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Etwas Besonderes soll er werden, der erste richtige Jagdausflug des elfjährigen Jungen mit seinem Vater, seinem Großvater und einem Freund des Vaters. In Vorfreude darauf, seinen ersten Hirsch zu schießen, bricht er mit den Männern auf. Als sie das Jagdrevier der Familie erreichen, sehen sie in der Ferne einen Wilderer. Der Vater lässt den Jungen durchs Zielfernrohr seines Jagdgewehrs auf den Eindringling blicken - doch statt nur zu beobachten, drückt er ab. Und wirkt dabei befremdlich unberührt. Bestürzung über die eigene Tat, Tränen oder Reue bleiben aus. Ist dem Jungen die Tragweite seiner…mehr

Produktbeschreibung
Etwas Besonderes soll er werden, der erste richtige Jagdausflug des elfjährigen Jungen mit seinem Vater, seinem Großvater und einem Freund des Vaters. In Vorfreude darauf, seinen ersten Hirsch zu schießen, bricht er mit den Männern auf. Als sie das Jagdrevier der Familie erreichen, sehen sie in der Ferne einen Wilderer. Der Vater lässt den Jungen durchs Zielfernrohr seines Jagdgewehrs auf den Eindringling blicken - doch statt nur zu beobachten, drückt er ab. Und wirkt dabei befremdlich unberührt. Bestürzung über die eigene Tat, Tränen oder Reue bleiben aus. Ist dem Jungen die Tragweite seiner Tat nicht bewusst? Hat er kein Mitgefühl? Und was soll mit der Leiche geschehen? Was als Ausflug geplant war, wird zu einem archaischen Ringen, das die Männer an ihre Grenzen bringt.Ein Roman, der »die Wucht einer Gewehrkugel« hat (The Economist), verstörend, atemberaubend und ergreifend.
Autorenporträt
Vann, DavidDavid Vann wurde 1966 auf Adak Island/Alaska geboren. Seine Romane sind vielfach preisgekrönt und erscheinen in 22 Ländern. David Vann lebt in Neuseeland und ist derzeit Professor an der University of Warwick in England.

Mandelkow, MiriamMiriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, war nach ihrem Studium der Anglistik, Amerikanistik und Jewish Studies zunächst mehrere Jahre als Lektorin tätig, ehe sie sich dem literarischen Übersetzen zuwandte. Zuletzt erschienen in ihrer Übersetzung Werke von David Vann, NoViolet Bulawayo, Pat Barker und Anne Landsman. Miriam Mandelkow lebt in Hamburg.
Rezensionen
»Der Roman ist ein zwiespältig moralisches Lehrstück über das Töten als Urgrund des Lebens.« Ina Hartwig DIE ZEIT 20141001

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014

Nachtfahrt ins Grauen

Auf die Frage, woher das Unglück der Menschen kommt, gibt David Vann verstörende Antworten. Christian Brückner liest jetzt sein Buch "Goat Mountain".

Von Wolfgang Schneider

Ein gutes Gewehr ist nicht nur zweckmäßig, sondern auch schön: "glattes Holz und dunkelblaues Metall miteinander verschmolzen, als wären sie in einem Stück auf die Welt gekommen". Nun gut, das Gewehr, das der Elfjährige hier zum ersten Mal anlegt, ist vielleicht ein bisschen zu durchschlagskräftig. "Aber mein Vater benutzte es trotzdem, irgendwo in ihm ein Zerstörer. Das Gewehr hatte einem Hirsch einmal fast die ganze Schulter weggerissen."

Vier Männer 1978 auf der Jagd in den kalifornischen Bergen. Vater, Großvater, ein Freund und der Sohn, der nun zum Mann werden soll, indem er seinen ersten Hirsch schießt: Initiation à l'américaine. Was der Elfjährige als Erstes im Visier hat, ist allerdings kein Hirsch, sondern ein Mensch: ein Wilderer, der sich im angestammten Jagdrevier der Familie herumtreibt. Mangels eines Fernglases hat ihn der Vater durch das Zielfernrohr seines Bärentöters beobachtet, und nun lässt er auch mal den Sohn hindurchschauen. Wenn dieser Vater je einen Roman von David Vann gelesen hätte, wäre ihm klar gewesen, dass der Junge abdrücken würde.

