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Der Bestseller: Richard Dawkins' brillante Streitschrift wider die Religion
Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart, hat einen Bestseller geschrieben, der bestehende Weltbilder grundsätzlich in Frage stellt. In diesem leidenschaftlichen Plädoyer für die Vernunft zieht er gegen die Religion zu Felde: Der Glaube an eine übernatürliche Macht kann keine Grundlage für das Verständnis der Welt sein und schon gar keine Erklärung für ihre Entstehung. Wenn wir die Kritik an den Religionen zum Tabu erklären, laufen wir Gefahr, von…mehr

Produktbeschreibung
Der Bestseller: Richard Dawkins' brillante Streitschrift wider die Religion

Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart, hat einen Bestseller geschrieben, der bestehende Weltbilder grundsätzlich in Frage stellt. In diesem leidenschaftlichen Plädoyer für die Vernunft zieht er gegen die Religion zu Felde: Der Glaube an eine übernatürliche Macht kann keine Grundlage für das Verständnis der Welt sein und schon gar keine Erklärung für ihre Entstehung. Wenn wir die Kritik an den Religionen zum Tabu erklären, laufen wir Gefahr, von Fundamentalisten jedweder Couleur dominiert zu werden. Der Glaube an ein göttliches Wesen ist vielfach die Ursache von Terror und Zerstörung, wie die Weltgeschichte von der Inquisition bis zu den Anschlägen auf die Twin Towers zeigt. Ein wichtiges Buch, das zu einem brennend aktuellen Thema eindeutig und überzeugend Position bezieht - perfekt nuanciert gelesen von Ulrich Pleitgen.
Autorenporträt
Richard Dawkins, 1941 in Nairobi, Kenia, geboren, ist Evolutionsbiologe und Autor. Bekannt wurde er 1976 mit seinem Buch Das egoistische Gen. Seitdem hat er viele Bestseller und kritische Texte zu den Themen Kreationismus und Religion geschrieben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2008

Auch Himmelsstürmer können irren

Welche Fehler hätte sich Richard Dawkins in seinem Bestseller "Der Gotteswahn" ersparen können, wenn er vor Drucklegung Hans Küngs Buch "Der Anfang aller Dinge" gelesen hätte?

Die Entschiedenheit, mit der Richard Dawkins, dieser Protagonist des "neuen Atheismus", auftritt, steht in seltsamem Kontrast zu einer grundlegenden Unschärfe: Nirgendwo wird von Dawkins richtig geklärt, wen oder was genau er im Visier hat, wenn er sich gegen die Religion wendet. Wendet er sich gegen die Religion der Fundamentalisten in den Südstaaten oder gegen die Religion derer, die den Irakkrieg als Kreuzzug betrachten? Visiert Dawkins' Religionskritik jene Abtreibungsgegner an, die zur Not einen Arzt töten, oder die Kreationisten mit ihrer Sechs-Tage-Welt? Unschärfe scheint bei Dawkins Erfolgsprogramm. Sie prägt jedenfalls sein Buch "Der Gotteswahn" (Ullstein Verlag, F.A.Z. vom 10. September 2007), das auch hierzulande seit Monaten einen Spitzenplatz auf der Bestsellerliste behauptet.

Was ist von theologischer Seite zu Dawkins' Voodoo-Theologie zu sagen? Nach breitem theologischem Konsens braucht sich ein aufgeklärter Gottesglaube nicht vor dem naturwissenschaftlichen Wissensstand zu fürchten. Die beste Antwort auf Dawkins ist nach meinem Dafürhalten das Buch von Hans Küng "Der Anfang aller Dinge" (Piper Verlag, 2005), das auf neuestem Wissensstand eine Grundsatzreflexion über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion bietet. Küng strebt eine Übersicht über den Gesprächsstand an, trägt seine Argumente jedoch ohne Polemik, mit Respekt und gebotener Selbstkritik vor. Statt hier den Dschungelkrieg um Schnellschüsse, absurde Unterstellungen und isolierte Anekdoten fortzuführen, versuche ich lieber entlang der Küngschen Argumentation zur Versachlichung des Themas beizutragen.

