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Die Ehe von Theo (Kevin Bacon) und Susanna (Amanda Seyfried) ist kurz vor dem Scheitern. Ihre Geheimniskrämerei, seine Eifersucht und dunkle Schatten der Vergangenheit haben ihre Spuren hinterlassen. In einem letzten Versuch, die Beziehung zu retten, fahren die beiden mit ihrer kleinen Tochter Ella aufs Land in ein einsam gelegenes, hoch modernes Ferienhaus. Was zunächst wie ein perfekter Rückzugsort erscheint, wird zu einem Albtraum, als Theo sich von einer finsteren Macht verfolgt sieht, die alles über ihn und Susanna zu wissen scheint - und sich weigert, die beiden gehen zu lassen.

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Produktbeschreibung
Die Ehe von Theo (Kevin Bacon) und Susanna (Amanda Seyfried) ist kurz vor dem Scheitern. Ihre Geheimniskrämerei, seine Eifersucht und dunkle Schatten der Vergangenheit haben ihre Spuren hinterlassen. In einem letzten Versuch, die Beziehung zu retten, fahren die beiden mit ihrer kleinen Tochter Ella aufs Land in ein einsam gelegenes, hoch modernes Ferienhaus. Was zunächst wie ein perfekter Rückzugsort erscheint, wird zu einem Albtraum, als Theo sich von einer finsteren Macht verfolgt sieht, die alles über ihn und Susanna zu wissen scheint - und sich weigert, die beiden gehen zu lassen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2020

Unheil im Designerhaus

Aus diesem Lockdown gibt es kein Entkommen: Mitten in der Krise feiert der Horrorfilm "Du hättest gehen sollen" nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann digitale Premiere.

Was man sieht, ist eine feuchte Wiese, Nebel, ein Steinmäuerchen, Einsamkeit; da parkt der Range Rover, mit dem die Familie durch die einsame Hügellandschaft hierhergekommen ist, um ein paar Tage Ferien zu machen; da spielt das Kind. Da steht, auf einem Hügel, das Haus.

Wenig später beschließt der Mann in diesem Haus, ins Freie zu treten, er öffnet die Tür nach draußen - und muss feststellen, dass die tiefer ins Haus führt. Das Haus macht seltsame Dinge. Der Mann sieht an den Wänden Bilder von sich, wo keine sein können, seine Frau Susanna, eine Schauspielerin, kann auch in der Einöde nicht von ihrem Mobiltelefon lassen, und es dauert nicht lange, bis der Mann feststellen muss, dass seine Frau nicht nur ein Telefon hat, sondern zwei identische Geräte - und dass auf dem zweiten Liebesbotschaften einer Affäre eingehen. Der Verdopplung (ein Gruß ans Doppelgängermotiv des Horror-Genres) steht die gespenstische Auslöschung des Mannes gegenüber; dort, wo er sich im Panoramafenster spiegeln müsste, sieht er nur den Raum, die ungerührten Dinge. Er hat sein Spiegelbild verloren wie Peter Schlemihl seinen Schatten; was er zu sehen erwartet, nämlich sich, gibt es offensichtlich nicht.

In David Koepps Film "Du hättest gehen sollen", einer freien Weiterentwicklung von Daniel Kehlmanns gleichnamiger Gespensternovelle, sind Kevin Bacon als Mann mit dunklem Geheimnis und Amanda Seyfried als seine eiskalt perfekte Gattin zu sehen - und während ihr Beziehungsdrama seinen Lauf nimmt, fängt das Haus an, immer unheimlichere Dinge zu tun: Korridore verdoppeln sich, Räume ändern ihre Position. Der Mann vermisst das Haus - und muss feststellen, dass es innen größer ist als außen (ein Gruß an Mark Z. Danielewskis "House of Leaves", das ebenfalls innen größer ist als außen). Dann wird es noch schlimmer: Erstaunt stellt der Vater fest, dass jemand "Geh weg, sofort" in sein Notizbuch geschrieben hat. Er nimmt das nicht ernst, er vertraut darauf, dass auch in einer Krise die Grundparameter der Realität bestehen bleiben, dass Zeit und Raum nicht anfangen, sich um sein ramponiertes Leben zu krümmen und ein teuflisches Dickicht auszuformen, in dem er mit dem Kind festhängt. Aber genauso ist es: Er hätte gehen sollen, jetzt ist es zu spät. Er fühlt sich "in zwei Wesen gespalten", und zwar buchstäblich: Als er fliehen will, sieht er am Fenster des leeren Hauses den Schatten von sich selbst. Sogar die Landschaft macht plötzlich bei dem Teufelsspiel des sich krümmenden Raums mit: Als der Mann endlich dem Haus entkommt, wandert er stundenlang mit dem müden Kind durch die Kälte Richtung Tal - um plötzlich wieder direkt vor dem Haus zu stehen. Sein Kopf steckt fest in der euklidischen Geometrie, für höherdimensionale Mannigfaltigkeiten fehlen ihm die Formeln.