Der Jagdausflug wird zur Nachtfahrt ins Grauen. Da liegt die Leiche des Fremden mit einem Loch im Rücken, auf das sich Fliegen stürzen: "Sie wurden angezogen wie von einer enormen Schwerkraft in der Mitte dieses Männerrückens." Solche Sätze, mit herbem, luftgetrocknetem Existentialismuston von Christian Brückner gelesen, jagen einem beim Hören dieses Romans, einer einzigen langen Reflexion über Verlockung und Horror des Tötens, immer wieder Schauer über den zum Glück unversehrten Rücken.

Brückner kann man lange zuhören, weil er Literatur nicht einfach vom Blatt liest, sondern psychologisch durchdringt. Er ist kein Verwandlungsvirtuose; seine Stimme hat ihr episches Gleichmaß, das allerdings vor untergründiger Spannung vibriert und diese lange halten kann. Dafür bedarf es allerdings literarischer Vorlagen, deren Pathos und Kühnheit diese Spannung in ausreichender Dosierung liefert. Bei manchen deutschen Gegenwartsromanen fehlt diese Ladung, und Brückners Lesart wirkt dann deplaziert. Sein ureigenes Gebiet ist die amerikanische Großepik: Thomas Wolfe, Melville, Philip Roth - das sind zuverlässige Stromversorger.

David Vanns Romane mussten ihm deshalb als ideale Vorlagen erscheinen, und es wundert nicht, dass er sie alle vier sogleich ungekürzt eingelesen hat. Der 1966 geborene Autor liefert amerikanische Überbietungsliteratur - Wildnis, Wahn und Waffen in Permanenz, faszinierend, befremdlich, verstörend. Es sind musterhafte amerikanische Into-the-Wild-Geschichten und doch sehr eigenwillig in ihrem entsetzlichen Scheitern, ihrem blutigen menschlichen Dilettantismus. Das seelische Betriebsklima ist in "Goat Mountain" noch um ein paar Grad gesunken. Und das will etwas heißen, denn bereits "Im Schatten des Vaters", "Die Unermesslichkeit" und "Dreck" waren mit kalter Pracht angerichtete Schreckensszenarien des Familienunfriedens. Warum so düster und unerbittlich? Offenbar sind selbsterlittene Familiendramen der Nährboden von Vanns Welt: Als er dreizehn war, beging sein Vater Selbstmord, einer von vielen gewaltsamen Toden in seinem Umfeld.

In "Goat Mountain" setzen die Männer ihre Jagd fort. Den Kadaver des Wilderers begraben sie nicht (das würde wie ein Eingeständnis des Mordes wirken), sondern stopfen ihn erst in einen Sack und hängen ihn später auf wie ein Stück Wild. Er begleitet sie wie eine groteske Gestalt, in der es vor Leben wimmelt. Der Großvater, eine fleischige Karikatur des alttestamentlichen Gottes, ergeht sich in markig-martialischen Sentenzen über Strafe und Vergeltung, das Leben des unseligen Enkels will er auslöschen. Der kommt unterdessen aber doch zu seinem Hirsch, und die lange Beschreibung des nur angeschossenen, entsetzliche Schreie ausstoßenden, unter Höllenqualen sterbenden Tieres ist der Höhepunkt des Romans, von Brückner mit beklemmender Intensität gelesen. In diesen erschütternden Szenen liegt der Kern eines Mitgefühls mit der Kreatur, das der teils splatterhaften Grausamkeit des Romans die Beleuchtung gibt.

Die männliche Kultur des Jagens und den Überschwang des Tötens, der als Rückkehr zu den allerersten Anfängen zelebriert wird ("Der erste Grund, uns zusammenzutun, das Töten"), beschwört Vann mit suggestiven Worten; die Genauigkeit seiner Beschreibungen wird von Faszination wie von tiefem Widerwillen angetrieben. Die Bibel, die zornigen Mythen des Alten Testaments - das sind die Bezüge, über die der Erzähler im Rückblick auf das Verhängnis schroff räsoniert: "Für uns ist Kain der Brudermörder, aber wen sonst hätte er denn töten können? Kain und Abel waren die Ersten, die geboren wurden. Kain tötete, was da war." Eine ungeheuerliche Wendung: Existiert der Drang zu töten womöglich vor allen Motiven für die Mordtat? Wie bei dem Elfjährigen, der nicht weiß, warum er den Abzug drückte und den Wilderer zerfetzte. War es der Moment maßloser Macht, den er auskosten musste? Vanns Sätze wirken kantig und unbehauen, elliptisch verknappt. Die Sprödigkeit ist aber nicht mit Lakonik zu verwechseln. Die Szenen werden breit ausgeführt, "Goat Mountain" ist mit der Reduktion auf das Motiv des Tötens so monoman wie ein Roman von Thomas Bernhard mit seinen zwanghaften Wiederholungsschleifen.

