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200. Geburtstag am 19.01.2009
Edgar Allan Poe (1809-1849) ist der unamerikanischste und dennoch der wirkungsmächtigste amerikanische Klassiker. Er gilt als der Erfinder der Detektivgeschichte, als erster Theoretiker der Kurzgeschichte, als Virtuose des Grauens, als Ahnherr der phantastischen Literatur, als Initiator der "l'art pour l'art"-Ästhetik und als erster "poète maudit". Poe erwarb sich schon zu Lebzeiten den Ruf eines genialen Schriftstellers und lebte dennoch in bitterer Armut. Sein Leben folgte einem Zick-Zack-Kurs zwischen zwei Polen, die sich mit den Titeln von zwei seiner…mehr

Produktbeschreibung
200. Geburtstag am 19.01.2009

Edgar Allan Poe (1809-1849) ist der unamerikanischste und dennoch der wirkungsmächtigste amerikanische Klassiker. Er gilt als der Erfinder der Detektivgeschichte, als erster Theoretiker der Kurzgeschichte, als Virtuose des Grauens, als Ahnherr der phantastischen Literatur, als Initiator der "l'art pour l'art"-Ästhetik und als erster "poète maudit".
Poe erwarb sich schon zu Lebzeiten den Ruf eines genialen Schriftstellers und lebte dennoch in bitterer Armut. Sein Leben folgte einem Zick-Zack-Kurs zwischen zwei Polen, die sich mit den Titeln von zwei seiner Geschichten umschreiben lassen: "Die Macht der Worte" und "Der Kobold des Perversen". Die brillanten Werke schrieb ein Autor, der von Gipfeln des Erfolges immer wieder in Alkoholexzesse abstürzte, in Depressionen versank und einen Selbstmordversuch unternahm. Der "Malstrom", auf den der Titel des Buches Bezug nimmt, bezeichnet den Abgrund, um den Poes Leben ständig kreiste, der aber zugleich jenen fremden, unbekannten Bereich darstellt, den er in seinem Werk erkundete. Die komplizierten Wechselbeziehungen zwischen Leben und Werk stehen im Zentrum dieser Biographie.
Autorenporträt
Hans-Dieter Gelfert war bis zum Frühjahr 2000 Professor für Englische Literaturwissenschaft und Landeskunde an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2008

Nur die Angebeteten fielen nicht auf ihn herein

Eine Biographie deckt auf, welche Streiche Edgar Allan Poe seinen Lesern bis heute spielt.

Von Elmar Schenkel

Immer wieder zwingt uns das Dezimalsystem zum Feiern von Jubiläen, in diesem Fall dem zweihundertsten Geburtstag von Edgar Allan Poe. Ist es nur das Zahlensystem, das ihn hochschwemmt in die Gegenwart, oder leben wir in einer Zeit, in der sich der Autor als Wiedergänger wohl fühlen würde? Hans Dieter Gelfert zeigt in seiner Biographie vor allem, dass Poe in seiner eigenen Zeit nie angekommen war. Er blickte entweder zu weit zurück oder lehnte sich zu weit in die Zukunft hinaus. Stets stand er quer zu seinen Zeitgenossen. Während diese den amerikanischen Traum, den Puritanismus, die Moral und die Pragmatik verfolgten, verteidigte er die Ideale der alten Südstaaten und verachtete die Demokratie. Während die anderen nach Westen als der letzten Grenze schauten oder vom Goldrausch an die kalifornische Küste gesogen wurden, blickte der Dichter aus Virginia nach Europa und in die Seele.

Nach Frank Zumbachs ausführlicher und weiteren deutschen Biographien lag es dem emeritierten Berliner Anglisten nicht daran, noch einmal den Lebenslauf des Autors zu verzeichnen. Vielmehr verbindet er Lebensereignisse und Entwicklungen mit zeitgeschichtlichen und politischen Kontexten. Den chronologischen Abriss unterbricht er mit Analysen der wichtigsten Werke. Es ist der Versuch, das Phänomen Poe literaturwissenschaftlich und zugleich menschlich zu verstehen. Dafür bringt Gelfert beste Voraussetzungen mit. Er ist einer der produktivsten und meistgelesenen anglistischen Autoren des Landes, dessen Bücher mal das typisch Amerikanische behandeln, mal den Unterschied zwischen deutschem und britischem Humor. Gelfert schreibt klar und unprätentiös und bleibt verstiegenen Theorien gegenüber skeptisch.

