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Am Anfang war Tacitus: Der römische Historiker schildert in seiner >Germania Annalen zum »Befreier Germaniens« geworden sei. Als dann im Zuge der Befreiungskriege um 1800 Anfänge eines deutschen Nationalbewusstseins entstehen, besinnen sich Dichter und Denker genau auf diesen anti-urbanen, naturnahen Waldmythos. Der Wald als unverbildete Natur wird zum deutschen Ideal - im Gegensatz…mehr

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Produktbeschreibung
Am Anfang war Tacitus: Der römische Historiker schildert in seiner >Germania< die Gebiete östlich des Rheins wenig vorteilhaft als »durch Wälder grauenerregend«. Seine >Annalen< berichten über eine Schlacht im »Teutoburger Wald« zwischen Römern und Germanen, deren Anführer Hermann der Cherusker zum »Befreier Germaniens« geworden sei. Als dann im Zuge der Befreiungskriege um 1800 Anfänge eines deutschen Nationalbewusstseins entstehen, besinnen sich Dichter und Denker genau auf diesen anti-urbanen, naturnahen Waldmythos. Der Wald als unverbildete Natur wird zum deutschen Ideal - im Gegensatz zur verbildeten, städtischen Zivilisation Frankreichs. Dieser konstitutive Gegensatz bleibt prägend - bis hin zum Nationalsozialismus. Zechner widmet diesem Urtopos der Deutschen eine eindrucksvolle Studie und zeichnet dessen Ausprägungen von der Romantik bis zum Nationalsozialismus nach. Eine große Ideengeschichte, die erstmals das Identitätskonzept des deutschen »Waldvolkes« kritisch rekonstruiert.

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Autorenporträt
Johannes Zechner promovierte nach einem Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin und Tel Aviv mit einem Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung an der FU Berlin. Er war am Deutschen Historischen Museum in Berlin für verschiedene Ausstellungen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der NS-Weltanschauung, des Antisemitismus sowie des Umwelt- und Naturschutzes.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kai Spanke rät, lieber das Hermannsdenkmal zu besuchen, anstatt Johannes Zechners Buch zu lesen. Über den deutschen Wald erfährt er beim Historiker Zechner nämlich nichts, was nicht ohnehin schon in den vom Autor in einer wahren Materialschlacht zitierten Quellen steht. Oder bei Wikipedia. Fröhlich reproduziert der Autor Klischees vom bedrohlichen oder romantischen Wald, ohne ästhetische Aspekte zu berücksichtigen. Historisch ist der Ertrag laut Spanke ebenfalls dünn. Stellensammelei statt Ideen, meint er enttäuscht. Und findet auch noch massenhaft unfreiwillig komische Begriffsmonster, wie "Waldrassismus" und "Eichenvorstellungen". Die Zusammenhänge von Wald und deutschem Gefühl kann ihm der Autor aber nicht darlegen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2016

Alles eine Frage der Eichenanschauung
Fleißarbeit: Johannes Zechner schüttet seinen Zettelkasten zum deutschen Wald aus

Wer das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald besucht, kann einiges über nationale Distinktionsmechanismen lernen. Arminius' linker Fuß steht triumphierend auf einem Legionsadler, dem Emblem des römischen Heers, und einem Rutenbündel, dem Abzeichen römischer Amtsgewalt. Die mit einem Schwert bewaffnete rechte Hand in die Höhe gereckt, blickt der Cheruskerfürst entschlossen Richtung Südwesten, wo sich die größten Feinde Deutschlands befinden - das Römische Reich und Frankreich. Der Steinsockel des Denkmals ähnelt formal einem antiken Rundtempel, doch die obligatorischen Säulen wurden durch gotisch anmutende, von Eichenlaubkränzen gekrönte Bögen ersetzt.

Dass der Bildhauer Ernst von Bandel, der mit dem Bau des Denkmals betraut wurde und es 1875 vollendete, nicht die Blätter irgendeines beliebigen Gewächses als Schmuck verwendet hat, muss einem deutschen Dichter in die Schuhe geschoben werden: Klopstock. Dies weiß Johannes Zechner in seiner die Jahre 1800 bis 1945 umfassenden Ideengeschichte "Der deutsche Wald" zu berichten. Klopstock habe, so Zechner, mit seinen Gedichten, Stücken und politischen Schriften dazu beigetragen, der Eiche einen festen Platz im deutschen Selbstverständnis zu sichern. Seine Ode "Der Hügel und der Hain", in der die Eiche gehörig gepriesen wird, beeindruckte eine Göttinger Dichtertruppe so außerordentlich, dass sie sich von 1772 an "Hainbund" nannte. Der Rest ist Literaturgeschichte.

Den Wald, auch den eichenfreien, verbindet man seit jeher mit den Germanen. Dafür sorgten Autoren wie Caesar, Plinius und Tacitus. Sie demonstrierten, wie man aus zum Teil nicht einmal persönlich vorgenommener Waldanschauung Weltanschauung macht, indem sie ihre Städte und Tempel gegen die Wälder und Haine Mitteleuropas ausspielten. Das Gebiet östlich des Rheins beschrieb Tacitus als "entweder durch seine Wälder grauenerregend oder durch seine Sümpfe gräßlich". Schon hier, im Jahr 98, wurde vorbereitet, was bei den Brüdern Grimm im neunzehnten Jahrhundert zur Vollendung gelangte - die Imagination des durch und durch bedrohlichen Waldes. Die Leser von Märchen wie "Rotkäppchen" wissen, welche Gewissheit zur Spannung der Lektüre beiträgt: Geht es in den Wald, geht es um dein Leben.