Was Dawkins ausblendet: Zwischen Theologie und Naturwissenschaften finden schon seit Jahrzehnten sinnvolle Gespräche statt. Die Zeiten, da wir uns gegenseitig als Idioten oder als halsstarrige Leugner verteufelten, sind vorbei. Scharfmacherei findet in der Sache keinen Halt. Der gegenseitige Respekt bezieht sich auf Kosmologie und Evolutionstheorie, auf die Frage nach dem Beginn der Menschheit sowie des menschlichen Geistes, schließlich auf die Frage nach einem verantwortbaren Gottesbild. Nach aller Erfahrung kann die Theologie den Mainstream der naturwissenschaftlichen Ergebnisse akzeptieren und als Bereicherung empfinden. Das gilt sogar für manche naturwissenschaftliche Passagen von Dawkins' Buch.

Natürlich schließt ein solches Gespräch für die Theologie Lernprozesse ein, wie sie etwa Küng ausführlich analysiert, Dawkins aber gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Wie schon die Affäre Galilei zeigte, haben sich religiöse, immer kulturgebundene Weltbilder naturwissenschaftlichen Ergebnissen zu beugen. Niemand sollte bestreiten, dass solche Lernprozesse Theologie und Religion bereichern und interessanter machen. Wir wissen heute mehr von den Wundern von Weltall, Leben und Erkennen als jede Generation zuvor. Deshalb kann man auch von Dawkins dort lernen, wo er überraschende Details etwa der biogenetischen Evolutionstheorie darlegt. Aber mit seiner Absicht, damit den Sinn eines Gottesglaubens zu ruinieren, erreicht er das Gegenteil. Allerdings lernten religiöse Großorganisationen immer erst dazu, nachdem sie wieder eine Schlacht verloren hatten.

Ohne Gespür für Rätselhaftes

Dawkins beansprucht, als Evolutionsgenetiker die Welt in all ihren Bezügen erklären zu können. Damit nimmt er einen Faden aus dem neunzehnten Jahrhundert auf, als im Geiste des Monismus die wildesten Weltanschauungskämpfe gediehen. Aber auch Dawkins kann nicht alles beantworten. Evolutionsgenetiker verstehen sich auf die Simulation kosmologischer und infraatomarer Modelle. Ihre Aufgabe ist es, die grammatische Struktur der Wirklichkeit zu untersuchen. Aber sie berühren noch nicht die Sinnstruktur von Kosmos, Erde, Leben oder Mensch: Was liegt eigentlich hinter dem Beginn der ersten Quantenfluktuation oder dem Urknall? Warum überhaupt gibt es etwas, das nicht im Nichts geblieben ist, wie Leibniz fragt? Wie kommt es, dass wir die Wirklichkeit annehmen oder ablehnen, verschiedene Antworten auf diese Frage entwickeln können? Wie können wir den Sinn benennen, der in dieser Wirklichkeit ruht, die - wundersamerweise - zu einer menschlichen Wirklichkeit geworden ist?

Wie Küng ausführt, sind Descartes und Pascal, Leibniz und Nietzsche, Feuerbach und Freud Meister solch bohrenden Fragens. Gewiss, keine Sinnfrage kann eine kosmologische oder darwinistische Theorie widerlegen, aber sie lässt sich auch nicht auf ein Urknall- oder Evolutionsmodell reduzieren. Über den Schnittpunkt zwischen Grammatik- und Sinnfragen wird immer wieder zu debattieren sein. Für diese Doppelstruktur von Erklären und Verstehen zeigt Dawkins kein Gespür.

Besonders deutlich wird dieser Mangel bei der Frage nach den Wurzeln der Religion. Natürlich sind dabei auch Aspekte der Evolutionstheorie zu besprechen. Aber Dawkins ist unfähig, auch nur einen Abschnitt anderen Dimensionen des menschlichen Lebens zu widmen. Will er menschliches Erkennen wirklich auf die Funktion von Synapsen oder Kultur auf ein Überlebenstraining reduzieren? Will er das Geheimnis von Shakespeare mit dem Hinweis auf egoistische Gene beantworten? So fällt ihm für die Religion nur noch das Schlagwort "Nebenprodukt von etwas anderem" ein, das zum Nichtsnutz oder zur Selbstvernichtung prädestiniert ist, so wie die Motte in die brennende Kerze fliegen muss. Diese Unfähigkeit, die großen Rätsel der Welt wahrzunehmen, ist unverständlich und verstört.