So auch in seiner Studie zu Edgar Allan Poe. Bei aller Achtung vor dessen Leistung bleibt er doch sein vernünftiger Bruder. Wenn Poes Verehrer ihm seine Rechenkünste, überhaupt seine Rationalität hoch anrechnen, so bemerken sie nicht, dass sie ihm damit auf den Leim gehen. Es wimmelt von mathematischen Absurditäten in Poes Geschichten, die vor Gelfert niemandem aufgefallen zu sein scheinen. In "Die Grube und das Pendel" etwa, in der der Erzähler sich per Rechnerei vor dem Tod rettet, stimmt fast nichts. Poe spielt sich immer wieder mit seinem "Genauigkeitstick" auf, wie Gelfert es nennt. Man kann ihn als Pose, als Jux oder Hoax mit dem Leser verstehen. Das ist die eine Konstante im Werk, die Poe Unverständnis und Verachtung bei Zeitgenossen eingebracht hat - der ewige Schülerstreich eines, der nicht erwachsen sein wollte. Die andere Konstante im Werk wie in der Person ist der innere Kobold, "the imp of the perverse", der immer dann Unheil anrichtet, wenn alles glatt zu laufen scheint.

Einer der erstaunlichsten Plünderer der Litertur.

Das gilt für den Erzähler in Geschichten wie "Das verräterische Herz" als auch für Poes gesellschaftliche Auftritte oder seine Beziehungen zu Frauen. Auch war Poe begabt darin, sich Feinde zu machen. Er teilte kräftig Plagiatsvorwürfe aus, wobei er selbst zu den erstaunlichsten Plünderern der Literatur gehörte. Frauen pflegte er zu idealisieren und verpasste daher manche Realität. Gelfert sieht Poes weibliche Figuren als Ausdruck eines gespaltenen Frauenbilds. Die Frau ist entweder Engel oder Mutter; zu Recht widmet der Biograph den wichtigen Frauen in Poes Leben eigene Porträts.

Hochachtung zollt Gelfert dem kosmologischen Traktat "Eureka", in dem Poe sich mit der Entstehung und Zerstörung von Galaxien und mit dem Verhältnis von Geist und Materie beschäftigt. Poe erweist sich geradezu als prophetisch, wenn man seine Visionen mit denen der heutigen Astrophysik vergleicht. Er redet von einer gravitationslosen Welt und stellt sich einen Urknall vor. Viele naturwissenschaftliche und philosophische Schriften seiner Zeit hat Poe hier verarbeitet. Die Arbeit, die er in Zeitschriftengründungen, Redakteurstätigkeiten und Rezensionen investierte, ist unvorstellbar. Die Kraft dazu hatte er, vermutet Gelfert, aus einem an Größenwahn grenzenden Machttrieb.

Man hätte sich gewünscht, mehr über den Einfluss des Amerikaners auf die restliche Welt zu lesen, auf Jules Verne etwa, Dostojewski oder die japanische Literatur, wo ein gewisser Edagawa Rampo im Stil des Meisters schrieb. Damit tut sich die Frage auf, wieso Poe bis heute so populär ist. Man mag antworten, es sei seine Vielseitigkeit: er war der Vater der Kriminalgeschichte, der Kurzgeschichte allgemein sowie der modernen Lyrik, deren Analytiker er zugleich wurde. Er schwankte immer zwischen Mystik und Kalkül, zwischen Jux und Geheimnis, und er verkörperte frühzeitig eine Art Vereinsamung, wenn nicht Autismus, der erst in unserem Zeitalter der Computerwelt zur Vorherrschaft gekommen ist. Für seine Präsenz in der heutigen Kultur gibt es zahlreiche Gründe. Vielleicht besser als andere hat Poe das selbst erklärt. Als man ihm vorwarf, er stehe zu sehr in der Tradition der deutschen Schauerromane, erwiderte er: "Wenn in vielen meiner Produktionen der Schrecken das Thema ist, so behaupte ich, dass dieser Schrecken nicht aus Deutschland, sondern aus der Seele kommt."

