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2,6 Mio. Mal geteilt: »Die meistdiskutierte Story aller Zeiten.« THE GUARDIAN. Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können? Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen - einer Zeit, in der alles…mehr

Produktbeschreibung
2,6 Mio. Mal geteilt: »Die meistdiskutierte Story aller Zeiten.« THE GUARDIAN. Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können? Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen - einer Zeit, in der alles greifbar ist, und es doch immer schwerer wird, auch nur das Geringste davon zu erreichen. » 'Cat Person' ist eine Geschichte mitten aus der Grauzone der #metoo-Debatte, die zeigt, wie Kommunikation zwischen den Geschlechtern im 21. Jahrhundert an die Wand fahren kann, wenn die Köpfe hinter den Geräten noch dieselben sind wie in vordigitalen Zeiten.« FAZ. »Kristen Roupenian hat mit ihrer Kurzgeschichte 'Cat Person' einen Nerv getroffen.« SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. » 'Cat Person' beschreibt prägnant, wo wir in der Diskussion um das Kräfte- und Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen gerade stehen.« DER FREITAG Brillant, lakonisch und bitterkomisch: Das Psychogramm unserer Zeit. "Einzigartig - zum ersten Mal werden die Befindlichkeiten der Millennials beschrieben." Washington Post
Autorenporträt
Roupenian, KristenKristen Roupenian, Jahrgang 1982, studierte afrikanische Literatur in Harvard und hat als freie Journalistin gearbeitet. Ihre Kurzgeschichte "Cat Person", im November 2017 im "New Yorker" veröffentlicht, wurde zur viralen Sensation und gilt als eine der meistgelesenen Stories aller Zeiten. Der Erzählungsband "Cat Person" ist ihr Debüt und erschien zeitgleich in 23 Ländern. Eine Verfilmung von HBO ist in Vorbereitung.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Im Dezember 2017 veröffentlichte Kristen Roupenian im "New Yorker" die Kurzgeschichte "Cat Person", in der eine junge Frau einen vielversprechenden Flirt und dann trostlosen Sex mit einem Mann hat. Der Text beschrieb mit enormer Präzision die Grauzone zwischen Höflichkeit und Angst und Hoffnung, schlechtem Sex und sexueller Nötigung, traf den blank liegenden Nerv der Zeit und wurde innerhalb weniger Tage 2,6 Millionen Mal geteilt. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an Roupenians Debüt, dementsprechend hoch die Wahrscheinlichkeit, enttäuscht zu werden. Aber der Erzählband "Cat Person" (im Original: "You Know You Want This") ist großartig. Zwölf sehr unterschiedliche Kurzgeschichten erzählen nuanciert davon, wie es ist, gerade jetzt am Leben zu sein. In "Böser Junge" nimmt ein Paar einen Freund auf, der gerade das Ende einer Beziehung zu verarbeiten hat, und bezieht ihn zunehmend sadistischer in ihr Sexleben ein. In "Sardinen" eskaliert auf groteske Weise ein Kindergeburtstag. Manche der Geschichten sind unheimlich, andere geradeheraus brutal, immer geht es um Macht. Die unbeschwerteste ist "Beißerin", dessen Protagonistin davon besessen ist, ihren Arbeitskollegen zu beißen. Roupenians Sprache ist gnadenlos und unprätentiös, ihre Figuren schwer zu vergessen.

© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2021

Ich bin nicht so, wie alle Welt vermutet

Darf eine Autorin mit ihren Figuren Katz und Maus spielen? Zum zweiten Mal löst die Erzählung "Cat Person" von Kristen Roupenian eine Debatte über das Verhältnis von biographischen Fakten und literarischer Fiktion aus.

Von Johannes Franzen

Es ist eine besondere Form von Horror, sich als Person unerwartet in einer Figur aus einer literarischen Erzählung wiederzuerkennen. Menschen, denen das zustößt, fühlen sich verraten und ohnmächtig. Man wurde gleichermaßen bloßgestellt, verleumdet, bestohlen, und das mit den Mitteln der Literatur vor einer literarischen Öffentlichkeit.

