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Ausgezeichnet mit dem National Book Award 2017
Jojo wächst mit seiner jüngeren Schwester bei seinen Großeltern in Bois, Mississippi auf. Ihre Mutter, Leonie, ist drogensüchtig und kümmert sich nicht um, ihr Vater sitzt im Gefängnis und seine Eltern wollen nichts mit ihren Enkeln und ihrer Schwiegertochter zu tun haben, weil sie schwarz sind. Als der Tag der Entlassung ihres Mannes vor der Tür steht, packt Leonie ihre Kinder und macht sich zusammen mit ihnen und einer Freundin auf den Weg zur "Parchment Farm", der ältesten und größten Haftanstalt Mississippis. Aber sie sind nicht allein auf…mehr

Produktbeschreibung
Ausgezeichnet mit dem National Book Award 2017

Jojo wächst mit seiner jüngeren Schwester bei seinen Großeltern in Bois, Mississippi auf. Ihre Mutter, Leonie, ist drogensüchtig und kümmert sich nicht um, ihr Vater sitzt im Gefängnis und seine Eltern wollen nichts mit ihren Enkeln und ihrer Schwiegertochter zu tun haben, weil sie schwarz sind. Als der Tag der Entlassung ihres Mannes vor der Tür steht, packt Leonie ihre Kinder und macht sich zusammen mit ihnen und einer Freundin auf den Weg zur "Parchment Farm", der ältesten und größten Haftanstalt Mississippis. Aber sie sind nicht allein auf ihrer Reise. Die Geister der Vergangenheit, die von der Gewalt und dem Unheil dieses Landstrichs künden, begleiten sie.
Autorenporträt
Ward, JesmynJesmyn Ward, geboren 1977, wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi. Zurzeit lehrt sie Creative Writing an der University of South Alabama. Für ihre Romane Vor dem Sturm und Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt erhielt sie jeweils den National Book Award sowie mehrere weitere Auszeichnungen. Die Romane wurden von der amerikanischen und deutschen Presse hymnisch besprochen.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Jojo hat sich fest vorgenommen, tapfer zu sein. Es ist sein 13. Geburtstag und er weiß, dass sein Großvater ihm zeigen wird, wie er eine Ziege tötet. Das mag einem als düsterer Anfang eines Romans erscheinen, jedoch wird am Ende vor allem in Erinnerung bleiben, wie viel Wärme und Stärke von diesem Moment ausgeht. Nach "Vor dem Sturm" erzählt Jesmyn Ward in ihrem erneut mit dem National Book Award ausgezeichneten Roman von den fortgesetzten Traumatisierungen und Diskriminierungen einer afroamerikanischen Familie in den USA. Jojo lebt mit seiner drogensüchtigen Mutter Leonie und seiner dreijährigen Schwester bei den Großeltern, aber als sein weißer Vater aus dem Gefängnis kommt, nimmt ihn die Mutter mit auf einen Roadtrip, auf dem die Gefahren von Armut allzu deutlich werden. Dabei ermöglichen die wechselnden Erzählperspektiven - vor allem zwischen Jojo und Leonie - eine außergewöhnliche Nähe zu den Figuren. Ward weitet in der Tradition von Faulkner und Morrison den Blick auf die gesamte Gesellschaft aus, um deutlich zu machen, dass der Tod in diesen Leben allzu gegenwärtig ist und besonders die Welt im Süden der USA von Geistern zu Unrecht Verstorbener bevölkert ist.

© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2020

NEUE TASCHENBÜCHER
Gefühlssuche nach
Ganzheit
Ein Roman wie ein Delta-Blues-Song, ein Road Novel aus dem von Hurrikan Katrina geschundenen Mississippi. Er wirkt gespenstisch zeitlos, darin liegt seine durchschlagende Kritik an der US-amerikanischen Geschichte. Hier versuchen drei Generationen, ihre Familie zusammenzuhalten und sich des Geistes der viel besungenen Parchman-Gefängnisfarm zu erwehren, der sie immer wieder heimsucht: Großvater River, der als Jugendlicher dort arbeiten musste und dem regelmäßig sein Mitinsasse Richie erscheint; Tochter Leonie ist drogenabhängig und reist ihrem gewalttätigen Ehemann ins Gefängnis nach; ihr 13-jähriger Sohn Jojo, der seiner kleinen Schwester Kayla Bruder, Mutter und Vater zugleich sein muss. In ihrem dritten, mit dem National Book Award ausgezeichneten Roman „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt“ verwebt Jesmyn Ward ihre Stimmen zu einem Gospel über eine kummervolle, zugleich spirituell-hoffnungsvolle Suche nach einem Gefühl der Ganzheit: des eigenen Selbst, der Familie und der afroamerikanischen Community, die von Rassismus, Drogen und einem korrumpierten Rechtssystem kleingehalten wird. SOFIA GLASL
Jesmyn Ward: Singt ihr Lebenden und ihr Toten, singt. Aus dem Englischen von Ulrike Becker.
Ullstein Verlag, Berlin 2019. 304 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2018

Die Geister Amerikas

Jesmyn Ward ist die Erbin von Faulkner und Toni Morrison. Ihr neuer Roman festigt diesen Ruf.