Hans-Dieter Gelfert: "Edgar Allan Poe". Am Rande des Malstroms. Verlag C.H. Beck, München 2008. 249 S., Abb., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2009

Argumentationen von seltsamer Verwegenheit
Der unwiderstehliche Hang zur Selbstzerstörung: Hans-Dieter Gelfert erzählt das Leben des Edgar Allan Poe
Eine Motte, die sich nach einem Stern verzehrt: So hat Charles Baudelaire den unglücklichen Dichter beschrieben. Den tragisch scheiternden Träumer im Allgemeinen, der in seinem Scheitern nahezu unmerklich die grotesken Züge einer Witzfigur annimmt, die sich dem Himmel schon nah wähnt, nur weil sie ihn als Spiegelbild in einer Regenpfütze erblickt. Und Edgar Allan Poe im Besonderen, den einsamsten Dichter der Neuen Welt, den – auf immer – verlorenen Sohn Amerikas, für den es niemals Wiederkehr gibt. Anders als der Anglist Hans-Dieter Gelfert, der Edgar Allan Poe nun eine schmale Überblicksdarstellung gewidmet hat, wusste Charles Baudelaire diesen amerikanischen Fürsten der Finsternis zutiefst zu verstehen: Weil er sich selbst in diesem wiedererkannte.
Poe war zugleich Meister, Virtuose des Deliriums, als Literat, und er war dessen wehrloses Opfer, zumindest als Quartalssäufer, vielleicht sogar als ein klinisch Kranker. Während seine amerikanischen Zeitgenossen aufbrachen, um den noch unbekannten Westen ihres weiten Landes zu erschließen, hat er in seinen Schriften die abgelegenen Grenzregionen der Trunkenheit, des Rauschs, der Raserei in all ihren Spielarten und Abarten erkundet. Insofern mag man ihn vielleicht, wie es mitunter allzu leichtfertig geschieht, als einen anderen amerikanischen Pionier aus der Pionierzeit Amerikas sehen, obwohl es viel naheliegender ist, ihn mit T.S. Eliot als einen heimatlosen Europäer zu verstehen. Genau so hat ihn natürlich auch Baudelaire beschrieben, der das Unglück Edgar Poes nicht allein auf jene ohnehin unerfüllbare, und darüber hinaus auch noch selbstzerstörerische Sehnsucht der Motte nach einem Stern zurückführte, sondern auf sein völlig deplatziertes Dasein in der Neuen Welt, die gerade in jener Phase – im zweiten Drittel des 19. Jahrhundertes – wie besessen war von jener typischen Melange aus Pragmatismus, Puritanismus und Patriotismus, die sie sich selbst und der restlichen Welt am liebsten in perverser Überdosierung verabreichte. In Europa, so Baudelaire, in Deutschland oder Frankreich besonders, hätte er zumindest ein paar Freunde gefunden.
Bis heute wird Poe in diesen beiden Ländern am meisten geliebt und wohl auch gelesen. Wenn es überhaupt in seinen Schriften über den amerikanischen Geistesbruder einen Moment der Irritation gibt, dann dort, wo er erwähnt, dass Poe kurz vor seinem Ende in Baltimore einem der damals florierenden Abstinenzlervereine beigetreten ist, den „Sons of Temperance”, um eine auf Alkoholentzug bestehende Landpomeranze heiraten zu können.
Dass Hans-Dieter Gelfert den amerikanischen Dichter bewundert oder gar wie einen Bruder liebt, wird man seiner Überblicksdarstellung auch bei näherer Prüfung nicht anmerken. Gelfert ist ein ausgewiesener Kenner und Liebhaber und überdies ein glänzender Vermittler angelsächsischer Kultur und Literatur, was jeder bestätigen wird, der seine vorzüglichen Abhandlungen zum britischen Humor, zur Kulturgeschichte Englands oder zur amerikanischen Mentalität gelesen hat. Vermutlich liegt darin schon die Begründung dafür, dass ihm der „heimatlose Europäer” Edgar Allan Poe letztlich vielleicht fremd, wenn nicht sogar unheimlich geblieben ist, in jedem Fall wohl aber nicht wirklich richtig liebenswert werden konnte: Denn dieser verhält sich zum britischen Understatement und Pragmatismus ebenso wie zum amerikanischen Messianismus und Optimismus geradezu antipodisch: Poe ist ein Paria der angelsächsischen Welt gewesen, und eigentlich bis heute geblieben.
