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»Ein Meister der Zwischentöne« Deutschlandradio Kultur
Ob Angestellter in einem kleinen Büro in Manhattan, ob Feldwebel in Texas oder Tuberkulosepatient auf Long Island: Richard Yates' Figuren sind allesamt darum bemüht, ihr unglückliches Leben in den Griff zu bekommen. Sie hassen ihre Arbeit, trinken zu viel und träumen von besseren Zeiten. Sie schlingern zwar dem Untergang entgegen, aber sie weigern sich, ihre Illusionen aufzugeben. Mit unerbittlicher Schärfe, aber tiefer Sympathie für seine Figuren, entlarvt Richard Yates die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Meisterhafte Short Storys aus einer Welt, die ihre Ideale zu verlieren droht.…mehr

Produktbeschreibung
»Ein Meister der Zwischentöne« Deutschlandradio Kultur

Ob Angestellter in einem kleinen Büro in Manhattan, ob Feldwebel in Texas oder Tuberkulosepatient auf Long Island: Richard Yates' Figuren sind allesamt darum bemüht, ihr unglückliches Leben in den Griff zu bekommen. Sie hassen ihre Arbeit, trinken zu viel und träumen von besseren Zeiten. Sie schlingern zwar dem Untergang entgegen, aber sie weigern sich, ihre Illusionen aufzugeben.
Mit unerbittlicher Schärfe, aber tiefer Sympathie für seine Figuren, entlarvt Richard Yates die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Meisterhafte Short Storys aus einer Welt, die ihre Ideale zu verlieren droht.
Autorenporträt
Richard Yates wurde 1926 in Yonkers, New York, geboren und lebte bis zu seinem Tod 1992 in Alabama. Obwohl seine Werke zu Lebzeiten kaum Beachtung fanden, gehören sie heute zum Wichtigsten, was die amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Sein Debüt »Zeiten des Aufruhrs« wurde preisgekrönt und 2009 mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet in den Hauptrollen verfilmt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2006