Von Verena Lueken

Körper in der Schwüle. Tiere, die miteinander sprechen. Pflanzen mit Heilkräften und Steine, die den Weg zum Tod weisen. Geister, die auf Bäumen wohnen oder plötzlich im Auto zwischen den anderen Passagieren sitzen. Ein Großvater, Pop, der versucht, seinem Enkel zu zeigen, dass ein schwarzer Mann außer drogenabhängig, gewalttätig oder Opfer von Gewalt auch noch etwas anderes sein kann, nämlich fürsorglich, vernünftig und vorausschauend. Eine Mutter, der das Muttergen fehlt. Ein Baby, das sich einen Großteil des Buchs lang erbricht und dann die Toten von den Bäumen nach Hause führt. Das Ganze geschrieben in einem Ton, in dem manchmal alttestamentarischer Zorn aufblitzt, meistens aber eine Form physischer Metaphorik die körperlichen Gegebenheiten auf fast unerträgliche Weise spürbar macht. Hunger. Durst. Schmerzen. Angst. Übelkeit. Rausch. Die Stimme, der wir folgen, ist von fern mit Faulkner verwandt, wenn sie näher kommt, mit Toni Morrison. Die Übersetzerin Ulrike Becker hat das auch im Deutschen hörbar gemacht.

Bois Sauvage ist der Name des fiktiven Ortes, an dem die Figuren dieses Romans zu Hause sind. Er klingt nach Hitze und nach Feuchtigkeit, nach wilden Tieren auch. Es ist ein Ort, an dem ein schwarzer Junge, der eine Wette gewinnt, vom weißen Verlierer erschossen werden kann, und ein Gericht entscheidet, es war ein Jagdunfall. Ein Ort, an dem dieser Junge seiner Schwester, wenn sie high ist, was häufig vorkommt, nach seinem Tod als Geist erscheint. Es ist ein Ort, an dem Menschen verschiedener Hautfarben, wenn sie jung sind, miteinander schlafen und sich lieben, weiße Menschen aber, wenn sie älter sind, darauf mit großem Hass reagieren. Das erfundene Bois Sauvage liegt im echten Mississippi.

Jesmyn Ward kennt die Gegend, sie ist dort aufgewachsen, und auch ihr erster Roman, "Vor dem Sturm", spielt hier. Es ist der Teil des Landes, an dem wie nirgendwo sonst alles, was Amerika erschüttert, zusammenkommt - der Rassismus, die Armut, die Opioidkatastrophe, das Gefängniselend. Die Spuren der Sklaverei wie die Nachwehen von Hurrikan Katrina. Die Legenden, die Schreie der Toten, die Erinnerungen an Hundejagden, an Vergewaltigungen, an Lynchmorde. Die Vergangenheit, die nicht vergangen ist.

Von diesem Ort bricht eine kleine Gesellschaft zu einer Fahrt zur Parchman Farm auf, so heißt mit Spitznamen das Gefängnis, aus dem Michael dieser Tage entlassen wird. Michael ist der Freund von Leonie und Vater ihrer Kinder Jojo und Kayla, die sie hinten ins Auto gepackt hat. Mit dabei ist noch ihre Freundin Misty. Die beiden verstehen sich nicht nur, weil Misty einen schwarzen und Leonie einen weißen Freund hat, sie also beide Männer anderer Hautfarbe lieben, sondern auch, weil sie gern high miteinander werden und immer eine, wenn die andere zögert, für Nachschub sorgt.

Es erzählen drei Figuren: Der zwölfjährige Jojo konzentriert sich auf seine Babyschwester Kayla, die so krank ist auf der Autofahrt, dass wir fürchten müssen, sie wird nicht überleben. Außerdem hat sich zwischen ihnen der Geist von Richie niedergelassen, der mit Jojos Großvater Pop einst in der Parchman Farm einsaß und wissen will, wie er auf seiner Flucht zu Tode kam. Jojo soll ihm helfen, das aus Pop herauszukriegen, wenn sie zurück sind. Jojo will ihn loswerden, will aber auch das Ende von Richies Geschichte hören, das ihm sein Großvater bisher nicht erzählt hat. Leonie wiederum denkt vor allem an Michael, daran, wie sie sich kennenlernten, wie sie sich lieben und dass sie eine Familie sind, selbst wenn sie sich für Familie eigentlich nicht besonders interessiert. Und sie denkt an ihre sterbende Mutter und an ihren toten Bruder Given, von dem sie wünschte, er wäre leibhaftig da. Richie wiederum beobachtet, was im Auto vorgeht, und erzählt, was im Gefängnis geschah und wie Pop es war, der ihn rettete. Und dann plötzlich verließ.

In diesen drei Erzählerstimmen verschwimmen die Erinnerungen mit den Ereignissen heute, werden der Verkehrspolizist, der Jojo Handschellen anlegt, und der Gefängnisaufseher, der Richie auspeitschte, zu Brüdern. Aber sie lieben einander nicht. Sie hassen nur gemeinsam. Liebe ist zwischen den anderen, zwischen Pop und Mam, Jojo und Kayla, Leonie und Michael, und Jesmyn Ward widmet sich ihnen mit geduldiger Zärtlichkeit. Was bedeutet, dass nicht nur das Elend, die Grausamkeit von Geschichte wie Gegenwart alle Aufmerksamkeit wert ist, sondern auch das, was in diesen Figuren durch Literatur zu retten war.

Jesmyn Ward: "Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Becker. Kunstmann Verlag, München 2018. 300 S., geb., 22,- [Euro].

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