so unversöhnlich, dass es ihren Outsider-Status festschreiben und die Weißen ängstigen könnte. Und die Hoffnung darf nie schwinden. Barack Obama ist das lebende Beispiel dafür, wie weit man es damit bringt. Als Coates einmal ins Weiße Haus geladen war, nahm Obama ihn beiseite und meinte: „Verzweifle nicht!“
  Doch Coates hält nichts von Vergebung. Kurz nachdem „Zwischen mir und der Welt“ erschienen war, legte er im Atlantic mit einem Text nach, der in dem Hanser-Band ebenfalls enthalten ist: „Plädoyer für Reparationen“. Dort verlangt Coates von der amerikanischen Regierung Entschädigungszahlungen für die „Plünderung“ schwarzen Eigentums und die Zerstörung schwarzen Lebens von der Sklavenzeit bis heute. Der Text ist einer der meistdiskutierten Artikel der letzten Jahre.
  „Zwischen mir und der Welt“ wurde von der amerikanischen Kritik mit einer paradoxen Verhaltenheit gefeiert. Wer sich abgestoßen fühlte vom gnadenlosem Bohren in – mutmaßlich – heilenden Wunden, wagte nicht, es zu sagen. Wer sich angegriffen fühlte, ebenfalls nicht. Er hat ja recht.
  Anders ist es mit seinem Text zu den Reparationen, um den sich gerade eine hitzige Debatte entspinnt, seit Hillary Clintons Rivale Bernie Sanders Coates’ Forderungen in Bausch und Bogen ablehnte. Statt Entschädigungen zu zahlen, müsse der Staat seine sozialen Institutionen ausbauen. Auch das linke Magazin Jacobin verurteilte Coates. Es gehe längst nicht mehr um Rasse, sondern um Klasse. Coates rede unfreiwillig den Neoliberalen das Wort. Wie auch immer die Debatte ausgeht, irgendwann musste Amerika sie wohl führen.
Ta-Nehisi Coates: Zwischen mir und der Welt. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Hanser Berlin 2016. 240 S., 19.90 Euro. E-Book 15,99 Euro.
„Ich möchte, dass du weißt: In
Amerika ist es Tradition, den
schwarzen Körper zu zerstören.“
„Verzweifle nicht“, meinte
Obama zu Coates, als der ihn
im Weißen Haus besuchte
Mit der Wucht eines Predigers: Ta-Nehisi Coates.
Foto: The New York Times/Redux/laif
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

In drei als Briefe an seinen Sohn gestalteten Aufsätzen schildert Ta-Nehisi Coates seine Bildungsbiografie als Bewusstwerdung afro-amerikanischer Geschichte, erklärt uns Rezensent Julian Weber. Das angeschlagene Tempo ist hoch, der Tonfall nachdrücklich, worunter die Qualität der Argumentation allerdings keineswegs leidet, versichert der Kritiker. Die Texte kreisen um den historisch-politischen Zusammenhang von "Körper, Gewalt und Rassismus", notiert Weber und kann Coates' Analyse afroamerikanischer Geschichte nur zustimmen: Der zentrale Stellenwert, den die Masse an Sklavenkörpern für die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft einst einnahm, stehe in keinem Verhältnis zur Lebensrealität afroamerikanischer Menschen bis heute. Coates' Forderung nach Entschädigungszahlungen hält der Kritiker daher für folgerichtig und unterstützenswert: Neu sei sie zwar nicht, dass sie nun auch in der breiteren Öffentlichkeit formuliert wird, findet er allerdings gut.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2016

Der Ankläger der unvereinigten Staaten

Reparationen für drei Jahrhunderte Unterdrückung und Ausbeutung: Der Journalist und Autor Ta-Nehisi Coates möchte sich als führende Stimme des schwarzen Amerikas etablieren. Kann er diesen Anspruch mit seinem Buch tatsächlich einlösen?