Homer des Mittelstandes
Richard Yates und die Kunst der Gegenständlichkeit
„Elf Arten der Einsamkeit” - der Titel von Richard Yates’ Geschichtensammlung ist ungewöhnlich treffend. Dieser Band von Shortstorys, in den Vereinigten Staaten 1962 erschienen, aber erst jetzt ins Deutsche übersetzt, wirkt wie nach einem Plan geschrieben. Seine Kasuistik menschlicher Verlorenheit ist reich und erdrückend. Ein neuer Schüler in einer mittelständischen Schulklasse, der sich durch Armut, Unwissenheit und Verlogenheit blamiert; ein keusches, aber erwartungsvolles Brautpaar, dessen erste erotische Annäherung am Vorabend der Hochzeit traurig misslingt; ein pedantischer Armee-Ausbilder, dessen hingebungsvolle Arbeit mit einer sinnlosen Versetzung zerstört wird; ein Tuberkulose-Kranker, dessen Frau fremdgeht, während er eine endlose Kur im Krankenhaus absitzt; ein angestellter Versager, dem nichts anderes bleibt, als seine Entlassung mit schicksalhafter Ergebenheit anzunehmen - so sehen die Arten der Einsamkeit bei Yates aus.
Seine Geschichten sind bitter und schön, ihr Stil ist deutlich und durchsichtig, ihr Milieu durchschnittlich und zugänglich, ihre Poesie ist tief bewegend. In Amerika wird seit einigen Jahren darüber gerätselt, warum es Richard Yates mit Anerkennung und Erfolg so schwer hat. Es gibt, im Internet leicht zu finden, einen langen Essay von Stewart O’Nan zu dieser Frage. Ein besonders trauriges Beispiel eines „writer’s writer”, eines Autors für Autoren, sei Yates, so O’Nan, denn hier sei nichts von schwieriger Metaphernkunst, nichts von verwickelter Erzähltechnik und intellektualistischem Spiel, das es dem breiten Lesepublikum schwer mache, einen Zugang zu finden. O’Nan hat recht: Yates’ Geschichten sind so packend wie man es sich nur wünschen kann, umweglos und klar aufgebaut, kein Motiv ist zu viel, keines wird liegen gelassen, vorbildlich ist ihre Ökonomie. Technisch vollkommener wurde das knappe Genre der Kurzgeschichte selten bespielt.
So stellt Yates den armseligen neuen Mitschüler der ersten Story vor: „Er kam früh und setzte sich in die hinterste Reihe, kerzengerade, mit exakt unter dem Tisch gekreuzten Füßen, die Hände mitten auf der Schreibplatte verschränkt - als mache ihn die Symmetrie weniger verdächtig; als die übrigen Kinder hintereinander hereinmarschierten und ihre Plätze einnahmen, bedachte ihn jeder mit einem langen ausdruckslosen Blick.” Die Situation ist glasklar, der eine und die Vielen; ihr Potenzial ist noch offen, und darin liegt die Spannung der Geschichte. Es erfüllt sich auf grauenhafte, jedoch absehbare Weise. Der Neue wird, nicht ohne eigenes Zutun, aber auch unvermeidlich, zum lächerlichen Outsider. Nicht die überraschende Wendung, sondern das Eintreffen der übelsten Befürchtungen macht die Wucht der Erzählung aus.
Und so in allen elf Arten der Einsamkeit. Ein Angestellter, der im tiefsten Inneren weiß, dass er der ewige Verlierer ist, erwartet seine Entlassung, und er wird entlassen - auf die peinigende Szene der Kündigung ist er so gut vorbereitet, dass sie ihm wie eine Abfolge wohlkalkulierter Filmschnitte erscheint, so beim Verlassen des Chefbüros, wo er sich selbst mit dem Auge einer Kamera zu sehen meint, die vor ihm hergeht, um seinen Abgang zu filmen.
Wenn Yates sich trotz vorzüglicher kritischer Resonanz und einmütiger Hochschätzung durch Kollegen wie Richard Ford oder Joyce Carol Oates nie wirklich durchgesetzt hat - der „New Yorker” lehnte zu seinen Lebzeiten alle Geschichten von ihm ab -, dann muss es an der profunden Trostlosigkeit liegen, die seine Erzählungen auszeichnet. Das gilt auch für seinen berühmtesten Roman, der seinen Weg erst spät ins Deutsche nahm und der jetzt einen verdienten kanonischen Platz in der Manesse-Bibliothek der Weltliteratur gefunden hat: „Revolutionary Road”, übersetzt mit „Zeiten des Aufruhrs”.
Auch ihn zeichnet diese erdrückende Unvermeidlichkeit aus, im Großen wie im Kleinen. Schon die berühmte meisterhafte Ouvertüre, die das peinigende Scheitern einer ambitionierten Laienaufführung eines Theaterstücks von Szene zu Szene nachzeichnet, hat diese albtraumhafte Absehbarkeit. Für die Hauptdarstellerin - eine der Hauptfiguren des Romans - zerschlägt sich an diesem Abend ein Traum von Künstlertum und Ausbruch aus einer spießigen Umgebung; ihr Ehemann vermag sie nicht zu trösten, und die hässlichen Streitereien auf der Heimfahrt von der verpatzten Premiere präludieren einem Elend, das dieses Scheitern ins Große des ganzen Lebens projiziert. So sieht der Mann bei der Ankunft daheim ihr Haus: „Das Haus war dunkel; als er heranfuhr, ließ ihn dessen Anblick, eine langgezogene milchige Silhouette im Dunkel von Bäumen und Himmel, an den Tod denken.” Und darin ist schon alles beschlossen, was das Buch in den folgenden 500 Seiten erfüllt.