Wie ein Buchhalter stürzt er sich auf einige Skandalgeschichten der hebräischen Bibel. Missmutig nivelliert er die jesuanische Nächstenliebe auf jüdischen Volksegoismus. Die Evangelien präsentiert er als zusammengereimte Zweckgeschichten, und den Kern des Neuen Testaments sieht er in der Erbsünde (von der dort nichts zu lesen ist). Kein Wort zur dramatischen Entwicklung des Eingottglaubens, zu Israels Prophetismus, zu dieser messianischen, ethisch höchst anspruchsvollen Heils- und Hochreligion. Kein Wort zu den gewaltigen Leistungen der historisch-kritischen Exegese seit 150 Jahren, nicht einmal ein Wort zur Gestalt Jesu und seiner Nachwirkung bis in die Gegenwart. Gerade hier, wenn es um die Bibel geht, zeigen sich die Scheuklappen des Autors, dem außer der Biogenetik alle Denkkategorien verschlossen sind.

Gott ist kein Superapparat

Religion als Kinderei, Rechthaberei und rassistische Borniertheit, als Quelle der Gewalt: diese Aspekte durchziehen das ganze Buch. Dabei unterschlägt Dawkins, dass die schärfsten Kritiker von Christentum, Judentum und Islam aus den eigenen Reihen kommen. Keine real existierende Religion und kein real existierender Atheismus (den Dawkins als Lebenshaltung begreift) ist besser als die Menschen, die sich ihnen verschrieben haben. Dass die Bezähmung menschlicher Bosheit den Religionen oft misslingt, ist ein Skandal; über die Gründe dafür hätten wir vom Evolutionstheoretiker nähere Aufschlüsse erwartet. Dabei hätte er darlegen können, wie viel ethische Kraft zumal von den monotheistischen Religionen nach wie vor ausgeht. Dass sich ein ethisches Bewusstsein auch ohne Religion erklären lässt, würde ein Theologe wie etwa Hans Küng nie bestreiten. Doch gerade er weist auch darauf hin, dass diesem Ethos von den Weltreligionen her enorme Energieströme zufließen, bis hin zu einem global gesprächsfähigen Weltethos, das heute wichtiger ist denn je. Zur Förderung des Weltfriedens hätten human denkende Streiter gerne auf Dawkins' Unterstützung zurückgegriffen.

Bleibt allerdings das um sich greifende Urärgernis, ein verbissener Fundamentalismus. Gegen die Intention der eigenen Glaubenszeugnisse gerichtet, zerstört er, was ihm in den Weg kommt. Physisch bombt er die Welt in hemmungslose Gewalt zurück. Geistig verbreitet er ein gewaltbereites Denken, das den Freiheits- und Wahrheitswillen der Menschen missachtet. Vieles in Dawkins' "Gotteswahn" kann man als Kampf gegen dieses Phänomen verstehen. Umso enttäuschender, dass er sich nicht als Verbündeter im gemeinsamen Interesse versteht. Man kann den Kreationismus als Modifikation dieses Fundamentalismus begreifen, auch wenn er sich nicht gewalttätig äußert. Aber wer den Grand Canyon als von Gott gesprengte Abflussrinne für das Wasser der Sintflut begreift, hat vom Schöpfungsbericht nichts begriffen. Und Gott?

Dawkins schildert das überwältigende Naturerlebnis eines von ihm hochgeachteten Lehrers, der Priester wurde. Auch von sich selbst, so Dawkins, hätte er ein solches Erlebnis schildern können. Warum aber machte ihn diese Erfahrung nicht zum Gläubigen, sondern zum Atheisten? Weil er, so die Antwort, Gott als einen übernatürlichen Schöpfer, eine Art Supermenschen definiert, den Gläubige für anbetungswürdig halten. Gottes Schöpfertum versteht er als einen empirisch kausalen Akt am Weltbeginn, sein Handeln als gelegentlichen Eingriff in die Natur, getrieben von höchst menschlichen Gefühlen. Welch merkwürdige Koalition mit dem Gott der Fundamentalisten und anderer, für die der Glaube ein verantwortliches Denken ausschließt.

Deshalb sollte deutlich sein: Der Eine Gott - philosophisch oder theologisch begriffen - bleibt ein Geheimnis, kein Supermensch und Apparat, der (wie Dawkins suggeriert) die Komplexität einer Boeing übersteigen muss, keine übernatürliche Entität von dingartiger Natur. Wie Küng und andere eindrücklich darlegen, erschließt sich Gott nur dem Vorschuss einer vorbehaltlosen Vertrauenshaltung, also einer inneren, verstehenden Rationalität. Deshalb lässt sich der Glaube niemandem aufzwingen. In der Sprache der Bibel, die Dawkins als Kulturgut schätzt, sieht nur Gott ins Herz der Menschen.

HERMANN HÄRING

Hermann Häring ist emeritierter Theologe an der

Universität Nijmegen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2007

Atheisten aller Länder, vereinigt euch
Richard Dawkins und Christopher Hitchens – ein biologistischer Hassprediger und ein liberaler Skeptiker greifen die Religion an
So uralt die Religion, so altehrwürdig ist ihre Kritik. Schon im antiken Religionsdiskurs wurden viele der Argumente vertreten, die auch die neuzeitliche Ablehnung religiösen Glaubens tragen. Ein Schöpfergott habe den Menschen als sein vornehmstes Geschöpf geschaffen, bekennen fromme Juden, Christen und Muslime. Nein, der eine Gott oder die vielen Götter seien bloße Phantasiegebilde des menschlichen Geistes, entstanden aus Furcht, existentieller Verzweiflung und der Hoffnung auf ewiges Leben – so die Kritiker. Erstaunlich früh formulierten Glaubensverächter bereits Priesterbetrugsthesen: Machtgeile und geldgierige Priester hätten die Religion erfunden, um das leichtgläubige Volk in Abhängigkeit halten und ausbeuten zu können.
Gerade die reichen Überlieferungen europäischer Religionskritik durchzieht die Annahme, dass religiöser Glaube ein falsches, illusionäres, letztlich unglückliches Bewusstsein repräsentiere. In den Glaubensgeschichten der Moderne gewann dieses Argument nicht zuletzt durch Heilige Kriege gegen Andersgläubige, konfessionellen Hader und brutale Verfolgung von Minderheiten an Plausibilität. Je glaubenserregter die Zeiten, desto höher der Bedarf an kritischer Unterscheidung der frommen Geister – Gott ist nicht gleich Gott. Autoritäre Götter bewirken hohen Leidensdruck und stimulieren kritische Reflexion. Andere bedienen Allmachtsphantasien und wecken zugleich den Wunsch, ihre behauptete Allwissenheit in Frage zu stellen. Nicht selten hat Religionskritik selbst Glaubenseffekte erzeugt und als Katalysator spiritueller Erneuerung gedient.
Richard Dawkins’ „God delusion” und Christopher Hitchens’ „God is not great” haben in englischsprachigen Medien großes Aufsehen erregt. Dies lässt sich ohne größere intellektuelle Anstrengung erklären. Vulgärer Hardcore-Glaube feiert auf globalisierten Religionsmärkten derzeit deutlich größere Erfolge als Glaubensweisen, die auf den Grundton von Demut, Besonnenheit und Respekt vor anderen gestimmt sind. Streng bindende Kampfgötter beherrschen die Szene, vielerorts wird missionarisch aufgerüstet. Religionskritik kann davon leicht profitieren. Sie muss nur die Gewaltgötter in ihrer grausamen Härte vorstellen und in einem zweiten Gedankenschritt den Nachweis führen, dass Gewaltfixierung, Unterdrückung und aggressive Intoleranz das wahre Wesen Gottes konstituieren. Genau darum geht es Dawkins wie Hitchens: Vom aktuellen Gottesterror traumatisiert, wollen sie zeigen, dass auch der beste „liebe Gott” nur ein blutrünstiges Ungeheuer ist.