Mit "Zwischen mir und der Welt" hat der amerikanische Journalist Ta-Nehisi Coates, der vor allem für das renommierte Magazin "The Atlantic" arbeitet, ein gleichermaßen provokantes wie poetisches Buch vorgelegt. Der soeben erschienenen deutschen Ausgabe ist ein bereits 2014 im "Atlantic" veröffentlichter Essay beigegeben, der in den Vereinigten Staaten hohe Wellen geschlagen hat, fordert er doch Reparationen für die aktuell dort lebende schwarze Bevölkerung - eine Entschädigung für die in der Sklaverei und der Phase der Rassentrennung bis in die sechziger Jahre erlittenen systematischen Benachteiligungen und Grausamkeiten.

Nun wurde diese Debatte in den vergangenen Jahrzehnten gerade von Seiten der radikalen schwarzen Bürgerrechtsbewegung beständig aufs Neue angestoßen, und Coates greift viele etablierte Argumente und Einwände auf. Es ist daher weniger das Neue seiner Ausführungen, sondern ihre intellektuelle Stringenz und die Wortgewalt, mit der er formuliert. Coates meldet unübersehbar den Anspruch an, eine der führenden intellektuellen Stimmen der amerikanischen Schwarzen im einundzwanzigsten Jahrhundert zu werden. Und er hat einen eindrucksvollen Punkt: Ohne die Ausbeutung und Unterdrückung der mehr als drei Jahrhunderte versklavten schwarzen Bevölkerung wäre der Aufstieg der Vereinigten Staaten zur führenden Wirtschaftsnation und zum Welthegemon kaum gelungen.

Dieser Umstand spielte lange Zeit keine oder bestenfalls eine randständige Rolle. In der Selbstsicht des weißen Amerikas der Mittelklasse waren es deren protestantische und liberale Werte - Individualismus, Freiheitswillen, Streben nach Fortschritt und sozialem Aufstieg, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit -, die den Aufstieg des Landes überhaupt ermöglichten.

Aus Sicht weißer Angelsachsen war die Geschichte der Vereinigten Staaten eine außergewöhnliche Erfolgsstory. Das Drama, die Widersprüche, auf die schon die Briten während des Unabhängigkeitskriegs aufmerksam gemacht hatten und die letztlich im Bürgerkrieg mündeten, wurden ausgeblendet. Selbst nach dem Bürgerkrieg wurde die Nation auf Kosten der unterdrückten schwarzen Bevölkerung reintegriert.

Rasse wurde mindestens so wichtig wie Klasse, selbst wenn gleichfalls unterdrückte und verfolgte irische Katholiken dies heute noch anders sehen. Wie relevant der Unterschied von Schwarz und Weiß ist, belegen Woche um Woche die Berichte über Polizeigewalt gegenüber unbewaffneten und oft unschuldigen Schwarzen in den Gettos amerikanischer Großstädte. Dennoch vermag Coates' eindringliche Anklageschrift nicht vollständig zu überzeugen, vor allem, wenn er seine Reparationsforderung mit den Wiedergutmachungsleistungen der Deutschen an Israel und die Juden nach dem Holocaust vergleicht. Hier geht es gar nicht so sehr um die erstarrte Formel von der Einzigartigkeit des Holocausts, sondern um das Problem, wer wann und warum Reparationen ausgezahlt bekommen soll. Im Falle der Überlebenden des Holocausts drehte sich alles um konkrete Opfer einer gerade erst beendeten, schier unfassbaren Gewaltorgie. Bei den amerikanischen Schwarzen müssten die strukturellen Folgen einer historischen Abscheulichkeit, die indes in ihrer Zeit von vielen als vollkommen legitim angesehen wurden, abstrakt entschädigt werden.

Kann ein Rechtsstaat dies überhaupt leisten? Werden da nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet? Inwieweit würden die zu entwickelnden Maßstäbe der Auszahlung zum einen die definitorischen Systematiken der Täter widerspiegeln, inwieweit kann man sozialen Veränderungen seit der Sklaverei Rechnung tragen? Bekämen heutige Angehörige der schwarzen Mittelklasse, deren Vorfahren sicher versklavt waren, mehr oder weniger als arme Schwarze, deren Vorfahren erst im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts eingewandert sind? Es bleiben Zweifel, ob Reparationen einem weiter zurückliegenden historischen Unrecht wirklich angemessen sein können.

