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Durch einen Sturz über die Stiege stirbt Roland Mathis, der widerwärtige Schnüffler, der Anton Galba und seine heimliche Geliebte mit ihrem Verhältnis erpresst hatte. In Panik lässt Galba, Leiter der Abwasserreinigungsanlage Dornbirn, die Leiche im Häcksler verschwinden. Der den Fall untersuchende Polizist Nathanael Weiß verdächtigt Galba von Anfang an. Allerdings gibt es auch in seinem Umfeld einen Widerling, den er gerne loswerden würde. Galba muss notgedrungen mitmachen, doch für Weiß ist das erst der Anfang: Es gilt, Schädlinge der Gesellschaft auszurotten. Christian Mähr erzählt in diesem…mehr

Produktbeschreibung
Durch einen Sturz über die Stiege stirbt Roland Mathis, der widerwärtige Schnüffler, der Anton Galba und seine heimliche Geliebte mit ihrem Verhältnis erpresst hatte. In Panik lässt Galba, Leiter der Abwasserreinigungsanlage Dornbirn, die Leiche im Häcksler verschwinden. Der den Fall untersuchende Polizist Nathanael Weiß verdächtigt Galba von Anfang an. Allerdings gibt es auch in seinem Umfeld einen Widerling, den er gerne loswerden würde. Galba muss notgedrungen mitmachen, doch für Weiß ist das erst der Anfang: Es gilt, Schädlinge der Gesellschaft auszurotten. Christian Mähr erzählt in diesem bitterbösen Krimi aus Österreich von Moral und Mordlust in der Kleinstadt.
Autorenporträt
Christian Mähr wurde 1952 in Feldkirch im Vorarlberg geboren und lebt als Autor und Journalist in Dornbirn. Der promovierte Chemiker arbeitet beim Österreichischen Rundfunk für die Redaktionen Wissenschaft und Umwelt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2010

Mistkerle zu Blumenerde

Ab ins Klärwerk: Bei Christian Mähr ist der Thriller kein Selbstzweck, sondern eine moralische Versuchungsanordnung: "Alles Fleisch ist Gras".

Anton Galba ist ein Saubermann. Er leitet das Klärwerk von Dornbirn, eine moderne Anlage mit biologischen und chemischen Reinigungsstufen, Nachklärbecken und drei Faultürmen, in denen auch die örtlichen Fleischabfälle landen. Aus dem Klärschlamm wird nach Galbas Rezeptur ein Superdünger hergestellt, der Pflanzen mächtig emporschießen lässt und dem biblischen Zitat im Titel einen Schriftsinn gibt: "Alles Fleisch ist wie Gras."

Privat lebt Galba in eher ungeklärten Verhältnissen und wird bald in eine schmutzige Erpressungsgeschichte verwickelt. Roland Mathis hat den Chef beim außerehelichen Liebesspiel im Wald mit Nachtsichtgerät fotografiert. Oben auf dem Faulturm geraten Mathis und Galba in ein Streitgespräch. Nach einer kleinen Rangelei stürzt der Erpresser unglücklich die Treppe hinunter und ist tot. Kurzentschlossen lässt Galba die Leiche im Häcksler verschwinden, in dem sonst Fleischreste entsorgt werden.

Niemand vermisst Mathis. Trotzdem kommt Inspektor Nathanael Weiß, ein ehemaliger Schulfreund Galbas, diesem in freundschaftlichen und zugleich raffiniert bohrenden Gesprächen auf die Schliche. Galba sieht sich bereits im Gefängnis, da nimmt die Sache eine unerwartete Wendung. Auch Weiß hat nämlich jemanden, den er gern verschwinden lassen würde - den widerwärtigen Unternehmer Ludwig Stadler, der ihm die Frau ausgespannt hat. Auch der findet nun seinen Weg durch den Häcksler in den Faulturm. Damit aber nicht genug. Obwohl der scheinbar abgeklärte Nathanael Weiß sich gern als "Menschenfreund" bezeichnet, erweist er sich in der Folge als Mephisto, der das Böse will, um das Gute zu schaffen. In entschlossener Selbstjustiz möchte der Bad Lieutenant die Gesellschaft von "schädlichen" Mitgliedern befreien: Mistkerle zu Blumenerde. Die "Verbesserung von Dornbirn" ist das Ziel. Und die Morde produzieren ihre eigene wahnhafte Rechtfertigungslehre: Es ist die alte Idee der Feme, des Freigerichts, das die aus dem Lot geratene Welt wieder einrenken soll - eine Antwort auf Rechtslücken der Justiz. Höchste Zeit, diese urtümliche Rechtsform aus vormodernen Zeiten wieder einzuführen, so zumindest die Auffassung von Inspektor Weiß.