Im Jahr des Lockdowns scheint der Film über ein Albtraum-Haus, das seinen Bewohner nicht mehr nach draußen lässt, einen Nerv zu treffen: Die englische Originalfassung des Films, der im Sommer wegen der Corona-Krise nur digital Premiere hatte, hielt sich über längere Zeit unter den meistgestreamten Filmen; jetzt ist "Du hättest gehen sollen" digital auch auf Deutsch zu sehen. Das unheimliche Zentrum des Films ist, wie im Buch, das Haus, und wie bei Kehlmann ist es kein altes Spukschloss, sondern ein modernes: Der Film wurde unter anderem in Wales in einem der Designerhäuser gedreht, mit denen Alain de Bottons "Living Architecture"-Stiftung den Urlaub in ein "Raum-Event der Stille und Meditation" verwandeln will, was auch ein bisschen nach einer Horrordrohung klingt. Im Film ist dieses - im echten Leben "life house" getaufte - Gebäude eine "living architecture", die nicht zur Freude ihrer Bewohner zum Leben erwacht.

In seiner Novelle spielt Kehlmann mit den klassischen Elementen des Gothic - da ist das kriselnde Paar mit Kind, das wie in "Shining" oder in "Burnt Offerings" in einem einsamen Haus auf dem Land zur Ruhe kommen will; die uralte Frau, die "Geht schnell weg" nuschelt; der Ladenbesitzer, der etwas über das Haus weiß, was er nicht sagt. Dieses Haus ist etwas Neues in der Horrorliteratur. Der Schriftsteller Stephen Graham Jones hat einmal geschrieben, dass es zwei Formen von Spukhäusern in der Literatur gebe: "Stay away houses" und "hungry houses". Kehlmanns Haus ist beides - ein "Stay away house" wie das Herrenhaus in Henry James' "The Turn of the Screw", das Signale aussendet, besser sofort verlassen zu werden, und ein "hungry house"; es wirkt einladend, schließt sich aber bald wie eine Auster über seinem Bewohner. Wie James spielt Kehlmann mit der unzuverlässigen Erzählsituation; man weiß nie, ob die Beobachtungen nur Wahnbilder einer überreizten Person sind, die - wie der Schriftsteller Jack in "Shining" - in der Stille des winterlichen Berges aus der Genervtheit über den Wahnsinn des Familienalltags in pathologischen Wahn hinübergleitet.

Im Film ist der Mann ein bierernster Mensch und ein liebender Vater. Bei Kehlmann ist die Sache komplizierter, böser, komischer: Sein Erzähler ist ein mittelmäßiger Fernsehserienautor mit Schreibblockade, der an einer Fortsetzung seines "Werks" schreibt - einer Serie namens "Allerbeste Freundinnen". Seine Frau macht deutlich, dass es sich dabei vielleicht um ein Werk, aber nicht um ein "Werk" im Sinne Prousts handele. Derart gedemütigt (Kehlmann hat eine geradezu gespenstische Fähigkeit, in wenigen Strichen das ganze Drama einer zerrütteten Ehe sichtbar zu machen, in der Sorge erst in Enttäuschung und dann in entnervte Geringschätzung umschlug), versucht der Mann zu arbeiten. Kehlmanns Held - darin kann man den entscheidenden Schlüssel zum Gespenstischen der Geschichte sehen - besteht schon zu Anfang aus zwei Personen: einer, die voller Sorge das schlafende Kind in Sicherheit bringen will, und einer kälteren, der das Kind letztlich egal ist. Der Erzähler klagt darüber, wie schwer das Kind bei der Wanderung ist, wo es vor sich hin erzählt, während die Eltern ihm nicht zuhören; wenn es etwas malt oder baut, ruft der Mann "super", wie um es zum Schweigen zu bringen, er ist bloß genervt, als eine Puppe ihren Arm verliert ("Das Ding ist kaputt!").