Deutlich überzeugender ist der Kern des Buches, ein formal an James Baldwins "The Fire Next Time" von 1963 ausgerichteter Brief an seinen Sohn Samiri. In diesem schildert er seinen intellektuellen Werdegang vor dem Hintergrund weißer Polizeigewalt im Baltimore der achtziger und neunziger Jahre sowie diverser zeitgenössischer Gewalttaten, unter denen der Mord an seinem Studienfreund Prince Jones herausragt. Coates changiert zwischen lyrischer Melancholie, aggressiver Wut und beständiger Selbstreflexion. Besonders intensiv widmet er sich seinem intellektuellen Werdegang, wobei seiner akademischen Ausbildung an der traditionell schwarzen Howard University eine markante Rolle zufällt.

Nicht zuletzt geht er in einer Art innerem Monolog darauf ein, wie nachdrücklich er vom schwarzen Nationalismus seines Vaters, eines Mitglieds der Black Panther, geprägt wurde und wie groß die Gefahr war, sich in eine essentialistische Rassenlehre mit umgekehrten Vorzeichen zu flüchten, in der jegliche Ambivalenzen des Schwarzseins einfach unter den Teppich gekehrt würden. Eine Gefahr, die im gegenwärtigen schwarzen Nationalismus mehr als nur randständig präsent ist. Freilich bleiben Überreste dieser Wesensphilosophie.

So schwelgt Coates wieder und wieder in der Beschreibung schwarzer Körper, ihres Elends, vor allem aber ihrer Schönheit. Das hat seine ganz eigene Berechtigung, gerade wenn man daran denkt, wie gezielt schwarze Körperlichkeit über Jahrhunderte hinweg abgewertet wurde, wirkt aber in dem zugrundeliegenden Materialismus steril und leer. Was ist mit schwarzer Geistigkeit, schwarzem Intellekt, gerade bei einem schwarzen Intellektuellen? Und was heißt das eigentlich - schwarzer Körper, schwarzer Geist? Ein Höhepunkt des Buches ist die subtile Schilderung eines Paris-Aufenthalt im Jahr 2015: das entspannte Leben an der Seine, die lässige Freundlichkeit der Franzosen, das weitgehende Fehlen permanenter rassistischer Anwürfe. Gleichzeitig vergisst Coates nicht, wie sehr auch Frankreich als Kolonialmacht farbige Völker in aller Welt unterdrückt und ausgenutzt hat. Interessanterweise ist sein Frankreich-Bild dann am Ende von genau jener Zwiespältigkeit, die auch das Frankreichbild des weißen Amerikas charakterisiert. Überhaupt erweist Coates sich in vielerlei Hinsicht, ungeachtet allen reflektierten schwarzen Nationalismus und aller Kritik an den Vereinigten Staaten, ganz und gar als Amerikaner - vor allem dann, wenn er seinen radikalen Individualismus zum Zuge kommen lässt.

"Zwischen mir und der Welt" ist ein beeindruckendes und kämpferisches, gleichzeitig ein skeptisches Buch, das die Anliegen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in unserer gegenwärtigen Epoche auf den Punkt bringt - einen Punkt allerdings, der sich nicht ganz einfach verorten lässt.

MICHAEL HOCHGESCHWENDER

Ta-Nehisi Coates: "Zwischen mir und der Welt".

Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2016. 240 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein großartiges Buch: Eine hellsichtige Rassismusstudie." Stefan Grissemann, profil, 17.12.16

"Die Bibel der 'Black Lives Matter'-Bewegung." Christiane Müller-Lobeck, taz am Wochenende, 03.12.16

"Ta-Nehisi Coates ist einer der wenigen amerikanischen Intellektuellen, dem alle vertrauen. In der schwarzen Community gilt sein Buch als eine Art Manifest. ... Zugleich ist er nun für Hunderttausende weiße Leser eine Autorität." Matthias Kolb, Süddeutsche Zeitung, 04.11.16