Gelfert versäumt natürlich nicht, diese tragische Diskrepanz zwischen Poes Persönlichkeit und der amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit herauszuarbeiten, und darauf hinzuweisen, wie wenig heimisch Poe in Amerika geworden ist. Man wird gerade in jenen Passagen, wo Gelfert beides aufeinander bezieht – jene hochgestimmte „Periode der Hoffnung” (Lewis Mumford) im boomenden, von immer neuen Wellen religiöser Erweckung „heimgesuchten” Land, und Poes fatalen Hang zur Selbstzerstörung, seine Lust am Morbiden, am Düsteren und Dämonischen – als die besten Momente dieses Bandes zu schätzen wissen.
Zurecht weist Gelfert darauf hin, dass es an grundlegenden Fakten nichts Neues zur vielfach beschriebenen Biographie Edgar Allan Poes zu sagen gibt – um diese dann doch noch einmal in knapper Form nachzuerzählen. Eine „andere Sicht” auf Leben und Werk des Dichters, wie angekündigt, vermag man daneben, in den eher analytisch angelegten Kapiteln des Bandes nicht recht zu entdecken. Die hier ausgeführten Gedanken zur Persönlichkeit oder zur Poetik Poes, so sehr sie auch einer ersten und raschen Orientierung dienen mögen, entstammen weitgehend dem bekannten Kanon der Sekundärliteratur. Selbst die sehr ausführlichen, mit geradezu beckmesserischem Eifer exekutierten Nachweise der Ungenauigkeiten und Irrtümer in so vielen von vermeintlich akribisch recherchierten, mit wissenschaftlicher Akkuratesse auftretenden Erzählungen Poes sind nicht so neu, wie sie sich geben: Schon Baudelaire hat diese Unstimmigkeiten ebenso beiläufig wie souverän als „Argumentationen von seltsamer Verwegenheit” registriert und dazu ansonsten nur angemerkt: Man wird sich damit abfinden müssen. Außerdem: Wer kommt denn schon auf die seltsame Idee, die Maßangaben in einer Erzählung von Poe nachzuprüfen?
Besser wäre es gewesen, den ungeklärten Rätseln, den offenen Fragen in Leben und Persönlichkeit des Dichters nachzugehen: Welches Verhältnis ihn zum Beispiel wirklich mit Frauen verband, weil doch die seltsam verqueren, nie recht klar werdenden Frauengeschichten sein Leben wie sein Werk zutiefst prägen. Oder: Worauf genau sich der abrupte, sein ganzes weiteres Leben unter einen düsteren Stern stellende Bruch mit seinem Adoptivvater gegründet haben mag? Inwieweit Poe wirklich von einer gravierenden Alkoholsucht ins Unglück getrieben wurde, oder nur in den Augen der allzu puritanischen Zeitgenossen als maßloser Säufer erschien; beide Sichtweisen lassen sich ja durch vielfache Berichte von Zeitzeugen belegen.
Den einen fatalen, alle anderen Anlagen überstrahlenden, ihn wie in einen veritablen Malstrom hinabreißenden Persönlichkeitszug des Dichters hat jedoch auch Gelfert eingehend herausgearbeitet: Jenen ebenso unerklärlichen wie unwiderstehlichen Hang zur Selbstzerstörung, an dem Edgar Allan Poe geradezu zwangsläufig zugrunde gegangen zu sein scheint. In seinen besten Geschichten – etwa „Die schwarze Katze” oder „Das verräterische Herz” – hat er diesem Imperativ eindringliche Gestalt verliehen, jenem dämonischen, widersinnigen Trieb, sich selbst zu quälen, sich selbst auszulöschen, grundlos in den gähnenden Abgrund zu springen, sich zu verbrennen. Wie die Motte, die sich nach dem Stern verzehrt. MANFRED SCHWARZ
HANS-DIETER GELFERT: Edgar Allan Poe. Am Rande des Malstroms. C. H. Beck Verlag, München 2008. 240 Seiten, 19,90 Euro.
Ein Raum im Poe-Haus in Baltimore Foto: AP Photo/Rob Carr
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Elmar Schenkel ist hocherfreut über diese Jubiläums-Biografie. Das liegt zum einen daran, dass er bei Hans-Dieter Gelfert nicht auf einen weiteren Anlauf stößt, den Lebenslauf des Edgar Allan Poes "zu verzeichnen", sondern teilhaben kann an dem Versuch, Leben und Werk chronologisch im zeitgeschichtlichen Kontext zu verorten und Poe literaturwissenschaftlich wie menschlich zu verstehen. Zum anderen ist es der unprätentiöse, klare, von Skepsis großen Theorien gegenüber geprägte Stil, mit dem Gelfert zu Werke geht. Auf die Art gelingt es dem Autor zu Schenkels Erstaunen, den ein oder anderen Rechentrick Poes als Jux oder dessen Frauenbild als ein zwischen Engel und Mutter changierendes zu erweisen. Einzig über Poes Einfluss auf andere Autoren, in Europa und anderswo, hätte Schenkel gern mehr erfahren, als in diesem Buch nachzulesen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH