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Während in Vietnam der Krieg tobt und Mao die Kultur »revolutioniert«, machen sich die wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller und Kritiker auf, um an der amerikanischen Ostküste über Literatur zu diskutieren: Jörg Magenaus kulturgeschichtliches Panorama über das Gastspiel der Gruppe 47 in Princeton.
April 1966. Viele sind eingeladen, etwa achtzig machen sich auf die Reise. Unter den Schriftstellern Grass, Lenz und Enzensberger. Unter den Kritikern Höllerer, Mayer und Reich-Ranicki. Die Regeln denkbar einfach: Eine Lesung dauert nicht länger als zwanzig Minuten. Diskussion über das
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Produktbeschreibung
Während in Vietnam der Krieg tobt und Mao die Kultur »revolutioniert«, machen sich die wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller und Kritiker auf, um an der amerikanischen Ostküste über Literatur zu diskutieren: Jörg Magenaus kulturgeschichtliches Panorama über das Gastspiel der Gruppe 47 in Princeton.

April 1966. Viele sind eingeladen, etwa achtzig machen sich auf die Reise. Unter den Schriftstellern Grass, Lenz und Enzensberger. Unter den Kritikern Höllerer, Mayer und Reich-Ranicki. Die Regeln denkbar einfach: Eine Lesung dauert nicht länger als zwanzig Minuten. Diskussion über das Gehörte. Dann die Wortmeldung eines pilzköpfigen, nahezu schüchternen Mannes, der den Anwesenden »Beschreibunsimpotenz« vorwirft: Über Nacht wurde Peter Handke zum Jungstar der Literatur - und es war nicht zuletzt diese grundsätzliche Kritik, die dazu führte, dass es nur mehr zu einem letzten Treffen der Gruppe 47 kommen sollte. Jörg Magenau zeichnet ein präzises Porträt dieses besonderen Wochenendes im Jahr 1966, das mehr war als nur ein Gipfeltreffen der deutschsprachigen Literatur.
Autorenporträt
Jörg Magenau, geboren 1961 in Ludwigsburg, studierte Philosophie und Germanistik in Berlin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Feuilleton-Journalisten und schrieb u. a. Biographien über Christa Wolf, Martin Walser und die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger. Bei Klett-Cotta erschien die literarische Reportage »Princeton 66« und zuletzt sein erster Roman »Die kanadische Nacht« (2021) .
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2016

Kritik und
Klüngel
Drei Tage in Princeton, 1966:
Jörg Magenau hat dem berühmtesten, dem
vorletzten Treffen der „Gruppe 47“
ein ganzes Buch gewidmet
VON THOMAS STEINFELD
Den „elektrischen Stuhl“ nannte die Gruppe 47, der Überlieferung zufolge, den Sessel, auf dem der Schriftsteller saß, dessen Text gemeinsam gehört und beurteilt werden sollte. Die Metapher ist stark, nicht nur, weil sie schief ist: Denn wer darauf saß, wurde nach seiner Lesung lediglich zum Gegenstand eines Verfahrens, dessen Ausgang ungewiss war. Hingerichtet wurde nie, auch wenn die Kritik zuweilen schmerzte. Der Name ist eine Übertreibung, und er ist es umso mehr, als Todesstrafen eine staatliche Gesetzbarkeit unterstellen, mit der Literaturkritik beim besten Willen nicht zu vergleichen ist – auch damals nicht, in den späten Fünfzigern und in den Sechzigern, als Joachim Kaiser, Marcel Reich-Ranicki, Walter Jens, Hans Mayer oder Reinhard Baumgart noch jung waren und ihre Kritik einer ebenso jungen Literatur den Weg weisen sollte.