Johann Christian Kestner, der sich in "Die Leiden des jungen Werther" in der Figur des trockenen Albert wiedererkennen musste, dessen literarische Funktion darin besteht, zwischen Lotte und Werther zu stehen, reagierte charakteristisch bestürzt. In einem Brief an Goethe schrieb er: "Und das elende Geschöpf von einem Albert! Mag es immer ein eignes nicht copirtes Gemählde seyn sollen, so hat es doch von einem Original wieder solche Züge (zwar nur von der Aussenseite, und Gott sey's gedankt, nur von der Aussenseite) daß man leicht auf den würklichen fallen kann."

Man erkennt sich selbst, natürlich nur in Oberflächlichkeiten, fühlt sich aber vollkommen falsch dargestellt, oft von einem Menschen, der einem persönlich nahestand und dem man vertraut hat. Das Wesen des eigenen Charakters wurde von einer fremden und alles andere als wohlwollenden Fantasie okkupiert. Die Bestürzung, die durch eine solche Erfahrung ausgelöst wird, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das bin doch ich, aber das bin doch nicht ich!

Kestner und seine Frau Charlotte, die noch Jahre später von begeisterten Leserinnen und Lesern des "Werther" belästigt wurden, gehören zu den berühmten Opfern literarischer Verarbeitung. Die Reihe dieser Opfer ist lang. Ihr Schmerz und ihre Bestürzung werden zumeist als notwendiger, aber nebensächlicher Kollateralschaden ästhetischer Meisterwerke abgetan. Die Betroffenen sollen sich nicht so haben, immerhin ist ja ein Roman wie "Werther" entstanden. Dabei handelt sich oft um eine vernichtende Erfahrung - ein ethisches Problem, das den kreativen Prozess und seine Bewertung auf eine faszinierende Art verkompliziert.

Ein aktueller Fall spielt sich gerade in den Vereinigten Staaten ab. Auslöser war ein Essay von Alexis Nowicki im Onlinemagazin Slate, der den Vorwurf erhebt, die Autorin Kristen Roupenian habe sich in ihrer Erzählung "Cat Person" auf unangemessene Art und Weise in Nowickis Lebensgeschichte bedient. "Cat Person", 2017 im New Yorker veröffentlicht, war eine überraschende literarische Sensation - der seltene Fall eines literarischen Textes, der unzählige Male in sozialen Medien geteilt und kommentiert wurde. Ein Buch mit "Cat Person" als Titelgeschichte folgte (F.A.Z. vom 2. Februar 2019).

In der Erzählung geht es um die junge Studentin Margot, die einen älteren Mann, Robert, kennenlernt, mit dem sie schließlich eine extrem unangenehme sexuelle Erfahrung macht. Die Effektivität der Geschichte entsteht vor allem durch die virtuose Sympathielenkung, welche die Ambivalenz der Situation lange aufrechterhält bis zur naheliegenden, aber doch überraschenden Pointe, die für moralische Klarheit sorgt.

Die Figur Robert kommt dabei ausgesprochen schlecht weg, vom ersten Kuss ("shockingly bad") bis zum Ende der Erzählung, wo Robert in einer Mischung aus eifersüchtiger Paranoia und übergriffiger Verletztheit Margot als "whore" beleidigt. Es handelt sich um ein Porträt zeitgenössischer toxischer Männlichkeit, das für zahlreiche Leserinnen einen großen Wiedererkennungseffekt erzeugte. Für andere wiederum war die Erzählung Anlass für heftige Irritation. Der Text wurde im Kontext von #metoo zu einem Schauplatz des öffentlichen Diskurses.