Bei Vanns Büchern denkt man an den Spruch Blaise Pascals: "Das ganze Unglück der Menschen kommt daher, dass sie nicht imstande sind, ruhig in ihrem Zimmer zu bleiben." In der Weltliteratur gibt es einen Roman, der die Probe auf Pascals Diktum macht: Iwan Gontscharows "Oblomow", dessen allerdings ebenfalls unglückliche Hauptfigur das Urbild aller Leistungsverweigerer und Prokrastinierer ist. Er ist der Held, der nicht handelt und kaum aus seinem Zimmer kommt. Im ersten Teil des Romans wird der unermüdlich auf dem Diwan liegende Oblomow von einem Tatmenschen nach dem anderen heimgesucht. Jeden bittet er, nicht zu nahe zu kommen, denn er bringe kalte Luft herein (es ist der 1. Mai!). Sie alle versuchen, ihn mit ihrem Tatendrang anzustecken, aber keinem gelingt es, denn Oblomow ist klug genug, die Fadenscheinigkeit ihrer Ambitionen zu erkennen. Christian Brückner liest auch diesen Roman ungekürzt, und kommt man gerade von "Goat Mountain", hat man das Gefühl, dass er bei "Oblomow" einen inneren Tonfilter eingeschaltet hat, der das Kratzige und Grollende aus seiner Stimme nimmt, so dass ein menschenfreundlicher, Skurrilitäten auskostender, bisweilen geradezu behaglicher Erzählton möglich wird.

Oblomow ist mehr als nur die Verkörperung der Misere einer maroden russischen Adels-Oberschicht. Er ist mit Melvilles Bartleby verwandt in der Verweigerung des abendländischen Aktivitätskommandos, angehaucht von der großen Vergeblichkeit, ein Virusträger des philosophischen Nichts. Deshalb ist es gut, dass Brückner dem humoristischen Roman eine etwas dunklere Lesart gibt (verglichen mit "Goat Mountain" allerdings immer noch die pure Heiterkeit). Er nimmt die Figur ernst, und das verleiht ihr mehr Tiefe und Faszination, als es ein forcierter und bald ermüdender Komödienton tun würde. Darüber geht Gontscharows Witz aber nicht verloren - Brückner ist zwar Pathetiker, aber er hat auch einen feinen Sinn dafür, dass sich das Pathos bisweilen mit dem Komischen berührt. Solche Momente gibt es in "Oblomow", und man hört sie in dieser Lesung wie zum ersten Mal.

David Vann: "Goat Mountain".

Ungekürzte Lesung von Christian Brückner. Parlando Verlag, Berlin 2014. 5 CDs, 410 Min., 29,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

David Vann kommt trotz offensichtlicher Anstrengungen von dem poetischen Pathos der Jagd und dem "Töten als Urgund des Lebens" nicht los, die den Boden seines Romans "Goat Mountain" tränken, bedauert Rezensentin Ina Hartwig. Ein Junge geht mit seinem Vater, seinem Großvater und einem Freund der Familie auf die Jagd, ein Initiationsritus, den die Familie aus alter Cherokee-Tradition noch pflegt, auch wenn von dieser Tradition sonst nicht mehr viel übrig sein mag, berichtet die Rezensentin. Sie stoßen auf einen Wilderer, den der Junge erschießt, ohne so recht zu wissen, was er da tut - es schließt sich ein moralisches Ringen der Älteren an, das von biblischen Anspielungen und Zitaten nur so wimmelt, aber auch die "Sache mit Jesus", wie es im Buch heißt, kann das "Männlichkeitspathos" nicht auslöschen, erklärt Hartwig. Unglaublich stark hingegen ist die psychologischen Entwicklung des Jungen, lobt die Rezensentin: erst, als er einen Hirsch so unglücklich anschießt, dass das Tier vor seinen Augen leidend verreckt, begreift der Junge, was es hieß, den Wilderer zu töten, und erst dann fühlt er ganz langsam die Schuld, verrät Hartwig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.08.2014