So trostlos Yates’ Erzählungen und sein großer Roman sind, so bewegend schön sind sie. Dies mag an ihrem schwer fassbaren Untergrund von Bekümmernis und Erbarmen liegen; sie sind nicht kalt. Vielleicht auch an den Spuren Humors, die trauervoll und warm in ihnen auftauchen. Der neue Mitschüler kommt aus New York City; und „normalerweise trug der Umstand, dass einer aus New York kam, dem Betreffenden ein gewisses Prestige ein . . . Andererseits war auf den ersten Blick zu erkennen, dass Vincent Sabella überhaupt nichts mit Wolkenkratzern zu tun hatte”.
Entscheidend aber dürfte eine genuin ästhetische Qualität sein: die Gegenständlichkeit von Yates’ Erzählen. Es bietet Anlass, auf den Unterschied von Realismus und Gegenständlichkeit hinzuweisen, der die Geschichte des modernen Romans begleitet. Realistisch sind Erzählungen, die mit Informationen, Kausalitäten und Psychologie operieren, also an das alltägliche Verständnis von Wirklichkeit anknüpfen. Solche Romane können - man denke an Zola oder Tom Wolfe - mit ihrer Detailfülle und Beobachtungsgabe unterhaltsam und welterschließend sein, doch im Kern bleiben sie narrativer Journalismus, der gerade so viel Poesie enthält wie es auch gute Reportagen tun.
Gegenständlichkeit dagegen ist eine genuin dichterische Qualität, wenn man so will: das Homerische unter modernen Bedingungen. Sein Meister ist Gustave Flaubert, vor allem der Flaubert der „Madame Bovary” oder des „Einfachen Herzens”. Die gläserne, farbige, sinnliche Deutlichkeit dieser Kunst bleibt hintergründig und vieldeutig, sie ähnelt in vieler Hinsicht hyperrealistischer Malerei von der Art Edward Hoppers. Große Teile der besten amerikanischen Erzählkunst haben diesen raffiniert einfachen homerischen Zug, ihre Spannung entwickelt sich nicht in den überraschenden Wendungen eines Plots, sondern in der ausmalenden Entwicklung einer Situation. Yates’ Geschichten sind fast pointenlos, meist unanekdotisch - die Züge des Novellistischen, die auch bei ihm zu finden sind, so im längsten, letzten und schwächsten Stück der „Elf Einsamkeiten”, tun seiner Prosa nie gut.
Anlage und Stil gegenständlicher Literatur kommen in ihren besten Momenten zur vollkommenen Deckung: Der Stil ist so dicht gefügt und schmucklos, dass er mit der Komposition der jeweiligen Geschichte, ihrem Rhythmus und ihren Motiven, zusammenfällt. Flauberts Ästhetik des mot juste, des punktgenau treffenden Worts, findet hier ihre zeitgemäße Ausprägung. Die Spannung von Artistik und Realismus ist im perfekten Zusammenklang aufgehoben - und damit ist auch gesagt, dass das Lob, bei Yates werde der „amerikanische Traum demontiert”, ihn banalisiert und verfehlt.
Richard Yates (1926 bis 1992), der ein von Alkoholismus und exzessivem Zigarettenkonsum verkürztes Leben als freier Autor und Hochschullehrer für „creative writing” führte, das ihm einigen Ruhm, aber nur mäßigen Erfolg brachte, ist mittlerweile ein Klassiker der amerikanischen Moderne, dem die Kenner nur noch John Cheever an die Seite stellen. Deutsche Leser können ihn nun in zwei vorzüglich übersetzten Bänden entdecken. Eine höhere Kunst der Einfachheit können sie schwerlich finden.
GUSTAV SEIBT
RICHARD YATES: Elf Arten der Einsamkeit. Short stories. Aus dem Amerikanischen von Anette Grube und Hans Wolf. Deutsche Verlagsanstalt, München 2006. 285 Seiten, 19,90 Euro.
RICHARD YATES: Zeiten des Aufruhrs. Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans Wolf. Nachwort von Eva Menasse. Manesse Verlag, Zürich 2006. 570 Seiten, 23,50 Euro.
Erzähler der Einsamkeit: Richard Yates
Foto: DVA
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eva Menasse kann es der Deutsche Verlagsanstalt gar nicht hoch genug anrechnen, dass sie die frühen Erzählungen des amerikanischen Autors Richard Yates in einer einfühlsamen Übersetzung von Annette Gruber und Hans Wolf herausgegeben hat. Den Autor, der auch in den USA erst vor einigen Jahren wiederentdeckt worden ist, preist sie als "literarischen Gott der Eingeweihten" und als "Hohe Priester der eisigen Wahrheit und der glasklaren Form". Dass Yates beinahe dem völligen Vergessen anheim gefallen wäre, erklärt sie mit seinem minimalistischen Stil, der in den Fünfziger Jahren nur auf Ablehnung gestoßen ist. Die in diesem Band versammelten "Meistererzählungen" zählt Menasse - bis auf eine Ausnahme - zu seinen besten. Besonders beeindruckt hat sie die Erzählung um den Ausbruch des John Fallon, die mit einem Donnerschlag beginne, mit einem Donnerschlag ende.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Meisterhaft beschreibt Yates das wachsende Chaos im Leben seiner Charaktere und hält sensibel die Balance zwischen Sympathie und ironischer Distanz, Mitgefühl und harter Wirklichkeit." The New York Times