Dabei begeben sich die beiden Autoren allerdings auf ganz unterschiedliche Denkwege. Der Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Dawkins, der in Oxford einen Lehrstuhl für „Public Understanding of Science” innehat und 1976 durch „Das egoistische Gen” weltberühmt wurde, inszeniert sich pathetisch als Provokateur, der die Fiktionen der Gottvergifteten mit dem Vorschlaghammer zerstört. Interesse weckt sein langweiliger Text nur wegen des Anspruchs, mit der Darwinschen Evolutionstheorie über einen alles erklärenden Deutungsschlüssel zu verfügen. In Begriffen der Evolutionstheorie will er nicht nur Natur und Naturgeschichte erschließen, sondern endlich auch die Geheimnisse aller Kultur und speziell der Religionsgeschichte aufdecken. Dawkins appelliert an die Atheisten aller Länder, sich zu einer Massenbewegung zu sammeln. In den eitlen Posen des alldeutenden Großaufklärers erinnert er an seinen Fachkollegen Ernst Haeckel, den „Welträtsel”-Löser, der sich von den Monisten einst zum „Gegenpapst” ausrufen ließ.
Hitchens, ein aus Südwestengland stammender, nun in New York lebender Publizist, argumentiert demgegenüber kulturanalytisch, mit Blick auf die destruktiven Folgen religiösen Glaubens für ein friedliches Zusammenleben der Menschen. Er ist skeptisch, ironisch, auch selbstkritisch, schreibt brillant und betont, epistemologisch reflektiert, die Grenzen naturwissenschaftlicher Begriffsbildung. Dawkins hingegen prahlt mit seiner philosophischen Unbildung und verkündet die Erlösungsbotschaft, durch ein weltweites „coming out” aller Atheisten ließe sich jegliche Religion endgültig abschaffen. Sein ungleich gebildeterer Mitstreiter hält die Hoffnung auf eine Welt ohne Religion nur für naiven Irrglauben. Mit mildem Spott geht der „protestantische Atheist” zu doktrinärer Rechthaberei auf Distanz. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Dawkins’ Glaubenskritik von antijüdischen Begleittönen nicht frei ist.
In der britischen Debatte hatten mehrere prominente Seelenwissenschaftler darauf hingewiesen, dass „Wahn” ein psychiatrisch klar definierter Begriff ist und die pauschale Rede vom „Gotteswahn” nur wenig erklärt. Dawkins’ Botschaft lautet: Halte ein einzelner seine Einbildungen für objektiv wahr, diagnostiziere man Geisteskrankheit; teilten Kollektive den verrückten Glauben an übernatürliche Mächte, nenne man die Wahnvorstellung Religion. Die Pathologisierung der Gläubigen spiegelt sich in biologistischer Sprache. Dawkins kennt „geistige Viren”, die „Gehirne infizieren”, und entwickelt eine evolutionspsychologische Theorie von Hirn-Modulen, derzufolge Gottesvergiftung „durch Fehlfunktionen einzelner Module” entsteht.
Ansonsten bietet er in ermüdenden Wiederholungen nur wenig Originelles. Dass nicht Gott die Bibel schrieb, sondern hier höchst gegensätzliche Texte unterschiedlicher Autorenkollektive und frommer Individuen zusammengestellt sind, weiß man schon seit gut 300 Jahren. Auch in der Kritik der alteuropäisch metaphysischen Gottesbeweise bleibt Dawkins weit unter dem Reflexionsniveau Humes oder Kants, die er dank mangelnder Quellenkenntnis für knallharte Atheisten hält. Gewiss, es gibt tumbe Bischofstoren und pädophile Priester, korrupte Rabbiner und frauenfeindliche Imame. Auch kann man in Theologischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen vielerlei Gestörte treffen. Aber sind Atheisten immer „glücklich, ausgeglichen, geistig ausgefüllt” und „moralisch edel”? Die in den Heiligen Schriften der monotheistischen Religionen verkündete Moral deutet Dawkins als Vademecum für blutbesessene Gotteskrieger, deren grausam eiferndes Divinalmonster am Sinai nur ein „Regelwerk mit Anweisungen zum Völkermord, zur Versklavung anderer Gruppen und zur Weltherrschaft” offenbart habe. Selbst die Vernichtungsexzesse in den totalitären Volksgemeinschaftslaboratorien des letzten Jahrhunderts schreibt Dawkins aufs Schuldkonto der Religion. Gut nur, dass es in all dem Glaubensterror reine Seelen und gottesfreie Gutmenschen gibt. „Dass ein Krieg im Namen des Atheismus geführt würde, kann ich mir nicht vorstellen.” Aber vielleicht ein Bürgerkrieg?