Ein Grund für die emotionale und politische Irritationskraft des Textes war seine Fiktionalität. Dieser Status wurde allerdings auch von Anfang an attackiert, immer wieder wurde der Text als Personal Essay oder Autofiktion missverstanden. Die Autorin hat das immer geleugnet. Die Geschichte sei zwar persönlich, aber nicht autobiographisch. Megan Garber deutete die Lesarten der Erzählung, die unbedingt Faktizität unterstellen wollten, in der Zeitschrift The Atlantic als einen typischen Versuch, die Literatur von Frauen zu marginalisieren. Männlichen Autoren werde selbstverständlich der Luxus der Fiktionalität ("luxury of fiction") zugestanden, während man Autorinnen oft auf den biographischen Gehalt ihrer Erzählungen verpflichte. Fiktionalität erscheint in diesem Zusammenhang als Privileg, das man sich erkämpfen und verteidigen muss.

Diesen Geltungsanspruch rückte Nowickis Essay ins Zwielicht. Nowicki berichtet, dass sie kurz nach dem Erscheinen von "Cat Person" von einigen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis gefragt worden sei, ob es in der Geschichte um sie und ihren Ex-Freund, den sie in ihrem Essay Charles nennt, gehe - eine rätselhafte und bedrohliche Erfahrung, da sie weder von der Autorin noch von der Geschichte vorher gehört hatte. Das gespenstische Gefühl, von einer fremden Person ausspioniert und literarisiert worden zu sein, verstärkte sich noch bei der Lektüre. Nowicki erkannte einige Aspekte ihrer Lebensgeschichte wieder, den Namen der Universität, ihren damaligen Job.

Der von Philip Roth dargestellte pathologische Fall liegt nicht vor

Aus der Außenperspektive erscheint diese Lektüre zunächst etwas überspannt. Die Übereinstimmungen von Margot (der Figur) und Nowicki (der Person) sind eher unspezifisch, und es kommt durchaus nicht selten vor, dass Menschen sich fälschlicherweise in literarischen Texten wiedererkennen. Diese Praxis ist sogar so weit verbreitet, dass sie selbst wieder zum Gegenstand von Literatur geworden ist. In Philip Roths Roman "Zuckerman Unbound" etwa gibt es die Figur des Alvin Pepler, der den Autor Nathan Zuckerman manisch verfolgt, weil er der paranoiden Vorstellung anhängt, in dessen Roman verarbeitet worden zu sein - ein narzisstischer Versuch, sich in ein erfolgreiches fiktionales Werk einzuschreiben. Doch das ist in Nowickis Essay ganz und gar nicht der Fall, denn die Kontaktaufnahme der verstörten Leserin mit der Autorin brachte an den Tag, dass "Cat Person" tatsächlich auf Details aus der Beziehung von Nowicki und Charles beruht. Roupenian erwähnte in ihrer Antwort an Nowicki ein nicht weiter definiertes "encounter" mit Charles. Erst später habe sie erfahren, dass er eine Beziehung zu einer jüngeren Frau gehabt habe, die zur Grundlage für ihre Erzählung geworden sei. Verbunden war diese Offenlegung mit einer Entschuldigung: Sie hätte die Details ändern müssen.

Nowickis Essay ist der Versuch einer narrativen Wiederaneignung. Der reale Charles, der als Vorbild für Robert herhalten musste, sei in ihrer Erinnerung ganz anders gewesen, nämlich respektvoll und aufmerksam. Die Tatsache, dass er inzwischen verstorben ist, gibt dem Essay den melancholischen Ton eines Textes, der das Angedenken an eine reale Person, die durch eine fiktionale Erzählung verleumdet wurde, retten will.

So wurde "Cat Person" zum zweiten Mal zum Anlass für eine erhitzte digitale Kontroverse. Zahlreiche Menschen machten sich lustig über den Versuch, ein fiktionales Werk für vermeintliche Falschdarstellungen von Tatsachen haftbar zu machen, und diagnostizierten bei der Slate-Autorin, die selbst in der Buchbranche tätig ist, ein mangelndes Verständnis für den kreativen Prozess und den Status von Literatur. Andere verteidigten das Recht Nowickis, ihre eigene Geschichte gegen eine destruktive Form der Verarbeitung in Schutz zu nehmen. Es handelt sich um den klassischen Fall einer Kontroverse um das narrative Eigentumsrecht.

