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Die Ukraine ist das einzige Land Europas, in der die Annäherung an die EU mit Blut bezahlt haben, sagen Beobachter der Proteste am Majdan-Platz in Kiew. Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch meint lapidar: "Wenn wir uns für Europa einsetzen, geht es dabei auch um unsere Souveränität. Um die Menschenrechte und um die Freiheit. Das sind nicht nur schöne Worte, das ist die nackte Wahrheit." Es sind Sätze wie wir sie von den Dissidenten in Warschau, in Budapest, in Prag kennen - Sätze aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In der Ukraine des Jahres 2014 hat es viele, sehr viele…mehr

Produktbeschreibung
Die Ukraine ist das einzige Land Europas, in der die Annäherung an die EU mit Blut bezahlt haben, sagen Beobachter der Proteste am Majdan-Platz in Kiew. Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch meint lapidar: "Wenn wir uns für Europa einsetzen, geht es dabei auch um unsere Souveränität. Um die Menschenrechte und um die Freiheit. Das sind nicht nur schöne Worte, das ist die nackte Wahrheit." Es sind Sätze wie wir sie von den Dissidenten in Warschau, in Budapest, in Prag kennen - Sätze aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In der Ukraine des Jahres 2014 hat es viele, sehr viele Tote gegeben, bevor ein korruptes Regime weggedrängt werden konnte in einen Kampf zwischen der Gesellschaft und Machthabern, die das Land systematisch ausgenommen haben. In diesem Buch kommen vor allem Stimmen aus der Ukraine zu Wort, Schriftstellerinnen, Dichter, Intellektuelle. Die Zeit, um die es geht ist: jetzt. Das Buch betreibt eine Art Geschichtsschreibung des Augenblicks: Ein Land willsich befreien. Für Europa ein historischer Moment. Deshalb geht es in diesem Buch immer auch um Europa, und Autoren aus anderen europäischen Ländern beschreiben das aus ihrer Sicht. Mit Beiträgen u.a. von Juri Andruchowytsch, Elmar Brok, Orlando Figes, Jörg Forbrig, Timothy Garton Ash, Rebecca Harms, Tamara Hundorowa, Halyna Kruk, Maxym Kidruk, Adam Michnik, Timothy Snyder, Martin Pollack, Natalka Sniadanko und Serhij Zhadan
Autorenporträt
Andreas Rostek, geboren 1955 am Niederrhein, Journalist, Verleger und Autor. Hat gelebt und gearbeitet in Berlin, Rom, Lugano und Washington und immer wieder in Berlin
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Cathrin Kahlweit ist sehr dankbar, dass sich der Verlag fotoTapeta getraut hat, dieses Buch zu den Protesten vom Majdan herauszugeben, denn in den Augen der Rezensentin kann keine Rede davon sein, dass der Band den Entwicklungen hinterherhinkt. Im Gegenteil. So kluge Autoren sind in diesem Band versammelt, so wichtige Fragen angesprochen und so aufregende Geschichten erzählt, dass der Band noch lange seine Gültigkeit behalten wird. Timothy Garton Ash beschreibt, wie lange schon Moskau die Souveränität Ukraine unterminiere, der Historiker Andrij Portnov beklagt die Vernachlässigung der Ostukraine durch die Opposition, Orlanda Figes stellt die Frage in den Raum, ob Ukraine - wie die Tschechoslowakei - mit einer Teilung nicht besser fahren würde. Dazu kommen Texte von Juri Andruchowytsch und Mykola Rjabtschuk, die ihr einen Blick in das Herz der Ukraine gewährten, und auch die Beiträge der EU-Politiker Elmar Brok und Rebecca Harms hat die Rezensentin mit Gewinn gelesen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.03.2014

Was ist los
auf dem Maidan?
Blicke ins Herz der Ukraine
„Geschichtsschreibung des Augenblicks“ nennt die Edition fotoTAPETA ihren schmalen Band zur Ukraine. Suchte man eher nach dem Augenblick als nach den Geschichten dahinter, wäre das Urteil allzu schnell gefällt: Die Texte, die unter den durchaus programmatisch gemeinten Ortszuschreibungen „Majdan, Ukraine, Europa“ erschienen sind, waren zum Zeitpunkt ihrer Drucklegung von den Ereignissen ein- und überholt worden.
  Aber der erste Eindruck täuscht ganz gewaltig. Denn hier geht es um weit mehr als um Momentaufnahmen. Es geht um einen Blick in das Herz der Ukraine.
  Zwar haben die Autoren des Sammelbandes, Schriftsteller, Historiker, Politiker, ihre Texte Ende 2013, Anfang 2014 geschrieben – und wohl kaum eine Krise hat so sehr und so schnell ihre Themen und Konfliktlinien, ihre Dramatik verändert wie das, was als Aufstand gegen die Entscheidung einer politischen Führung begann, zu einer (innenpolitischen) Systemkrise mutierte und nun – im schlimmsten aller denkbaren Fälle – in einem europäischen Krieg enden könnte.
  Das ist sicherlich einer der Gründe dafür, warum immer weniger Verlage sogenannte politische Schnellschüsse zu aktuellen Konflikten wagen: Informationen, Einschätzungen zur Tagespolitik sind digital leichter und pointierter zu bekommen als auf 150 gedruckten Seiten aus einem Verlag, dessen Programm es ist, Geschichte zu erzählen – mit besonderem Fokus auf den östlichen Nachbarn.
