Wie wahrscheinlich ist es, dass zwei weltberühmte Autoren aus einem Ort stammen und seit ihrer Kindheit eine wechselhafte Beziehung zueinander hatten? Monroeville/Alabama, die Heimatstadt von Harper Lee und Truman Capote und zugleich der Schauplatz von Lees einzigem Roman, vermeldet heute rund 6500
Einwohner. Harper Lee nutzte als Rahmen für ihren Roman „Wer die Nachtigall stört“ ein…mehrWie wahrscheinlich ist es, dass zwei weltberühmte Autoren aus einem Ort stammen und seit ihrer Kindheit eine wechselhafte Beziehung zueinander hatten? Monroeville/Alabama, die Heimatstadt von Harper Lee und Truman Capote und zugleich der Schauplatz von Lees einzigem Roman, vermeldet heute rund 6500 Einwohner. Harper Lee nutzte als Rahmen für ihren Roman „Wer die Nachtigall stört“ ein Gerichtsverfahren aus dem Jahr 1933, ihre mutterlose, burschikose Icherzählerin Scout ist ebenso offensichtlich das Alter Ego der Autorin wie Rechtsanwalt Atticus deren Vater nachempfunden ist. Lee und Capote waren Nachbarskinder, beide begehrten gegen die vorgezeichnete Rolle auf, beide flüchteten sich in ihrer Kindheit mit ihren Büchern in Nelles Baumhaus. Beide Autoren haben dem Gefährten aus Kindertagen eine Romanfigur in einem Entwicklungsroman gewidmet. Nelle Harper Lee stellt ihrer Icherzählerin „Scout“ den Freund Dill zur Seite, der unverkennbar Truman Capote nachempfunden ist, Capote wiederum lässt seine Freundin Nelle als Idabel in seinem Roman „Andere Stimmen, andere Räume“ auftreten. Doch mit der Veröffentlichung von Capotes „Kaltblütig“ trennen sich die Wege beider Autoren. Harper Lee nimmt übel, dass ihre Arbeit als Rechercheassistentin für Capote in dessen Widmung zu "Kaltblütig" nicht ausreichend gewürdigt wird. Ohne Lees Liebenswürdigkeit hätte Capote, dem Sonderling im rosa Morgenmantel, während seiner Recherchen in einer Kleinstadt in Kansas niemand auch nur die Tür geöffnet. Dass Capote anschließend im Gegenzug Lee bei der Korrektur ihres Romanmanuskripts ermutigt und unterstützt hätte, danach wird man in den Biografien der beiden Autoren vergeblich suchen. Lee ist offenbar in die klassische Falle all jener klugen Frau geraten, die "hinter einem großen Autor stehen". Sie selbst ist als Autorin von ihrem Vater, ihrer Schwester und guten Freunden selbstlos unterstützt worden, aber nicht von ihrem Weggefährten und Autorenkollegen.
Alexandra Lavizzari versammelt in ihrer recht kurzen Doppelbiografie einer komplizierten Beziehung eine Fülle von Material, das mit Anmerkungen und Literaturhinweisen ergänzt wird. Da Wer die Nachtigall stört ... mein Interesse als jugendliche Leserin daran geweckt hat, wie Kinder Lesen lernen, bekommt Lavizzaris Buch einen Ehrenplatz, nachdem es mir die Wartezeit verkürzt hat auf das lange unveröffentlicht gebliebene Gehe hin, stelle einen Wächter.