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Argentinien im Juni 1956: Ein Dutzend Männer wird von der Polizei aus einer Wohnung entführt und hingerichtet. Monate später stößt der Journalist Rodolfo Walsh auf die Spur eines Überlebenden; nach minutiösen Recherchen veröffentlicht er den Tatsachenroman "Das Massaker von San Martín". Die Geschichte ist in Südamerika eine Sensation und macht Walsh zum Helden des argentinischen Widerstands. Marcelo Figueras erzählt diese wahre Begebenheit als spannungsgeladenen Thriller: wie der legendäre Journalist Walsh selbst zum Detektiv wird und mit der Rekonstruktion des Verbrechens seinen literarischen…mehr

Produktbeschreibung
Argentinien im Juni 1956: Ein Dutzend Männer wird von der Polizei aus einer Wohnung entführt und hingerichtet. Monate später stößt der Journalist Rodolfo Walsh auf die Spur eines Überlebenden; nach minutiösen Recherchen veröffentlicht er den Tatsachenroman "Das Massaker von San Martín". Die Geschichte ist in Südamerika eine Sensation und macht Walsh zum Helden des argentinischen Widerstands. Marcelo Figueras erzählt diese wahre Begebenheit als spannungsgeladenen Thriller: wie der legendäre Journalist Walsh selbst zum Detektiv wird und mit der Rekonstruktion des Verbrechens seinen literarischen Durchbruch erzielt. Perfekt komponierter Krimi und Reportage in einem: ein Meisterstück.
Autorenporträt
Figueras, Marcelo
Marcelo Figueras, geboren 1962 in Buenos Aires, arbeitete als Journalist für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen, zum Beispiel für Clarín. Er veröffentlichte eine Reihe von Kurzgeschichten - so im Jahr 2000 in La selección argentina -, ein Kinderbuch, fünf Romane und schrieb mehrere Drehbücher, etwa zum Roman Brennender Zaster von Ricardo Piglia und zu eigenen Romanen. El espía del tiempo wird derzeit in Spanien fürs Kino verfilmt und Kamtschatka (Kinofilm, Argentinien 2003, Regie Marcelo Piñeyro) sorgte in Deutschland an der Berlinale 2003 und dann in den Kinos für hymnische Kritiken.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Wenn einer der wichtigsten Autoren der modernen lateinamerikanischen Literatur mit einem neuen Buch aufwartet, darf man mit Recht gespannt sein. Marcelo Figueras enttäuscht die hochgesteckten Erwartungen in "Das schwarze Herz des Verbrechens" nicht. Immer enger verzahnt er im Laufe des Romans die Tatsachengeschichte von der Hinrichtung eines ganzen Dutzends Männer durch die argentinische Polizei in den 1950er-Jahren mit seiner fiktiven Erzählung des Journalisten R, wie er im Roman nur heißt. Natürlich ist R unschwer als der Journalist Rodolfo Walsh zu identifizieren, der aus dem Massaker tatsächlich einen Roman gemacht hatte. So erzählt Figueras in Romanform die Geschichte eines Autoren-Detektivs und seines Romans. Das klingt kompliziert verschachtelt, ist aber durch die stetig vorantreibende Sprache und einen kunstvoll gesetzten Spannungsbogen wie im Rausch zu lesen. Die Tatsachengeschichte an sich ist schon spannend genug, doch der Autor schafft es, mit seiner fiktiven Überhöhung dem Leser einen tiefen Einblick ins Seelenleben der Protagonisten zu verschaffen und damit exakt das titelgebende "schwarze Herz des Verbrechens" darzustellen.

© BÜCHERmagazin, Carsten Tergast (ct)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.04.2018

Flecken aus Kalk und Asphalt
In seinem Roman „Das schwarze Herz des Verbrechens“ erzählt der argentinische Autor Marcelo Figueras
von seinem 1977 ermordeten Landsmann und Schriftstellerkollegen Rodolfo Walsh
RALPH HAMMERTHALER
Am 25. März 1977 setzt sich Rodolfo Walsh zur Tarnung einen alten Strohhut auf den Kopf. Er tauscht die Hornbrille, sein Markenzeichen, gegen eine Metallbrille aus. So verkleidet zieht er mit einem Bündel Briefe durch Buenos Aires. Jedes Mal, wenn er einen Briefkasten entdeckt, steckt er einen der Briefe hinein. Es handelt sich um ein und dasselbe Schreiben, adressiert an die großen Zeitungen des Landes, den später berühmt gewordenen „Offenen Brief eines Schriftstellers an die Militärjunta“. Darin prangert Walsh die Diktatur in Argentinien an, Morde, Folter, Lager, öffentliche Heuchelei.