  Aber Edition fotoTAPETA hat sich vorgenommen, nicht nur Geschichte, sondern auch Geschichten zu erzählen, und dazu noch die Geschichten hinter den Geschichten. Der kleine Verlag, aus einer Kooperation mit einem polnischen Partner entstanden, will in Fotos und Essays, Gedichten und Erzählungen zeigen, was ist. In „Majdan! Ukraine, Europa“ ist das großartig gelungen.
  Dieses nicht nur, weil die Liste jener, die hier aus ihrem Land, von ihren Freunden, von ihrer Wut und ihren Träumen erzählen, die gesellschaftliche Krise der Ukraine historisch herleiten oder die Ereignisse auf dem Maidan lyrisch begleiten, illuster ist. Einige der berühmtesten Schriftsteller und Publizisten der Ukraine wie Juri Andruchowiytsch oder Mykola Rjabtschuk haben mitgeschrieben, Historiker wie Orlando Figes oder Timothy Snyder – und, vielleicht um des Kompromisses der Ausgewogenheit willen oder um das Bild zu komplettieren, wurden auch EU-Politiker wie Elmar Brok oder Rebecca Harms um einen Beitrag gebeten.
  „Ich liebe mein Land, aber ich hasse diesen Staat wie die Pest“ schreibt der Autor und Übersetzer Andrij Ljubka gleich zu Beginn, und auch das könnte man als programmatisch auffassen. Auf dem Maidan habe eine Wetsche, eine Volksversammlung stattgefunden, glaubt Ljubka, die zugleich die Fortsetzung einer schon Jahrzehnte währenden antisowjetischen, antitotalitären Revolution war. Ihr Ziel sei es gewesen – und sei es immer noch –, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik in eine andere Republik zu verwandeln.
  Wenn man das viel zitierte Diktum von Wladimir Putin dagegenstellt, der Untergang der UdSSR sei die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen, dann ist klar, warum keine Verständigung gelingen kann zwischen dem EuroMaidan und Moskau: Es ist die Hoffnung auf ein echtes Ende der UdSSR, das die Texte dieses Buches wie Hunderte Reden auf dem Maidan durchzieht – und die Taras Prochasko, ein Journalist aus der Westukraine, so formuliert: „Die Schule der Gleichheit haben wir durchlaufen, die Schule der Richtlinien und Vorschriften auch. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der unsere eigene Wahl zählt.“
  Die Euphorie über den Maidan und die vielen kleinen Revolutionshelden, die er berühmt gemacht hat, ist aus jeder Zeile herauszulesen und manifestiert sich überall dort, wo fast schwelgerisch erzählt wird, welche überraschenden Fähigkeiten zur Selbstorganisation und welch überbordende Solidarität die Bewegung hervorgebracht hat. Auch über das Ziel – europäische Werte, Toleranz, Freiheit – gibt es wenig Dissens unter den Autoren. Dissens gibt es über den Weg dorthin und über die Fehler, die dabei schon gemacht wurden oder gerade gemacht werden.
  Der ostukrainische Historiker Andrij Portnov moniert, zu Recht, dass die bisherige Opposition nie ernsthaft versucht habe, die russischsprachige Wählerschaft im Osten und Süden des Landes zu erreichen. Der berühmte britische Osteuropa-Historiker Orlando Figes findet es falsch, dass jeder Gedanke an eine Spaltung des Landes negiert wird. Er führt das Beispiel der Tschechoslowakei und ihre „samtene Scheidung“ an, um zu zeigen, dass eine solche Trennung einer Lösung vorzuziehen wäre, die von einer „fremden Macht aufgezwungen“ wäre.
  Und sein Kollege Timothy Garton Ash ätzt gegen diese „fremde Macht“, gegen Russland, dem er einen „Fleischfresser-Stil“ vorwirft: Wer die Fehler bei der EU suche und ihr vorwerfe, sie mische sich in innerukrainische Angelegenheiten ein, der übersehe, dass es Moskau gewesen sei, das seit Jahren verdeckt und offen in der Ukraine interveniere, dem Land nach Belieben den Gashahn zudrehe und mit seinen „nicht familientauglichen Methoden“ Druck ausübe. Garton Ash folgert: Gegen diesen Heißhunger Russlands sei der Appetit der EU höchstens „vegetarisch“.
  Die Mehrheit der Deutschen, das besagen neue Umfragen, sind der Meinung, die EU sei maßgeblich schuld an der aktuellen Krise, weil sie die Interessen Russlands zu lange ignoriert habe. Die bisweilen anrührenden, immer klugen Texte in „Majdan! Ukraine, Europa.“ könnten dazu beitragen, dieses Urteil zu korrigieren.
CATHRIN KAHLWEIT
Claudia Dathe, Andreas Rostek (Hrsg.): Majdan! Ukraine, Europa! edition fotoTAPETA, Berlin 2014. Übersetzung Translit e.V. 157 Seiten, 9.90 Euro.
„Ich liebe mein Land, aber ich
hasse diesen Staat wie die Pest“,
schreibt der Autor Andrij Ljubka
Es wurde nicht versucht, die
russisch-sprachige Wählerschaft
in der Ukraine zu erreichen
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