Religionskritik muss die starke Bindungskraft des Religiösen erklären können. Wie entstand Religion? Weshalb übt Gottesglaube auf viele Menschen eine starke Faszinationskraft aus? Warum sind selbst uralte Götter wie etwa Jahwe auch in der Gegenwart noch höchst lebendig? Dawkins bietet eine evolutionstheoretisch informierte Antwort an. Religion habe selbst keinerlei „darwinistischen Überlebenswert”, sondern sei nur als „Nebenprodukt” von etwas anderem entstanden und tradiert worden. Zwar gesteht er ein, dass die „Nebenprodukt-Theorie” „vielgestaltig, kompliziert und diskussionsbedürftig ist”; wenige Seiten später hat sie allerdings den Status des sicheren Glaubens an die religionskulturelle Wirkkraft der „unsichtbaren Hand der natürlichen Selektion" erlangt. Was in der Naturgeschichte die Gene, seien in der Geschichte von Kultur und speziell Religion die Meme.
Meme, definiert als „Einheiten der kulturellen Vererbung”, sind gedankliche Konstrukte im derzeit modischen Versuch, in Kritik jeder kritizistischen, Grenzen des Wissenkönnens bedenkenden Erkenntnistheorie alle Wirklichkeit, gerade auch kulturelle Phänomene, in biologischen Begriffen zu deuten. Dawkins kennt keinen einzigen Klassiker der Kultur- und Religionswissenschaften und hat auch von den neueren Expertendiskursen keine Ahnung. Aber er weiß ganz genau, wie Kultur inklusive der Religion funktioniert: durch „memetische natürliche Selektion”. Sein Bild einer „Welt voller Gehirne, in der Meme darum kämpfen, diese ‚Lebensräume‘ zu besiedeln”, entsteht durch genau jenen Objektivierungsmechanismus, den er für die Ursünde des religiösen Bewusstseins hält. Ein mentales Konstrukt, das Mem, wird reifiziert und gewinnt so den Status einer kulturellen Gegebenheit. Konkurrierende Religionen seien nur verschiedene „Memplexe”. „Vielleicht entspricht der Islam einem Fleisch fressenden und der Buddhismus einem Pflanzen fressenden Genkomplex.”
Solch krude Analogien verführen Dawkins dazu, selbst mit seinen ärgsten Feinden, den Kreationisten, gemeinsame Sache zu machen. Gegen all jene Religionsanalytiker, die religiöse Symbolproduktion und wissenschaftliche Theoriebildung strikt unterscheiden und deshalb die Fehden zwischen Schöpfungsgläubigen und Neodarwinisten für sachlich gegenstandslos halten, weiß er sich mit den Kreationisten darin eins, dass Glaube und Wissen denselben Deutungsanspruch erheben. In dieser ganz großen Koalition der platt Gegenständlichen kann die Wissenschaft dann selbst mit reflexionsresistenter Glaubensgewissheit auftreten. Eines von Dawkins’ Lieblingswörtern heißt „unbedingt”. Ob es in Oxford keine Philosophen oder Theologen gibt, die ihrem Kollegen einmal erklären, dass die Differenz von bedingt und unbedingt, relativ und absolut auf genau jene religiösen Imaginationswelten verweist, die für Dawkins Gotteswahn bezeugen?
Ungleich seriöser, witziger, nachdenklicher argumentiert Christopher Hitchens. Wo Dawkins moralisiert und Krankenscheine ausstellt, empfiehlt der New Yorker Weltbürger skeptische Gelassenheit und tolerante Großzügigkeit. Die Religion mag er nicht, weil sie fröhlichen Sex verbietet, und die Frommen sind ihm ein Greuel, weil sie anderen ihre Spießbürgermoral aufzwingen wollen. Die ästhetischen Genüsse der Religionskultur freilich schätzt Hitchens, die wunderbare Liturgie der High Church-Anglikaner ebenso wie die King James Bible. In Moscheen zieht er seine Schuhe aus, und in Synagogen bedeckt er seinen Kopf. Doch die Fundamentalisten aller Glaubenscouleur straft der enge Freund Salman Rushdies mit bildungsbürgerlicher Verachtung.