Noch am selben Tag fallen ihm verdächtige Gestalten auf, wenngleich alle in Zivil. „Es lungerten zu viele Kerle auf der Straße herum.“ Als er den Hinterhalt bemerkt, ist es schon zu spät. Der Erste zielt auf ihn und schießt, dann der Zweite. Walsh stirbt im Kugelhagel.
Rodolfo Walsh kennt in Argentinien jeder. Er verkörpert den Typus des engagierten Schriftstellers. Angefangen hat er als Journalist, und das Journalistische hat er nie ganz sein lassen; auch die späteren Romane und Erzählungen sind davon geprägt. 1969 erschien der dokumentarische Roman „Wer erschoss Rosendo García?“ über den Mord an einem Gewerkschaftsführer. Seine Kurzgeschichte „Diese Frau“, von vielen in einem Atemzug mit Borges und Cortázar genannt, beruht auf einem Gespräch mit dem Chef des Heeresgeheimdienstes in den Fünfzigerjahren.
Diese Frau ist nicht irgendeine Frau, sondern, ohne dass ihr Name erwähnt würde, Evita Perón, genauer gesagt, die tote Evita. Die einbalsamierte Leiche wurde von Militärs entführt und etliche Jahre der Öffentlichkeit entzogen; jede Erinnerung an die Peróns sollte ausgelöscht werden. Am Ende lässt Walsh den Oberst sagen: „Diese Frau gehört mir.“ Nicht mal der politische Gegner war vor der Faszination Evitas gefeit.
Mit dem Begriff „Befreiungsrevolution“ schmückte das Militär 1955 seinen Putsch gegen Juan Péron. 1956 wurden zwölf Zivilisten auf einer Müllhalde hingerichtet. Diesem Verbrechen spürte Walsh nach und veröffentlichte ein Buch darüber: „Das Massaker von San Martín“. Damit war ein neues Genre geboren, der Tatsachenroman, Jahre vor Truman Capotes „Kaltblütig“. In der spanischsprachigen Welt wird von „testimonio“ gesprochen, von einem auf Zeugenaussagen gestützten Roman. Der brutalen Militärdiktatur der Fünfzigerjahre verdankte Walsh seinen größten literarischen Erfolg; die brutale Militärdiktatur der Siebzigerjahre kostete ihn das Leben. Anders als Evitas Leiche ist die Leiche von Rodolfo Walsh nach seinem Verschwinden nicht mehr aufgetaucht.
In seinem neuen Roman „Das schwarze Herz des Verbrechens“ hat der 1962 in Buenos Aires geborene Romancier, Drehbuchautor und Journalist Marcelo Figueras die Hinrichtungen von 1956 aufgegriffen. Und er hat damit eine Leerstelle gefüllt, die „Das Massaker von San Martín“ hinterließ. Diese Leerstelle heißt Rodolfo Walsh. Denn Walsh selbst tritt in seinen eigenen Recherchen nicht auf. Bei Figueras nun wird er zum Protagonisten. Mit diesem Trick führt Figueras vor, wie ein mittelmäßiger Journalist (und ebenso mittelmäßiger Krimi-Autor) durch die Begegnung mit Überlebenden und Hinterbliebenen sein Herz für Gerechtigkeit entdeckt – und nebenbei sein Talent für politisch eingreifende Literatur.
Eine Hommage, sagt Figueras, habe ihm vorgeschwebt. Diese Hommage ist zum Glück nicht gelungen, denn alles Ehrerbietige hätte den Roman zur Festschrift entstellt. Stattdessen wird Rodolfo Walsh, schlicht R genannt, in Widersprüchen vorgestellt, gebeutelt von Ehrgeiz, Geldnot und aufkeimendem Mitgefühl, nicht unwesentlich unterstützt erst durch seine Ehefrau, dann durch seine Geliebte. Nur im Epilog, der nach einem kühnen zeitlichen Sprung den Tag des 25. März 1977 schildert, klingen heldenhafte Töne an, der Offene Brief und der furchtlose Tod, erzählt nicht aus der Situation heraus, sondern wie von hoher Warte, ein Stück einbalsamierter Prosa für die Nachwelt. Don’t cry for him, Argentina.