Während sich das "Femegericht" in Kettenreaktion fortsetzt, wächst das Grauen des unfreiwilligen Kumpans Galba. Schließlich spielt er dem Enthüllungsjournalisten Ingomar Kranz eine Videoaufzeichnung aus dem Häcksler zu, in der Hoffnung auf den großen Skandal. Aber auch der Moralapostel von Dornbirn wird von Weiß ins Feme-Vertrauen gezogen. Und auch Kranz hat seinen Feind: den korrupten Stadtrat Karasek, dessen Machenschaften er seit langem verfolgt. Es kommt, wie es kommen muss: Häcksler, Faulturm, Granulat. Am Ende bleibt Galba nur das explosive Selbsthelfertum.

Der 1952 geborene Christian Mähr - Autor, Bienenzüchter, Chemiker - lebt in Dornbirn und kennt die gewissermaßen westfälische Mentalität der Vorarlberger: "Als Redewendung gab es die skeptische Frage ,Rentiert sich das?', die meistens gleich vom Fragesteller selbst abschlägig beschieden wurde: Das rentiert sich nicht!" Mährs Romane rentieren sich; sie bieten spannende Handlung und sind zugleich als Gedankenspiele angelegt. Die Figuren von "Alles Fleisch ist Gras" bekommen eine märchenhafte Chance: ihre Neigung zum Bösen zu verwirklichen. Kennt nicht jeder einen Mitbürger, den er für entbehrlich hält? Bei Mähr ist der Thriller kein Selbstzweck, es geht immer um eine moralische Versuchs- oder Versuchungsanordnung. Dass die Rückführung des kühnen Plots auf die Ebene des kriminalistischen Realismus sich dann schwierig gestaltet, liegt hier in der poetologischen Natur der Sache und schmälert den Reiz der Lektüre nur marginal.

Denn der Roman nimmt sich Zeit für gute Beobachtungen am Rand und entwickelt sich zur Gesellschaftskomödie. Anschaulich werden die Dornbirner Charaktere vorgeführt, ihre fragwürdigen Karrieren und zerrütteten Ehen, ihre zerrütteten Karrieren und fragwürdigen Ehen. Von üblicher Mordslektüre unterscheidet sich der Roman schon durch den Stil: nicht dieser zynismuserprobte Ton, der oft klingt, als wäre der Autor im Nebenberuf selbst Killer, sondern ein gepflegter Duktus mit einer guten Portion makabren Humors. Komik entsteht, weil die Menschen, die in die Mordserie verwickelt werden, ihre Erlebnisse mit ihrer Medienerfahrung abgleichen. Wichtiger als die Morde sind die unverkrampft philosophierenden Dialoge und die pointierten moralischen Reflexionen. Warum ist das Rechtssystem so kompliziert? "Es sollte die Fiktion aufrechterhalten werden, die Sache mit gut und böse sei verworren und verwickelt; sie zu durchschauen erfordere Fachleute mit jahrelanger Ausbildung - dabei wusste jeder, was gut und böse war, von klein auf. Und tat das Böse, wenn er Gelegenheit hatte. Die Normalbürger nutzen die Gelegenheit, die Verbrecher suchen sie. Darin bestand der Unterschied."

WOLFGANG SCHNEIDER

Christian Mähr: "Alles Fleisch ist Gras". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2010. 399 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen außergewöhnlichen Krimi aus Dornbirn hat Wolfgang Schneider vorzustellen. Es geht um das Böse in uns und unliebsame Mitbürger, die im Klärwerks-Häcksler zu Blumenerde werden. Hinter der spannenden Handlung entdeckt Schneider eine Versuchsanordnung zwecks Klärung moralischer Problemstellungen. Doch keine Bange, das Ganze kommt gänzlich unverkrampft und in gepflegtem Ton daher, versichert Schneider. Dass Christian Mähr seinem Personal und selbst dem halsbrecherischen Plot bei der Umwandlung in kriminalistischen Realismus auch noch Humor mitzugeben vermag, hält Schneider für große Klasse.

© Perlentaucher Medien GmbH