Dieses Recht beruht auf der Intuition, dass Menschen über ihre eigene Lebensgeschichte verfügen können. Immerhin kennt man sich selbst am besten und ist, zumindest die meiste Zeit, dabei gewesen. Wenn ein literarischer Text sich hier zu freizügig bedient, wird man zum Opfer einer narrativen Enteignung - ein weitverbreitetes Problem in der modernen Literatur, das professionelle Leser oft mit dem Schlagwort der Fehllektüre herunterspielen. Thomas Mann etwa reagierte auf entsprechende Vorwürfe in seinem Essay "Bilse und ich" mit herrischer Polemik. Als Künstler zwinge einen "der Dämon, zu 'beobachten', und mit einer schmerzlichen Bosheit, jede Einzelheit zu perzipieren". Diese Rücksichtslosigkeit sei im Dienste großer Kunst zu ertragen.

Der fragile Status der Fiktionalität selbst steht zur Debatte

Diese Position, die inzwischen durch den Siegeszug des Autonomie-Paradigmas zum literaturtheoretischem Dogma geronnen ist, erscheint im Angesicht konkreter Kontroversen ziemlich uninteressant. Sie leugnet den realen Schmerz der Betroffenen, der kein literaturgeschichtlicher Betriebsunfall ist, sondern ein bedeutsamer Aspekt der Konfliktgeschichte des Ästhetischen. Denn was im Fall von "Cat Person" in einer gewissen Unversöhnlichkeit gegeneinandersteht, sind nicht unbedingt die Autonomie der Kunst und das narrative Eigentumsrecht realer Menschen. Vielmehr steht vor allem der fragile Status der Fiktionalität selbst zur Debatte.

Beschädigt wurde nicht nur das Andenken an Personen, sondern auch die Erzählung, deren Fiktionalität durch die Offenlegungen Nowickis uneinholbar problematisch geworden ist. Dadurch verliert die Erzählung an Universalität, die exemplifikationserfassende Rezeption wird erschwert. Eine Aufdeckung realer Hintergründe findet immer auch auf Kosten der literarischen Wahrheit statt. Die Verantwortung dafür trägt zunächst einmal die Autorin, die den Text nicht ausreichend fiktionalisiert hat. Der Status kann nämlich nicht einfach behauptet werden, sondern muss durch die plausible Unähnlichkeit mit der Realität verdient werden. Das kann wiederum zu Schwierigkeiten im kreativen Prozess führen.

Allerdings war es auch eine bewusste Entscheidung Nowickis, den Status der Fiktionalität von "Cat Person" auf diese Art und Weise öffentlich infrage zu stellen. Dadurch wird zunächst einmal die Ethik der Geschichte verwirrt, denn indem sie die Person Charles gegen die Figur Robert verteidigt, verteidigt sie in gewisser Hinsicht auch die Figur selbst, die im Kopf der Leser nun mit dem Vorbild verschwimmt. Es kann kaum vermieden werden, dass dadurch das Porträt toxischer Männlichkeit an Wucht verliert. Gleichzeitig setzt sich Nowicki natürlich auch der widersprüchlichen Dynamik des Wissens aus, eine Öffentlichkeit, die weit über den Bekanntenkreis hinausgeht, mit dem notwendigen Wissen über die realen Hintergründe ausgestattet zu haben.

Vor allem wird aber die Autorin der Erzählung jetzt gezwungen, ihr Eigentumsrecht an der Geschichte durch eigene reale Erfahrungen zu beglaubigen. Aber genau das sollte ja beim Erscheinen von "Cat Person" vermieden werden. Roupenian schreibt in ihrer E-Mail an Nowicki etwas kryptisch, dass sie den Eindruck hatte, die behauptete Fiktionalität der Geschichte, also die Beteuerung, dass sie keine reale Person beschuldige, sei das Einzige gewesen, was sie vor noch mehr öffentlicher Wut und tatsächlicher Gewalt geschützt habe.