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006

Wunschloses Unglück
Die Würde der Niederlage: Richard Yates demontiert in seinen Stories den amerikanischen Traum / Von Edo Reents

Richard Yates hat es nicht leicht gehabt in seinem Leben, das sechsundsechzig Jahre währte. Der Krieg, berufliche Unsicherheiten, unglückliche Liebschaften, Scheidungen und Alkoholismus sind dabei noch die handelsüblichen Bestandteile einer Schriftstellerbiographie. Es gab Zeiten, da war sich der Erzähler nicht sicher, ob nicht er es gewesen sein könnte, der Präsident Kennedy erschossen hat, für dessen Bruder Robert er Reden schrieb; außerdem hatte er Angst, er könnte in einem Moment, den er nicht unter Kontrolle haben würde, seinen geliebten Töchtern Gewalt antun. Dazu kam es nie. Doch die Psychosen, unter denen er litt und gegen die er reichlich Pillen und Schnaps zu sich nahm, mündeten in einen Rest, den er wie ein Geist verlebte, stark rauchend bis zuletzt und sogar auch dann, wenn er an Sauerstoffflaschen angeschlossen war, weil seine früh von der Tuberkulose geschwächte Lunge den Dienst immer öfter versagte.

Wie konnte es sein, daß eine solche Existenz, die fast dostojewskisches Format hatte und uns seit der leider noch nicht übersetzten Biographie von Blake Bailey "A Tragic Honesty: The Life and Work of Richard Yates" zugänglich ist, so lupenreine Prosa hervorbrachte? Falls sich die Bedeutung eines Schriftstellers an der Klarheit seines Stils bemißt, darf man sagen, daß das Unglück, das Yates zwar nicht für sich gepachtet hatte, das er aber besonders tief empfand, ihn in einer Weise hellsichtig gemacht hat, die auch sprachlich Folgen hatte. Eine andere Frage ist, warum dieser Autor immer noch nicht ausführlicher gewürdigt wurde. Zwar wurde er als einer der wichtigsten Amerikaner des zwanzigsten Jahrhunderts anerkannt und auch längst als Vaterfigur für Raymond Carver und Richard Ford ausgemacht, blieb aber in seiner eigentlichen Bedeutung zumindest hierzulande nach wie vor kraß unterschätzt. Dies änderte sich auch nicht nennenswert, als Ende 2002 sein Roman "Revolutionary Road" auf deutsch erschien ("Zeiten des Aufruhrs") - vierzig Jahre nach der Originalausgabe.

Um so mehr ist die Deutsche Verlags-Anstalt dafür zu preisen, daß sie nun nachlegt mit den von 1962 datierenden Erzählungen "Elf Arten der Einsamkeit" ("Eleven Kinds of Loneliness"). Yates weiß, daß es so viele Arten von Einsamkeit gibt, wie es Menschen gibt - jeder kennt nur seine. Und doch zeichnet er Typen, exemplarische Menschen ihrer Zeit und ihres Milieus; den Lungenkranken beispielsweise, dessen Körper vom langen Liegen in der Klinik dermaßen eingefallen ist, daß seine Frau Trost sucht in den Armen eines Kräftigeren: "Ihre Hände strichen ihm über den massigen Rücken und krallten sich daran fest." Das wird, wie alles andere, einfach so erzählt, als etwas Verständliches, fast Zwangsläufiges. Die Patientenerzählung "Überhaupt keine Schmerzen" verrät schon im Titel jene prinzipielle Leere, aus der sich schlecht ein Vorwurf stricken läßt, deren Folgen aber traurig machen. Man lese, was die Eheleute sich noch zu sagen haben, dann weiß man, daß die Hölle zur Not auch ohne Hitze auskommt.

Elf Arten der Hölle - so hätte man die Sache auch überschreiben können. Es sind Ehehöllen, Angestelltenhöllen, Klassenzimmerhöllen, allgemein: Nachkriegshöllen. Yates erzählt ausschließlich von seiner Generation, von den einst Dreißigjährigen, die damals viel erwachsener waren und auch sein mußten als wir Heutigen; er gilt als Chronist der Fünfziger-Jahre-Mittelmäßigkeit, eines gerne in Vorstädten ansässigen Milieus, bei dem materielle Versorgung und die Träume von einem besseren Leben in einer Balance sind, die lähmend wirkt. Dies zeigt sich exemplarisch in einer der stärksten Geschichten: "Ein Masochist" erzählt von dem Bürohengst, der seine Arbeitszeit im wesentlichen damit verbringt, darauf zu warten, endlich gefeuert zu werden, und der noch "danke" sagt, als es soweit ist. Kalter Angstschweiß läuft diesem Jedermann dann trotzdem den Buckel hinunter, der seine Würde nur in der Niederlage findet. Glänzend schildert Yates die schulterklopfende Anteilnahme der Kollegen als etwas, das der Entlassene genießt wie ein Filmheld. Den Vorsatz, es der Familie zu verschweigen, bricht der Gedemütigte schon am ersten Abend.

Die gleiche Fatalität verströmt "Alles, alles Gute", die mitleidlose Chronik einer Eheschließung, die für keinen von beiden besonders günstige Aussichten bereithält: eine graue Büromaus, die sich daran gewöhnen muß zu gehorchen, und ein ehrgeiziger, robuster und doch leicht kränkbarer, also durchschnittlicher Angestellter, der den Junggesellenabschied in besserer Erinnerung behalten wird als den glücklichsten Tag im Leben.

Von Verlierertypen kann man da nicht mehr sprechen, dafür fehlt dem Personal die Fallhöhe. Die Leute sind, wie sie sind, und sie entwickeln sich nicht mehr. Man kann sie einteilen in solche, die das Talent haben, die Dinge in Gang zu bringen, ohne daß dies zu etwas führt, und solche, denen das Talent fehlt, etwas mit sich geschehen zu lassen. Yates ist vor allem an letzteren interessiert, die Passivität seiner Figuren schmerzt zuweilen. Merkwürdig berührt "Der BAR-Mann", die bittere Geschichte eines keineswegs haltlosen Veteranen, den das Gezanke seiner gebärunwilligen Frau in die Flucht treibt: "Und plötzlich sah sie so erbärmlich aus, daß er es nicht mehr ertrug. Er nahm seinen Mantel und drängte sich an ihr vorbei. ,Mach, was du willst', sagte er. ,Ich geh jetzt.' Und dann verließ er mit einem lauten Knallen der Tür die Wohnung." Die Wut über eine Ehehölle, die weder Sartre noch Loriot treffender gezeichnet hätten, entlädt sich in der Attacke des nicht mehr Zurechnungsfähigen auf einen des Kommunismus verdächtigten Gelehrten.