Hitchens’ dichte Beschreibungen religiös motivierter Gewalt überzeugen, weil er die im deutschen Diskurs dominierende Fixierung auf die Islamisten durchbricht und plastisch auch die hohe Gewaltbereitschaft christlicher Akteure entfaltet. Die Evangelikalen in den USA seien um nichts besser als antiwestliche Hassprediger in islamischen Gesellschaften. In impliziten Koalitionen zwischen Fundamentalisten unterschiedlicher Religionen – etwa in ihrer Homophobie, der Ablehnung moderner Medizin oder ihrer notorischen Frauenfeindlichkeit – sieht der Popper-Schüler die größte Bedrohung freier Gesellschaften. Gut altliberal verteidigt er Presse- und Meinungsfreiheit, und er ist, dank seiner Kenntnis von Aufklärungstraditionen, auch klug genug, selbst Obskuranten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht zu versagen. In der Moderne sei Religion optional geworden, und dies bedeute jedenfalls im Westen das Ende klerikaler Sozialkontrolle und Gesinnungssteuerung.
Leider fängt, ähnlich wie Dawkins, auch Hitchens dann an, modernen Glaubensikonen alles mögliche Falsche, Schlechte nachzusagen. Dietrich Bonhoeffer einen „nebulösen Humanismus” zuzuschreiben und Martin Luther Kings Glaubensprotest gegen die Sklaverei durch Aufrechnerei mit dem Rassismus weißer Südstaaten-Christen abzuwerten, lässt wenig Sachkenntnis, aber viel peinliche Kleingeisterei erkennen. Auch Hitchens fehlen die analytischen Mittel, die elementare Ambivalenz aller religiösen Symbolsprachen, ihre hohe Interpretationsoffenheit zu erkennen und Erklärungen dafür anzubieten, warum in Glaubensbildern, paradox genug, Tendenzen der Selbstverabsolutierung durch Gleichschaltung mit Gott ebenso angelegt sind wie heilsame Potentiale demütiger Selbstlimitierung. Die Transzendenzchiffre „Gott” kann eben der heillosen Selbstentgrenzung dienen, aber auch das Wissen um die eigene Endlichkeit fördern. Schade, dass Hitchens hier falsche Eindeutigkeit erzeugt und sich dem Spiel des Mehrdeutigen verweigert. Vielleicht sollte man ihn an das neue Zehnte Gebot des Dawkins-Mose erinnern: „Stelle alles infrage!” – am besten zunächst dich selbst. FRIEDRICH WILHELM GRAF
RICHARD DAWKINS: Der Gotteswahn. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Ullstein, Berlin 2007. 575 Seiten, 22,90 Euro.
CHRISTOPHER HITCHENS: God is not great. How religion poisons everything. Twelve Books, New York 2007. 307 Seiten, 24,99 US-Dollar. (Die deutsche Ausgabe erscheint am 24. September unter dem Titel „Der Herr ist kein Hirte” im Karl Blessing Verlag, 352 S., 17,95 Euro.)
„Geistige Viren” – bei Dawkins wird Religion zur Krankheit
Dass nicht Gott die Bibel schrieb, weiß man seit dreihundert Jahren
Der Neodarwinist macht mit den Kreationisten gemeinsame Sache
Gott als Architekt – mit diesem Motiv versah William Blake 1794 das Titelblatt von „Europe: A Prophecy”. In der aktuellen Atheismus-Debatte wird alle Religion, alle Gottesvorstellung zu Hirnvergiftung und Glaubensterror. bridgemanart.com
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Justus Wenzel hat sich mit wachsender Ungeduld durch die "geschwätzigen" 550 Seiten von Richard Dawkins' "Der Gotteswahn" geackert. In einer vergleichenden Besprechung von Dawkins Polemik, Christopher Hitchens' "Der Herr ist kein Hirte" und Sam Harris' "Das Ende des Glaubens" kommt letzterer noch am besten weg, und zwar weil er der Menschheit wenigstens das Bedürfnis nach spirituellen Erfahrungen zugesteht. Dawkins hingegen unterschlage nicht nur dies, sondern vor allem die Tatsache, dass die Religion mit der Theologie ja schon längst eine wissenschaftliche Bearbeitung und hermeneutische Deutung erfährt. Damit läuft für Wenzel ein Großteil dieser "rabiaten" Kritik ins Leere. Allerdings sieht er die Schuld für die derzeitige Schwemme an grob gestrickten antireligiösen Polemiken nicht nur bei deren Urhebern. Wenzel bittet deshalb alle Gläubigen, etwas gelassener mit Kritik umzugehen. Dann könnte diese wiederum gelassener und "intelligenter" daherkommen als es im Augenblick mehrheitlich der Fall ist.

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