Die neue Kontroverse um "Cat Person" zeigt, dass im Zeitalter authentischer Narrative und autofiktionaler Erzählungen vielleicht aus dem Blick geraten ist, dass Fiktionalität einen Schutzraum bildet, der es ermöglicht, eigene Erfahrungen zum Spielmaterial der Kunst zu machen, ohne die teilweise extrem gefährlichen Konsequenzen faktualen Schreibens tragen zu müssen.

Dieser Schutzraum wurde durch den Essay Nowickis zerstört. Im Konflikt befinden sich hier zwei möglicherweise unvereinbare Bedürfnisse: zum einen die Lizenzen der Fiktionalität frei nutzen zu können, zum anderen nicht zum wiedererkennbaren Material der Kunst zu werden. Was für die eine Autorin ein Schutzraum war, wurde für die andere zu einem Schauplatz narrativer Ohnmacht.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.01.2019

Der kleine Unterschied
Die Short Story „Cat Person“ wurde 2017 online millionenfach gelesen und machte die amerikanische Autorin Kristen Roupenian über Nacht berühmt.
Jetzt ist ihr erster Erzählband erschienen. Er zeigt: Auch auf der langen Strecke hält sie das Niveau mühelos
VON FELIX STEPHAN
Im Dezember 2017, wenige Wochen nach den Weinstein-Enthüllungen, erschien im New Yorker eine Short Story, die von einem missglückten Date handelt. Die Geschichte heißt „Cat Person“, stammt von der bis dahin vollkommen unbekannten amerikanischen Autorin Kristen Roupenian, und weil sie in den sozialen Netzwerken millionenfach geteilt, gelesen und diskutiert wurde, handelt es sich mit einiger Sicherheit um die am häufigsten gelesene Short Story der vergangenen Jahre.
In „Cat Person“, erzählt in personaler dritter Person, geht es um die 20-jährige Margot, die studiert und nebenher in einem Programmkino Tickets verkauft, und um den 34-jährigen Robert, dem sie aus dem Ticketschalter heraus ihre Nummer gibt, als er sie darum bittet. Wochenlang schreiben sie sich Nachrichten, verstehen sich in diesem Rahmen erstaunlich gut und treffen sich irgendwann auch physisch. Der erste Eindruck ist kein guter: Robert holt Margot „in einem schmutzigen weißen Honda Civic“ ab, die „Getränkehalter quollen über vor alten Bonbonpapieren“, im Kino versucht er der Ticketverkäuferin gegenüber einen Witz, der „so verunglückte, dass alle drei peinlich berührt waren, vor allem Margot“.
Für ihr erstes Date hat Robert einen schwarz-weißen Holocaust-Film ausgesucht, weil er weiß, dass Margot einen ausgesuchteren Geschmack hat als er und ein schwarz-weißer Holocaust-Film das ist, was er sich unter Hochkultur vorstellt. Natürlich funktioniert das nicht, beharrlich macht sie sich über seine Wahl lustig. Auf eine gewisse Weise aber rührt sie seine Naivität, und auch deshalb kommt es nach dem Kino zu einem ersten Kuss, allerdings: „so unbeholfen, dass Margot kaum glauben konnte, dass ein erwachsener Mann so schlecht küsste“. Mit aller Kraft gelingt es ihr, auch seine sensible Seite anzuerkennen, und als er sie fragt, ob sie mit zu ihm kommt, sagt sie zu.