  Übertreibungen müssen auch die Tagungen der Gruppe 47 gewesen sein, und das gilt vor allem für die vorletzte, die berühmteste Tagung: das Treffen in der amerikanischen Universitätsstadt Princeton im April 1966. Der Berliner Publizist und Literaturkritiker Jörg Magenau hat dieser Tagung nun ein Buch gewidmet, das viel mehr ist als die Geschichte eines Ereignisses. Drei Tage währte diese Veranstaltung, die achtzig deutsche Schriftsteller und Kritiker mitsamt einem ebenfalls nicht kleinen Tross aus Journalisten, Verlegern und Gattinnen an einen Ort führte, wo einige der berühmtesten Emigranten gelebt hatten – Thomas Mann, Ernst Kantorowicz, Kurt Gödel – und an dessen Universität eine der bedeutendsten Abteilungen der damals noch wichtigen amerikanischen Germanistik bestand: Victor Lange, Leiter des „German Department“ und ein Fachmann für die deutsche Klassik, hatte die Initiative zu der Tagung ergriffen und einen großen Teil der Finanzierung vermittelt. Und so lasen in der „Whig Hall“ auf dem Campus die deutschen Autoren einander neue Texte vor, jeweils zwanzig Minuten lang. Darauf folgten, wie immer, Akte der spontanen Kritik, die nur dem Text gelten und nie grundsätzlich werden durften.
  Für Jörg Magenau werden diese drei Tage zu einem Ereignis, in dem sich die Geschichte der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg konzentriert erkennen lässt, in Haupt- und Nebenzügen. Die Alten sind noch da, nicht zuletzt in Gestalt von Hans Werner Richter selbst, die Mittleren sind die tragenden Figuren, Günter Grass und Peter Weiss etwa, und die Jungen drängen schon herbei: F. C. Delius oder Peter Handke. Auch was danach kam, bis auf den heutigen Tag, scheint Magenau schon in dieser Tagung enthalten zu sein. Möglich wird ihm diese Verdichtung, weil er seinen Bericht weniger als Geschichtsschreibung denn als literarische Reportage anlegt: als wäre er dabei gewesen, als hätte er alles gesehen und gehört und gelegentlich sogar in die Köpfe der Beteiligten gucken können, vor allem in den Schädel Hans Werner Richters, des Arrangeurs der gesamten Veranstaltung: „Warum, zum Teufel, war eigentlich Eich nicht gekommen?“ Wie eine Drohne scheint dieser Reporter seinen Gegenstand zu umfliegen.
  In der Vielheit der Blickwinkel, im häufigen Wechsel der Themen wird das Willkürliche und Zufällige der Veranstaltung sichtbar. Auf der einen Seite steht zwar, deutlich erkennbar, ein gewaltiges Verlangen: nach Bedeutung, nach verbindlichen Antworten auf die Frage nach einer gesellschaftlich und historisch gültigen neuen Literatur. Auf der anderen Seite aber sind die Mittel unzureichend und rettungslos an den einzelnen Menschen gebunden, an seine Beschränkung, an seine Zufälligkeit und an Eitelkeit: „Fried fand seine Gedichte gut. Er fand sie sogar sehr gut. Und auch wenn die anderen sie nicht so gut fanden . . . “ Die Gruppe 47 erscheint, so erzählt, als ein Projekt zur ästhetischen Emanzipation der Bundesrepublik, von dessen Existenz die daran Beteiligten wenig Ahnung hatten – und das vielleicht erst im Nachhinein, im Erzählen und noch einmal Erzählen, überhaupt Gestalt gewinnt.
  Entsprechend vermessen, ja erratisch wirken, ebenfalls im Nachhinein, die literarischen und politischen Ansprüche der Beteiligten: „Wir wollen unsere Sympathie für diejenigen zeigen, die für ein anderes Amerika kämpfen“, hatte Peter Weiss in einem Interview mit der New York Times erklärt. Er musste dann aber in großer Runde Abbitte leisten für dieses „Wir“ und sich auf die eigene Subjektivität zurückziehen, so wie es letztlich alle anderen taten, die Skrupel empfanden, in einem Land zu Gast zu sein, das in Vietnam einen imperialen Krieg führte, oder die sich darauf vorbereiteten, im kommenden Wahlkampf die SPD zu unterstützen, mit Parolen wie „Bildung baut Vorurteile ab und verleiht Urteilskraft“. Solche Einfälle wirken, aus fünfzig Jahren Abstand und aus der Perspektive einer ebenso mobilen wie allwissenden Drohne betrachtet, beinahe so schrill und schräg wie Günter Grass’ Idee, in Gedichtform von sexuellen Ausschweifungen zu erzählen, bei denen „jede Rechnung unterm Strich / auf minus neunundsechzig zählte“ – was die Kritiker in einhellige Begeisterung versetzte.