"Ein gleichermaßen kämpferisches wie poetisches Buch ... Dieses Buch ist aus keiner zukünftigen Diskussion um Rassisimus wegzudenken." Dr. Philipp Tingler, Tages-Anzeiger Online, 29.06.16

"Coates' lyrisch-schwärmerische Sprache nimmt einen schwungvoll bei der Hand, von Malcolm X bis zum 'Mekka' der Howard University. .. Ein bewegender Text." Dominik Kamalzadeh, 30.04.16

"Wichtig, denn die Lust, sich kulturell abzugrenzen, wird auch hierzulande immer größer." Benno Fürmann, Der Tagesspiegel, 17.03.16

"Der Band ist atemlos geschrieben, dringlich im Tonfall, wiewohl schlüssig argumentiert." Julian Weber, die tageszeitung, 16.03.16

"Ein tief persönliches, radikal subjektives, aber durchgehend leidenschaftliches und niemals langweiliges Manifest." Katja Ridderbusch, Deutschlandfunk, 07.03.16

"Coates' Essay ist der klügste und wichtigste Text, der 2015 in den USA erschienen ist, eine kühne, selbstbewusste Zäsur." Christian Bos, Frankfurter Rundschau, 04.03.16

"Coates' Buch, das in einer lyrisch gesteigerten, zornbebenden Prosa verfasst ist, ist ein emotional hochgerüstetes 'J'accuse', das seinen Verfasser als Erben von Malcolm X und der Black-Panther-Bewegung ausweist." Andrea Köhler, Neue Zürcher Zeitung, 25.02.16

"In dieser Zeit ist Coates' Buch mehr als überfällig." Renée Zucker, rbb Inforadio, 14.02.16

"Coates hat ein dichtes, drängendes, ein beklemmendes und atemberaubendes Buch verfasst. ... Es ist die Verteidigungsschrift eines Schwarzen, der auf verlorenem Posten steht, und sich den Mund dennoch nicht verbieten lässt. Ta-Nehisi Coates' Buch ist mutig und verzweifelt, aus Angst geboren, von Trauer bestimmt und radikal in seinem Erkenntnisdrang. Ein Aufruf zum Wandel." Stefan Berkholz, SWR2, 14.02.16

"'Zwischen mir und der Welt' ist ein beeindruckendes und kämpferisches, gleichzeitig ein skeptisches Buch, das die Anliegen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in unserer gegenwärtigen Epoche auf den Punkt bringt." Michael Hochgschwender, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.02.16

"Das explosivste Buch der aktuellen Rassismus-Debatte. ... Der Text zur Stunde. ... Man könnte alles wissen, was in diesem Buch steht, man weiß es auch. Dennoch trifft es einen wie ein Schock." Jörg Häntzschel, Süddeutsche Zeitung, 05.02.16

"Diese Metaphysik des Physischen, eingehüllt in einen unwiderstehlich eindringlichen Ton, packt den Leser an der Gurgel. Sie schlägt ihm in die Magengrube." Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel, 03.02.16

"Ein sehr wütendes. erschütterndes, pathetisches Pamphlet." Ruth Fühner, hr2 Kultur, 03.02.16

"Eine schonungslose Analyse der Gewalt gegen Schwarze und eine literarisch anspruchsvolle Betrachtung des systemischen Rassismus." Nils Minkmar, Der Spiegel, 01.02.16

"Coates ist spätestens seit dem vergangenen Jahr die prägnanteste Stimme der afro-amerikanischen Intellektuellen. Mit seinem Buch, das nun in Deutschland erschienen ist, hat er den Toten der jüngeren Vergangenheit ein schriftliches Denkmal gesetzt." Barbara Junge, Der Tagesspiegel, 01.02.16

"Der Ton, die Dringlichkeit seines Anliegens, aber auch seine Analyse der strukturellen Gewalt gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten sind bestechend. ... Ta-Nehisi Coates ist einer der interessantesten amerikanischen Intellektuellen derzeit. ... Coates Buch ist auch für Europäer höchst lesenswert. Denn Rassismus ist keineswegs ausschließlich eine amerikanische Angelegenheit." Tanja Dückers, Die Welt, 23.01.16

"Lan
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