Dies ist eines der wenigen Zugeständnisse an den Zeitgeist, den Yates sonst heraushält aus seinen Geschichten. Mit großer Sorgfalt siedelt er sie an in einem Bereich zeitlos moderner Konflikte, um die er nicht viel Worte macht. Sie sind um so beklemmender, als ihre Normalität signalisiert, daß auch uns dergleichen jederzeit widerfahren kann. Er ist - und das wurde öfter mißverstanden - weniger der Autor der begrabenen Träume; er entlarvt nicht; er führt uns, ohne sehr ins Detail zu gehen, mit einem die Personen gleichsam aufs Skelett zerlegenden Röntgenblick, vor, wie es ist, wenn selbst bescheidene Ziele eine Nummer zu groß sind für uns.

Dies erfährt im Grunde jeder seiner Helden: der Redakteur einer Gewerkschaftszeitung, "der mit den Haien kämpft" (so der Titel) und dabei aus den Augen verliert, daß zum Mitleid auch Takt gehört; der snobistische, reiche Nichtstuer, der sich Sorgen um einen schwarzen, "wirklich guten Jazzpianisten" macht, die nicht seine sind; und die Lehrerinnen der einfühlsamen Schulgeschichten "Doktor Schleckermaul" und "Spaß mit Fremden", die nicht merken, wie sehr ihre Ungeschicklichkeit sie isoliert.

Am meisten aber ist Yates in seinem Element als writer's writer: "Baumeister" heißt die letzte, aber zentrale und mit Abstand längste dieser trostlosen Erzählungen, mit der er vermutlich am meisten von sich preisgegeben hat: von seinem nie befriedigten Ehrgeiz, im "New Yorker" zu veröffentlichen - akribisch verzeichnet der Biograph Bailey die Ablehnungsbescheide des hochnäsigen Magazins -; von seiner Selbstverachtung, die das Zusammenleben mit ihm schwerer gemacht haben dürfte als seine Sucht; und von seinem Traum, so zu schreiben wie Hemingway. Es ist die Geschichte eines would-be, des Möchtegernschriftstellers Bob, der sich von dem lächerlich und unglaublich komisch daherschwadronierenden Taxifahrer Bernie hereinlegen läßt und für diesen den gewinnbringenden Ghostwriter gibt. Es ist zugleich eine Baukastenanleitung fürs literarische Schreiben, das man entweder beherrscht oder nicht (Yates, der viele Schüler hatte, glaubte an die Lehr- und Lernbarkeit dieses Berufs): Man hebe eine Grube aus, errichte das Fundament, ziehe Mauern hoch, baue Fenster ein und einen Schornstein obendrauf. Das hier, wie meistens bei Yates, merkwürdig offene Ende rührt mit dem Eingeständnis, daß der Bau nichts taugt: "Und wo sind die Fenster? Wo kommt das Licht herein? Bernie, alter Freund, verzeih mir, aber darauf weiß ich keine Antwort. Ich bin nicht einmal sicher, daß dieses Haus überhaupt Fenster hat. Vielleicht muß das Licht, so gut es kann, durch die Spalten und Ritzen eindringen, die das mangelhafte Geschick der Baumeister übrigließ, und wenn es so ist, kannst du gewiß sein, daß sich deshalb niemand schlechter fühlt als ich." Die Sorge ist überflüssig. Was Richard Yates, dieser eigenwillige Baumeister, anfaßt, hat Türen und Fenster, Hand und Fuß. Er ist kein Hemingway, kein Fitzgerald, aber einer von deren Familie.

Richard Yates: "Elf Arten der Einsamkeit". Short Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anette Grube und Hans Wolf. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 285 S., geb., 19,90 [Euro].

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"...ein großes literarisches Dokument aus dem Amerika der Nachkriegszeit." DeutschlandRadio Kultur