Auch Zechner begibt sich mit sieben Fallstudien tief hinein in den Wald. Bäume interessieren ihn dabei zuerst als Indikatoren für kulturelle und politische Haltungen, was vor allem für die Kapitel über romantische Schriftsteller fatale Folgen hat. Der Abschnitt zu Ludwig Tieck etwa ist eine regelrechte Leistungsschau ungewaschen formulierter Romantik-Klischees. Tiecks "Naturhintergrund" sei eine "Projektionsfläche ohne jeglichen Eigenwert, um menschliche Leidenschaften wie Einsamkeit, Liebesschmerz, Sehnsucht und Unrast zu illustrieren"; bei der notorischen Waldeinsamkeit im "Blonden Eckbert" handele es sich schlicht um die negative "Einsamkeit des Waldes". Dass sie tatsächlich einen Sonderraum markiert, in dem lineare Zeit in Unendlichkeit übergeht, darüber schweigt der Autor.

Lieber betont er, die Texte Tiecks und Eichendorffs würden von ihm "eingehend zitiert und interpretiert, um ihrem ästhetisch-künstlerischen Eigenwert gebührend Gerechtigkeit widerfahren zu lassen". Genau das passiert zu keinem Zeitpunkt. Gerade weil der Historiker Zechner alles Ästhetische konsequent ausklammert, sind seine Interpretationen nichts weiter als Anhäufungen von Gemeinplätzen.

Dem heuristisch dünnen Ertrag stehen fast 1400 Endnoten gegenüber, die - wie auch das Literaturverzeichnis - insgesamt einhundert Seiten beanspruchen. Was bei einer solchen Materialschlacht herauskommt, ist absehbar: Ideengeschichte als Stellensammlung. Mit Beflissenheit trägt Zechner zusammen, was andere über Wälder, Bäume, Schonungen und Forste gesagt haben, wobei sich das Ergebnis liest wie ein ausgezeichnet recherchierter Wikipedia-Artikel. Eigene zündende Ideen bleiben indes aus. Dafür begegnen ständig dieselben Oppositionen: Wald vs. Stadt, Deutschland vs. Frankreich, Arminius vs. Varus. Die wiedergegebenen, besonders von 1900 an atemberaubend infamen Passagen über Völker und Nationen werden grob rubriziert und in Schubladen abgelegt. Zechners Analysen enden durchweg bei dem, was an der Oberfläche eines Zitats sowieso für jeden offenkundig ist.

Stilistisch gleicht die Abhandlung der Fleißarbeit eines Studenten, der pausenlos passende Synonyme sucht und nur unpassende findet: Der Autor sagt gerne "Arborealnatur", nicht "Bäume", "Silvasphäre", nicht "Wald", "Poem", nicht "Gedicht". Seine Begriffe sind konturlos, seine Diktion ist unfreiwillig komisch. Wir lesen von "sozialsilvanen Sichtweisen" und "antisemitischen Waldpositionen", von "Eichenvorstellungen" und "Waldrassismus". Das Kapitel zu Ernst Moritz Arndt, so lernen wir, beruhe hauptsächlich auf Quellenbelegen, die das Denken des Publizisten "in den Kategorien von Wald und insbesondere Eiche herausarbeiten".

Diese Auswahl ist nicht böswillig, sondern zufällig, sie ließe sich problemlos fortsetzen, denn vergleichbare Funde springen den Leser auf fast jeder Seite an. Wer also ohne Frustration etwas über den Zusammenhang von Wäldern, Eichen und deutschem Nationalgefühl erfahren möchte, der sollte die Finger von Zechners Ideengeschichte lassen - ein Ausflug zum Hermannsdenkmal wäre sicherlich lohnender.

KAI SPANKE

Johannes Zechner: "Der deutsche Wald". Eine Ideengeschichte zwischen Poesie und Ideologie. 1800-1945.

Philipp von Zabern Verlag/WBG, Darmstadt 2016. 447 S., Abb., 69,95 [Euro].

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»'Der Deutsche Wald' erinnert daran, wie wichtig uns die Wälder sind - nicht nur klimatisch, sondern kulturell.« SWR2 Buchkritik »Top 10 der Sachbücher des Monats August 2016« NDR Kultur / Süddeutsche Zeitung »Es gelingt ihm [Johannes Zechner] in seiner gut lesbaren und äußerst materialreichen Studie, überzeugend darzustellen, wie der Wald ideengeschichtlich vereinnahmt worden ist. Liest man dieses Buch, dann gerät man immer tiefer in den deutschen Wald, der seine lieblich-heiteren Züge, die er bei den Romantikern noch besaß, zunehmend verliert.« Deutschlandradio Kultur »Johannes Zechner schlägt Schneisen durch die Ideengeschichte des deutsches Waldes.« Der Tagesspiegel »...kein schwelgerisches Wald-Lesebuch, sondern ein zur Wieder- und Weiterlektüre überaus anregendes Buch, das den Konnex Natur-Nation grundlegend und kritisch durchleuchtet. Nach der Lektüre dieser umfangreichen Ideengeschichte von Bäumen und Menschen jedenfalls verschweigt uns der deutsche Wald auch seine dunkelsten Seiten nicht mehr.« Badische Zeitung »Detailreich, reflektiert und spannend [...] sowohl für den Laien als auch den belesenen Philosophieliebhaber spannend und erhellend geschrieben...« thema Magazin »Von der methodischen Reflektiertheit über die sorgfältige Auswahl der Quellen bis hin zur gründlichen und akkuraten Darstellung handelt es sich bei der Arbeit von Johannes Zechner um ein Glanzstück der akademischen Forschung.« Professor Herfried Münkler, HU Berlin »Zechner hat ein grundlegendes Werk zur Ideengeschichte des Waldes vorgelegt, das für künftige Forschungen maßgeblich sein wird.« Das Historisch-Politische Buch…mehr