Diesen feinen psychotischen Bruch der Hauptfigur eliminiert der Film ebenso wie die Tragikomik des Erzählers, der sich an den Figuren seiner Serie festhält, während ihm die Realität zunehmend unbeschreiblich wird - und damit auch den Grund der Doppelgänger, der sich vervielfachenden Räume und Personen. Es wirkt fast, als hätte der Regisseur beim Lesen der Erzählung nicht ganz verstanden, was sie so unheimlich macht, und ihr deswegen eine große Portion Freud und eine Leiche in den Keller geschmissen: Im Film ist die erste Frau des Mannes in der Badewanne ertrunken und taucht nun als verdrängtes Unterbewusstes wieder auf. Bei Kehlmann lassen andere Dinge den Erzähler zerbrechen: die Affäre, das Eingeständnis, als Künstler gescheitert zu sein, die tote Zeit, die er mit dem Vorlesen sinnloser Kinderbücher verbringt. Er entkommt, was ihm im Haus offenbar wurde, den Sackgassen seiner Existenz, nicht mehr.

In Frankreich sagt man, wenn man sagen will, man sei zu Hause und ganz bei sich: Je suis chez moi. Auch das ist genau genommen eine unheimliche Aufspaltung des Ichs in zwei Personen: Ich bin "bei jemandem" - und dieser "jemand" bin ich. Um zu Hause sein zu können (mit allen wohligen Gefühlen der Geborgenheit), muss man sich aufspalten, gleichzeitig Gastgeber und Fremder, Eintretender und Öffnender sein. Genau dazu kommt es in "Du hättest gehen sollen" - nur dass der Erzähler, die Art, wie er sich fremd wird, nicht genießen kann. Wie im Albtraum sieht er sich als Revenant in der "wellenschlagenden Zeit". Sein früheres Ich hat seine Warnungen aus der Zukunft nicht gehört - denn er war es, der "Geh" in sein Buch geschrieben hatte; eine Szene, die so gespenstisch ist wie die in Chris Markers "La Jetée", in der der Mann, den er als Kind sterben sieht, er in der Zukunft ist.

Hat es eine Bedeutung, dass das Haus ein modernes ist? In der klassischen Spukliteratur sind die Häuser meist alt oder aufgegeben. Ob Horace Walpoles "Schloss von Otranto", Ambrose Bierces "Spook House" oder Poes rissiges "Haus Usher": Das Gruselige liegt immer im Alten, von dunklen Taten und Ungerechtigkeiten Durchspukten. Horror in modernen Häusern ist seltener; neben dem teuflischen Architektenhaus in Anne Rivers Siddons' "House Next Door" steht einer der eindrucksvollsten modernen Horrorbauten in Ray Bradburys "The Veldt" von 1950; auch dort entkommen die Eltern ihrem vollautomatisierten Haus nicht mehr - sie werden von plötzlich real werdenden Hologramm-Löwen aufgefressen.

Kehlmanns Novelle ist auch deshalb so brillant, weil sie an einem unheimlich modernen Haus den Horror einer Welt ohne Außen auf eine neue Weise für das digitale Zeitalter erzählt - in einem Moment, in dem sogenannte smarte Häuser sich tatsächlich in Roboter verwandeln, die den Schlaf ihrer Bewohner überwachen und analysieren, Türen selbsttätig zufahren und ihre Bewohner auch dann nicht freigeben, wenn sie scheinbar draußen sind. Das iPhone sendet immer noch Daten ans Haus, man entkommt ihm nicht mehr.

Eine der gruseligsten Szenen ist diejenige, in der der Mann auf dem Bildschirm des Babymonitors das Kind, das eigentlich schlafen sollte, mit weißen Augen im Bett sitzen sieht. Der Horror liegt nicht in quietschenden Truhen, sondern im Technischen; die elektronische Vermessung der Welt gebiert Monster. Als der Mann sein Spiegelbild nicht sieht, sucht er sein Mobiltelefon, um das Phänomen festzuhalten, es ist seine einzige Verifizierungsinstanz; die SMS-Affäre löst das endgültige Desaster aus, den Zerfall seiner Person. Der Mann schlägt am Ende die letzte mögliche Rettung aus: Er versteht, dass er nicht stirbt, aber ums Leben gekommen ist: gescheiterter Vorabendseriendrehbuchautor, kein Werk geschaffen, Frau weg.

Die Leiche, die Koepp in seinem Film auf diese kalte Panik der Ausweglosigkeit wirft, wirkt da fast wie eine tröstliche Entschärfung.

NIKLAS MAAK

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