In Roberts Schlafzimmer aber kommt es zum Wendepunkt der Geschichte. Sie liegt schon auf seinem Bett, als sie ihm dabei zuschaut, wie er sich das Shirt und die Hose auszieht und erst dann feststellt, dass er noch die Schuhe anhat, und also ungelenk seinen untrainierten, haarigen Oberkörper vornüberbeugt, um mit halb heruntergelassener Hose die Schuhe aufzudröseln, und bei diesem Anblick denkt Margot: „O nein.“ Weil es ihr aber so vorkommt, als bedeute es einen größeren Aufwand, Robert jetzt möglichst schonend beizubringen, dass sie sich umentschieden hat, als den Sex einfach über sich ergehen zu lassen, entschließt sie sich „ihre Ablehnung in Unterwerfung niederzuknüppeln“. Beim Sex selbst liefert Robert dann eine Vorstellung ab, bei der Margot ihr Gesicht in das Kissen drücken muss, um einen Lachanfall zu unterdrücken.
Diese Entscheidung der fiktionalen Margot ist vielfach als Ausdruck einer patriarchalen Gesellschaft gedeutet worden, die das männliche Begehren über das Selbstbestimmungsrecht der Frau stellt und die Margot derart internalisiert hat, dass es sie zu dieser scheinfreiwilligen Unterwerfung nötigt. In einem strukturellen Sinne handele es sich deshalb schon um eine Vergewaltigung, selbst wenn Robert gar nicht wisse, dass er Gewalt ausübe.
Die Geschichte ließe sich andererseits aber auch so lesen, dass es Margot ist, die strukturelle Gewalt ausübt, schließlich offenbart sich zwischen den beiden ein deutlicher Klassenunterschied. Es ist Margot, die dem Habitus, der richtigen Einrichtung, dem richtigen Auto so viel Bedeutung beimisst, dass sie nicht in der Lage ist, diese Differenz zu überbrücken. Bei jeder Gelegenheit misst sie Robert an ständischen Signalen, an Geschmacks- und Konsumentscheidungen, und er macht nicht zuletzt deshalb eine so schlechte Figur, weil ihm dieser Unterschied sehr bewusst ist und er angestrengt versucht, ihn zu verschleiern, was ihn erst recht als Tölpel markiert. Spät am Abend lässt er sich sogar dazu hinreißen, sich Margot zu offenbaren und auf seine Gefühle, Zweifel und Sorgen zu sprechen zu kommen, wofür ihn Margot nur noch inniger verachtet. In dieser Lesart dreht sich die Geschichte nicht um toxische Männlichkeit, sondern um eine Epoche, in der Frauen im Schnitt höhere Bildungsabschlüsse haben als Männer, und jetzt vor dem Problem stehen, dass sie mit zunehmender Wahrscheinlichkeit gezwungen sind, nach unten zu daten.
Die Story ist konstruiert wie ein moralphilosophischer Anwendungsfall in sokratischer Tradition, der am konkreten Beispiel Fragen aufwirft nach Gewalt, Schuld und moralischer Relativität. Außerdem warf der immense Publikumserfolg von „Cat Person“ die Frage auf, ob der Autorin eigentlich bewusst war, was sie tat, oder ob sie einfach eine Episode aus ihrem Leben erzählte und ihr das Glanzstück gewissermaßen unterlaufen war, schließlich hatte man sonst noch nie etwas von ihr gelesen.
Dagegen sprach, dass Kristen Roupenian in Harvard afrikanische Literatur und in Michigan Kreatives Schreiben studiert hat. Und dagegen spricht nun auch ihr erster Erzählband. Das Buch heißt wie die berühmte Story und es weist Roupenian als Autorin aus, die im Zweifel alles schreiben kann. Ein Autorensubjekt gibt es in diesem Buch nicht, die Storys klingen wahlweise nach Stephen King, Edgar Allan Poe, Guy de Maupassant, Carrie Bradshaw.