  Die Technik der literarischen Reportage, das sorgfältig inszenierte Ineinander von szenischer Beschreibung, Kolportage und Kulturgeschichte, besitzt den Vorteil, dass sich die Ereignisse gegenseitig relativieren und am Ende ein Gruppenbild entsteht, wie es vermutlich realistischer nicht werden kann. Eine Veranstaltung zur Vermarktung der deutschen Literatur sei die späte Gruppe 47 gewesen? Nun, es mag an Ehrgeiz und Intrigen nicht gefehlt haben. Aber Empfindlichkeit und Selbstbezogenheit taugen in der Werbung wenig. Siegfried Unseld habe die Tagung im Übermaß für den Suhrkamp Verlag genutzt, als öffentliches Forum nach außen wie nach innen? Schwer vorstellbar, dass eine so wirre Veranstaltung einen greifbaren strategischen Nutzen hervorbringen konnte. Und wenn auch Peter Handkes am letzten Tag vorgetragener Überdruss an dem falsch verstandenen Realismus, der den größten Teil der vorgelesenen Literatur geprägt hatte, zu einem großen Ausrufezeichen (und zum Beginn eines großen Ruhms) wurde, so lässt Magenaus Beschreibung doch keinen Zweifel daran, dass dieser Auftritt, sollte er überhaupt geplant gewesen sein, eher eine Improvisation mit diffusem Gegenstand und in unklaren Allianzen war – und erst in späteren Erzählungen zu einer Bedeutung fand, die seitdem alle anderen Ereignisse auf dieser Tagung überstrahlt.
  Jörg Magenaus imaginäre Reportage ist ein gutes Buch, weil man viel über die Geschichte der jüngeren deutschen Literatur und ihre tragenden Gestalten lernt. Es ist ein kluges Buch, weil es sich nicht zu schade ist, auch ein Traktat über den Klüngel zu sein: über einen kleinen Kreis von vermeintlich Auserwählten, in dem jeder den anderen geringer schätzt als sich selbst, aus dem es aber kein Entrinnen gibt, nicht zuletzt, weil ein jeder von einem brennenden Verlangen nach Geltung getrieben ist, zu dem das Kollektiv einiges beizutragen vermag. Mit diesem Klüngel war es vorbei, als die Gruppe 47 im Jahr später ihren Betrieb einstellte. Andere Klüngel traten an seine Stelle.
An Ehrgeiz und Intrigen
fehlte es nicht, auch nicht
an Selbstbezogenheit
  
  
  
Jörg Magenau: Princeton 1966. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 224 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book: 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Marc Reichwein fällt zu dem berühmten Princeton-Abstecher der Gruppe 47 das Bild der Fußballer-Reise ein. Ähnlich cool bis verklemmt wandeln die Herren durch die historischen Fotos, die übrigens die anwesenden Frauen kaum zeigen, obwohl die Fotos von Fotografinnen aufgenommen wurden, bemerkt der Rezensent leicht süffisant. Die Avantgarde der Fünfziger begann sich langsam zu langweilen und würde demnächst von der Studentenbewegung hinweggefegt. Vorerst war da Peter Handke mit seiner berühmten Wutrede, in der er den älteren Kollegen "Beschreibungsimpotenz" vorwarf. Lauschige Zeiten waren das. Magenau erzählt sie laut Reichwein unterhaltsam und chronologisch nach und bereichert die "ganzen Germanistenbibliotheken", die es zu diesem Thema schon gibt, um ein "würdiges Stadionmagazin".

