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Produktdetails
Trackliste
CD
1Valentine00:04:27
2Roll river roll00:05:10
3Serious00:03:24
4Tonight the streets are ours00:03:39
5Lady Solitude00:05:32
6Dark road00:03:58
7The sea calls00:05:54
8Lady's bridge00:03:59
9I'm looking for someone to find me00:03:18
10Our darkness00:04:07
11The sun refused to shine00:04:58
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2007

Sinatras Nachsendeantrag
Das Sound-Sakko sitzt: Richard Hawley ist ein stilsicherer Crooner

Es ist schon lustig, wie die Plattenfirma von Richard Hawley versucht, die neue Platte ihres Künstlers wertkonservativ als heilsame Rettung vor der bösen modernen Quatschmusik an den Mann zu bringen: "In einer Zeit, in der die neusten Trends, Szenen und Sounds in Windeseile vorbeirauschen, brauchen wir Musik mit einer gewissen Beständigkeit", heißt es ebenso ungelenk wie anrührend altbacken im Infoschreiben der Plattenfirma. Richard Hawley als vergangenheitsverliebter Troubadour, der uns mit seinem eskapistischen Bardentum davor beschützt, dass die ganzen quietschigen Neo-Rave- und Post-Emo-Terroristen unsere Portemonnaies aufessen und unsere i-Pods kaputtmusizieren? Man sollte dem wackeren Richard Hawley keine solchen Reinhard-Mey-Tendenzen anhängen, er hat einfach nur eine schöne neue Platte gemacht. Seine bislang beste.

"Lady's Bridge", wie schon der Vorgänger "Cole's Corner" nach einer Sehenswürdigkeit in Hawleys Heimatstadt Sheffield benannt, ist deshalb so gut, weil der Vierzigjährige nun endlich auch Songs schreibt, die das ihnen übergeworfene schöne Sound-Gewand tragen können. Denn Stimmungen verwalten, das konnte Richard Hawley schon immer gut. Nachdem er mit seiner Band "The Longpigs" in den Glanzzeiten des Neunziger-Britpop ordentlich auf die Nase gefallen war (eine Amerika-Tour der notorisch erfolglosen Band endete im Alkohol- und Drogendelirium), wurde er von Jarvis Cocker als Tour-Gitarrist für dessen Band "Pulp" aufgegabelt; Hawley beherrschte genau jenen geschmackvollen Retro-Twang, den Cocker für die damalige Phase seiner Band benötigte.

Doch auch die Tourneen mit Pulp erwiesen sich als allzu kräftezehrend für Richard Hawley. Erstaunlich eigentlich: Rauhe Sitten war er schließlich gewohnt, schon auf dem Schulhof musste der Sohn eines waschechten Teddyboys wegen seiner Hasenscharte einiges einstecken, und generell war das proletarische Sheffield nicht das Pflaster, das einen zum sensiblen Gedichteschreiber machte. Aber so oder so: Der klassische Rock-'n'-Roll-Weg schien für den Familienvater Hawley nicht gangbar. Am Ende seiner "Pulp"-Zeit spielte er Cocker einige selbstkomponierte Songs vor; der war so begeistert, dass er seinen Gitarristen ermutigte, im Jahr 2000 ein Minialbum aufzunehmen. Ein Jahr später folgte das reguläre Solo-Debüt, bislang sind insgesamt drei Alben erschienen. Mit der letzten Platte "Cole's Corner" gelang Hawley dann auch ein kommerzieller Erfolg. Er wurde für den renommierten Mercury Award nominiert (der allerdings von seinen jungen Fans, den "Arctic Monkeys", gewonnen wurde), und plötzlich mochten alle den Crooner aus dem Norden.

Dennoch: So schön Hawleys Platten auch immer waren, ließ man sich doch allzu sehr von der stilsicheren Produktion, dem sanften Reverb, dem süßen Tremolo, dem markanten Twang und der watteweichen Barsänger-Stimme blenden. Die Songs selbst hatten häufig etwas Einlullendes und kreisten zu oft geschmackssicher um ein leeres Nichts. Bei "Lady's Bridge" ist das anders. Diesmal sitzt das Soundjackett, vielleicht tut es Hawleys Stücken auch gut, dass er einige Male das Tempo deutlich anzieht.

Noch immer klingen Hawleys Lieder, als hätten sich Johnny Cash, Roy Orbison, Scott Walker sowie die Autoren-Teams Pomus/Shuman und Leiber/Stoller in einer leeren holzvertäfelten Bar getroffen und die in jener Nacht gemeinsam geschriebenen Lieder anderntags statt bei Sinatra bei Hawley in den Briefschlitz geworfen. Den Auftakt macht "Valentine", ein Lied, das zu walkerscher Schwere davon erzählt, dass der Held sich wieder einmal an die Härte des Alleineseins gewöhnen muss. Hawley schmettert das traurigste "not anymore" der Saison, und das Orchester geigt das Blau des Himmels davon.

Das Gegenteil ist "Serious", ein leichtfüßiger Rockabilly, das mit Abstand schnellste Stück, das Hawley je geschrieben haben dürfte. Und das fröhlichste obendrein. Der Song entstand, als Hawley vor gut einem Jahr für den Film "Flick" an der Seite von Faye Dunaway als Rockabilly-DJ vor der Kamera stand. Das Stück ist das Paradebeispiel für Hawleys Perspektive: Es ist Teenager-Musik durch und durch, allerdings Teenager-Musik der Fünfziger. Hawley stellt den Jugend-Soundtrack der Generation der heute Fünfzig- bis Sechzigjährigen für die Mittdreißiger der Gegenwart nach. Dass er dabei nicht "retro", sondern zeitlos klingt, verdankt sich seiner respektvollen Stilsicherheit und der Unerschütterlichkeit der von ihm bearbeiteten Genres. Am schönsten gerät ihm "Tonight The Streets Are Ours", ein funkensprühender Popsong, der von der Rückeroberung der Straße durch sozial benachteiligte Jugendliche handelt, die von Englands Politikern lieber weggesperrt würden.

Nein, vor böser moderner Musik kann uns Richard Hawley mit "Lady's Bridge" nicht retten. Er kann uns überhaupt nicht retten. Aber er kann mit dieser Platte in finsteren Momenten ein Gefährte sein. Und selbst wenn dies nicht gelingen sollte, so kann er es doch wenigstens schaffen - ähnlich wie seine großen Vorbilder -, Melancholie wie einen glamourösen Zustand erscheinen zu lassen.

ERIC PFEIL

Richard Hawley, Lady's Bridge. Mute/Emi 50184026

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