Postmimetische Literatur könnte man das vielleicht nennen, oder vielleicht auch einfach: Fan Fiction. In der Erzählung „Der Junge im Pool“ wird dieses ästhetische Programm, das die Oberfläche feiert, die Medialisierung und das Trostpotenzial der Bilder, ganz explizit verhandelt. Darin geht es um ein paar beste Freundinnen, die an der Highschool die Tradition hatten, regelmäßig gemeinsam ein fürchterliches Vampir-B-Movie zu schauen und den hübschen, jugendlichen Hauptdarsteller anzuhimmeln, der vor allem in einer kitschigen Sexszene im Pool ganz hinreißend aussieht. Jahre später, als erwachsene Frauen, kommen sie wieder zusammen, um einen Junggesellinnenabschied zu feiern, für den die Erzählerin als Überraschungsgast den Schauspieler von damals bucht. Weil er aber als der auftritt, der er wirklich ist – ein erfolgloser Enddreißiger, der an einer Webserie namens „Dadzone“ arbeitet –, gerät sein Besuch langweilig, banal und ziemlich deprimierend.
Die Erzählerin legt also ein paar Hunderter drauf, damit der Schauspieler in den Pool springt und noch einmal für ein paar Augenblicke in die Rolle von damals schlüpft: „Der Junge schwimmt im Schmetterlingsstil, genauso wie im Film 20 Jahre zuvor.“ Glücklicher als die amerikanischen Mittelstandsfrauen in diesem Moment ist in diesem Buch niemand mehr. Nass gespritzt stehen sie am Beckenrand, „eine holt ihr Telefon heraus und fängt an, Fotos zu machen. ,Was ist noch mal der Hochzeits-Hashtag?‘, flüstert sie, aber keine der Frauen antwortet.“
Das ist alles ohnehin schon wirklich gut, aber Roupenian hat in ihre Storys noch eine weitere Ebene eingezogen, die wiederum moralischer und essenzieller nicht sein könnte. Wenn man ein Motiv finden wollte, das sämtliche Texte durchzieht, dann wäre es die Frage nach der Schuld. Nahezu jede Figur in diesem Buch verhält sich amoralisch, selbstsüchtig und zugleich genau so, wie es ihr von der Kultur aufgetragen wird. Sie werden mitleidslos aus Selbstschutz und erniedrigen, traumatisieren, verletzen auf der Suche nach einem Plätzchen in der Komfortzone wiederum andere. Bei Roupenian, und dieser hohe Ernst ist gut verborgen, ist Schuld nichts, das den Einzelnen betrifft, sondern den Menschen an sich.
Kristen Roupenian: Cat Person. Storys. Blumenbar Verlag, Berlin 2019. 282 Seiten, 20 Euro.
Für ihr erstes Date hat Robert
einen schwarz-weißen
Holocaust-Film ausgesucht
Ein einziges Motiv durchzieht
sämtliche Geschichten:
die Frage nach der Schuld
Ihr Erzählband hält, was 2017 ihr Debüt im New Yorker versprach: Die amerikanische Autorin Kristen Roupenian, geboren 1981 in Plymouth, Massachusetts, schreibt moralische Geschichten aus der heutigen Klassengesellschaft.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Kristen Roupenians im New Yorker veröffentlichte Kurzgeschichte "Cat Person" ging viral, erinnert Rezensentin Ursula März. Aber nicht nur die Geschichte über einen missglückten One-Night-Stand zwischen Margot und Robert, die darin endet, dass Robert Margot nachstellt, ohne dass diese ihm Grenzen setzt und die somit die #MeToo-Narrative unterläuft, hat die Kritikerin beeindruckt. Auch die weiteren zehn Geschichten, die der nun auch auf Deutsch erschienene Band enthält, erscheinen der Kritikerin hochaktuell und literarisch erstklassig. Nicht zuletzt bewundert sie das "Klima des Unheimlichen" in den Erzählungen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Roupenian macht in ihren Geschichten nachempfindbar, worum es in der #MeToo-Debatte geht: um Macht, um Kontrolle und um Druck.« Mirijam Trunk STERN 20190124