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»Jörg Magenaus imaginäre Reportage ist ein gutes Buch, weil man viel über die Geschichte der jüngeren deutschen Literatur und ihre tragenden Gestalten lernt. Es ist ein kluges Buch, weil es sich nicht zu schade ist, auch ein Traktat über den Klüngel zu sein: über einen kleinen Kreis von vermeintlich Auserwählten, in dem jeder den anderen geringer schätzt, als sich selbst, aus dem es aber kein Entrinnen gibt, nicht zuletzt, weil ein jeder von einem brennenden Verlangen nach Geltung getrieben ist, zu dem das Kollektiv einiges beizutragen vermag.« Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 15.3.2016 »Mit einer konzisen Mischung aus Anekdoten und Kontexten erzählt Magenau aus dem Princeton-Momentum heraus eine Gesamtgeschichte der Gruppe 47. Überzeugend führt er aus, wie mit ihrem Ende 1967 auch eine Selfmadeära des deutschen Nachkriegsliteraturbetriebs zu Ende ging.« Marc Reichwein, Die literarische Welt, 13.2.2016 »... ein kluges, vergnüglich zu lesendes Buch... Ein amüsantes, fast glücklich machendes Buch.« Thomas Glavinic, Literatur Spiegel, Februar 2016 »Magenau schreibt über das Treffen, als wäre er unsichtbar dabei gewesen und habe sich Notizen gemacht. ... Dabei gewinnt Magenau den in Princeton vortragenden Autoren und vorgetragenden Texten eine Dramaturgie ab, die er auf die für die späten 60er-Jahre wesentliche Frage zuspitzt, worin die politische Wirkung von Literatur zu finden sei.« Hans-Christian Riechers, badische-zeitung.de, 18.7.2016 »Magenau zeigt mit aller Klarheit, warum die "Nationalmannschaft der deutschen Literatur" sich Mitte der 1960er Jahre überlebt hatte, verschweigt dabei aber keineswegs, welch überragende Bedeutung sie für den literarischen Anschluss an die Moderne nach 1945 hatte. Magenau zeigt auch, dass man sich diesem bedeutsamen Abschnitt der Nachkriegsliteratur endlich sine ira et studio nähern kann.« Andreas Wirthensohn, Wiener Zeitung, 14./15.5.2016 »Magenau gelingt eine Mischung aus Reisebericht, Kulturhistorie und jüngerer deutscher Literaturgeschichte.« Wilfried Mommert, Westfälische Nachrichten, 26.8.2016 »Und das Schöne an diesem unterhaltsamen Buch: Der Leser hat dabei fast durchgängig das Gefühl, selbst dabei zu sein. Am Ende weitet sich das amüsante Porträt einer Gruppentagung zu einem Panorama der Gruppe 47, deren Bedeutung für die Nachkriegsliteratur kaum zu überschätzen ist.« Dr. Roland Schneider, rp-online.de, 18.7.2016 »Auch dieses philosophische Glanzstück zeigt, dass man sich diesem bedeutsamen Abschnitt der Nachkriegsliteratur endlich sine ira et studio nähern kann.« Andreas Wirthensohn, Passauer Neue Presse, 25.8.2016 »Kluge wie ungemein amüsante Rekonstruktion.« Erhard Schütz, Das Magazin, April 2016 »... es ist lange her, dass mir die Lektüre eines Buches so viel Vergnügen bereitete. Es ist gescheit und verdammt gut geschrieben. Und tröstlich, vor allem zum Schluss, wo steht: "Es ist gar nicht zu ermessen, wie viel Veränderungskraft in der Literatur steckt."« Alex Capus »Ein Buch, vor dessen Hintergrund man wunderbar über heute nachdenken kann: Über die Politik, das Schreiben und den Betrieb.« Kristof Magnusson…mehr