Scheißaristoteles
Absturz von „Goat Mountain“: David Vann erweist sich in seinem neuen Roman als trashiger Pathetiker
Drei Generationen in der Einsamkeit der Wälder. Jagd, Männlichkeitsrituale, Initiationsriten, Erwachsenwerden, Selbsterprobung. Kann man darüber noch einen Roman schreiben, ohne in die unfreiwillige Komik abzustürzen? Der Amerikaner Benjamin Percy hat unlängst den Roman „Wölfe der Nacht“ veröffentlicht, der exakt dieses Szenario ernst nimmt und dennoch auf feinsinnig-ironische Weise hintertreibt.
  David Vann hingegen, das war schon in seinen vorangegangenen Romanen zu erkennen, ist nichts ferner als Ironie. „Im Namen des Vaters“, der erste in deutscher Übersetzung erschienene Roman Vanns, war in seiner kühlen Grausamkeit ein großartiges Buch. In „Goat Mountain“ allerdings zeigt Vann sich als trashiger Pathetiker, der sich lustvoll in Blut und Dreck suhlt, ohne dass daraus ein Erkenntnisgewinn folgen würde.
  Elf Jahre alt ist der Ich-Erzähler, als er gemeinsam mit seinem Großvater, seinem Vater und einem Freund des Vaters in die kalifornischen Berge, nach Goat Mountain, in das alte Jagdrevier der Familie, aufbricht. Die Konstellation ist von Beginn an angespannt: Der Großvater, ein massiver Fleischberg mit Bleistiftbeinen, mehr Karikatur als Charakter, dominiert die Gespräche, der Vater kämpft mit den Widrigkeiten der Natur; der Junge wiederum will töten, sonst nichts, und er kommt schnell zum Zug: Kaum angekommen, entdeckt das Quartett einen Wilderer; der Ich-Erzähler nimmt den Mann ins Visier und drückt ab. Ein Schockeffekt, nicht der letzte. Die Leiche des Mannes wird fortan, aufgehängt an den Beinen, als Mahnmal und Messiasfigur am Randes des Lagers hängen und immer wieder zum Gegenstandeiner philosophischen Grundsatzdiskussion werden: Muss unser Handeln zwangsläufig Konsequenzen haben? Ja, sagt der Großvater-Fleischberg und fordert eine Bestrafung seines Enkels. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
  Versatzstücke des Alten Testaments verwendet Vann als Folie für seine Geschichte. Jedes Kapitel beginnt mit einer Bibelexegese; es sind Passagen von geradezu quälender Banalität. Wer, wie zuletzt geschehen, Vann tatsächlich auf eine literarische Qualitätsstufe mit Cormac McCarthy stellt, dem müssen die Sinne vom Blut vernebelt sein.
  Sicher, auch in Vanns Ich-Erzähler brütet, ähnlich wie in dem jugendlichen Antihelden in McCarthys „Blood Meridian“, der Hang zu sinnloser Gewalt; auch bei Vann sind die kargen Dialoge aus dem ewigen Schweigen der Landschaft herausgemeißelt, doch fehlt es ihm, im Gegensatz zu McCarthy, an einer Sprache, um diese Landschaft und die Handlungsmotive auch adäquat beschreiben zu können. Vor allem aber hat Vann den unseligen Hang zur Selbstinterpretation: „Das Alte Testament ist eine Sammlung von Geschichten aus früherer Zeit, von atavistischen Schatten, die ich immer wieder durchwandere in der Hoffnung auf ein Wiedererkennen.“ Das hat man bereits nach wenigen Seiten verstanden, aber es muss auch wieder und wieder ausgesprochen werden.
  „Goat Mountain“ ist eine eintönige Abfolge von Gewaltexzessen, Vater-Sohn-Konflikten („Jetzt auf einmal, wo es ein Problem gibt und ich Hilfe brauchen könnte, bist du Scheißaristoteles“) und religiösen Diskursen auf Ich-Tarzan-du-Gott-Niveau. Ein archaischer Knallfrosch. Es scheint, als habe David Vann sich damit eines familiären Traumas entledigen müssen: Mit „Goat Mountain“, das er seinem Großvater, dem Cherokee Roy Ivory Vann gewidmet hat, habe er die letzten Reste seiner von Gewalt geprägten Familie weggebrannt, schreibt Vann im Nachwort. Es ist ihm, auch das ohne jede Ironie, zu wünschen.
CHRISTOPH SCHRÖDER
David Vann: Goat Mountain. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 272 Seiten, 22,95 Euro, E-Book 19,99 Euro.
Arbeitet sich literarisch an seiner Herkunft ab: David Vann.
Foto: Suhrkamp
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"Vanns bestes Buch."
Booklist