Als R die Müllhalde inspiziert, findet er so gut wie keine Spuren. „Das Gelände war übersät mit Dosen, halbvergammelten Zeitungsfetzen, toten Tieren und Verpackungen. In den Gräben stand eine faulige Brühe.“ Nur Flecken aus Kalk und Asphalt erregen seinen Verdacht: „Das roch geradezu nach Beweisvernichtung.“ Aber es gelingt ihm, mit Opfern, die das Massaker überlebt haben, zu sprechen. So entstehen die ersten Artikel.
Erst will sie keine Zeitung drucken, zu heikel wirkt die Anklage gegen den verantwortlichen Polizeichef der Provinz Buenos Aires. Die Presse befürchtet, das Regime unnötig zu provozieren. Dann endlich erscheint der erste Artikel in Revolución Nacional, ohne dass die großen Zeitungen das Thema aufgreifen würden. Doch das Regime ist alarmiert. R beschafft sich eine Pistole und taucht unter. In dem neugegründeten Wochenblatt Mayoría kann er seine Recherchen als Fortsetzungsroman veröffentlichen. Kurz darauf erscheint die Buchfassung des Romans. R sagt: „Mit dem Buch habe ich meine Stimme gefunden.“
Im Grunde folgt Figueras der Nüchternheit von Walshs Sprache. Allenfalls ein paar Bilder missraten, ein Gedanke zum Beispiel, „der in seinem Kopf um Landeerlaubnis ersuchte“. Was immer mit dem Gedanken passiert, die Formulierung ist schon abgestürzt. Gekonnt dagegen beschwört Figueras die Atmosphäre in Verlagen und Redaktionen, die Hitze, surrende Ventilatoren, Papierstapel und Schreibmaschinen, Zigaretten und wieder Zigaretten. In einem Verlag lernt R die junge Enriqueta kennen. Sie hilft ihm als Tippse, später als Assistentin und kritische Leserin. Sie trägt dazu bei, dass er sich selbst versteht. Und sie wird seine Geliebte. Mit Enriqueta bringt Figueras eine so starke Figur ins Spiel, dass er nie Gefahr läuft, R zu verklären. Im Zweifel ist sie R überlegen.
Im Juni 1956 wagt ein abtrünniger General einen peronistischen Aufstand. Schon im Lauf der Nacht wird die Revolte niedergeschlagen. Was haben die massakrierten Männer, größtenteils Arbeiter, damit zu tun? Nichts, fast gar nichts. Sie trafen sich in einer privaten Wohnung, um im Radio einen Boxkampf zu hören. Dann kam die Polizei und nahm sie alle mit.
Der historische Autor Rodolfo
Walsh wird in diesem Roman
schlicht „R“ genannt
Gekonnt beschwört Figueras die
Atmosphäre in Verlagen
und Redaktionen
Marcelo Figueras: Das schwarze Herz des Verbrechens. Roman. Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2018.
464 Seiten, 24 Euro.
E-Book 17,99.
Der Schriftsteller als Zeuge der Anklage und Ikone der Opfer: Ein Porträt von Rodolfo Walsh bei einer Demonstration im Oktober 2011 anlässlich des Prozesses gegen Offiziere der Militärjunta der Jahre 1976 bis 1983.
Foto: Reuters
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

1956, ein Jahr nach dem Militärputsch gegen Peron, verschwanden in Argentinien 12 Zivilisten, von denen man später Überreste auf einer Müllhalde fand. Der argentinische Autor Rodolfo Walsh schrieb darüber ein Buch, "Das Massaker von San Martín". Es war der erste Tatsachenroman überhaupt, erzählt Rezensent Ralph Hammerthaler. Walsh wurde in den siebziger Jahren ermordet. Marcelo Figueras erzählt in seinem Roman "Das schwarze Herz des Verbrechens" die Geschichte Walshs, der - damals noch laut Rezensent ein "mittelmäßiger" Journalist - mit seinem Tatsachenroman zum engagierten Schriftsteller wurde. Figueras hält sich eng an den nüchternen Ton Walshs, so Hammerthaler, der das Buch mit großem Interesse gelesen zu haben scheint. Dennoch werde die Atmosphäre in den Zeitungsredaktionen der 50er Jahre anschaulich beschrieben. Und eine kluge Frau, die Walsh "im Zweifel überlegen" ist, gibt es auch. Definitiv keine Hagiografie, sondern das Porträt eines mutigen Mannes in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, versichert der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Marcelo Figueras ist ein differenziertes Porträt und gleichzeitig ein fesselnder Polit-Thriller gelungen." Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur, 21.02.2018