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Heute leugnet kaum noch jemand, dass sich der Sozialstaat in einer tiefen Krise befindet, aber ist es tatsächlich die Krise des Sozialstaates, oder wird dieser nur zum Hauptleidtragenden einer Entwicklung, deren Ursachen ganz woanders liegen? Um welche Sachfragen und Kontroversen es bei der Diskussion darüber geht, macht dieses Buch deutlich. Sein Verfasser stellt Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Weltmarktes ("Globalisierung"), dem demografischen Wandel sowie den Strategien von Parteien und gesellschaftlichen Interessengruppen her. Inhaltlich schlägt Butterwegge einen weiten Bogen…mehr

Produktbeschreibung
Heute leugnet kaum noch jemand, dass sich der Sozialstaat in einer tiefen Krise befindet, aber ist es tatsächlich die Krise des Sozialstaates, oder wird dieser nur zum Hauptleidtragenden einer Entwicklung, deren Ursachen ganz woanders liegen? Um welche Sachfragen und Kontroversen es bei der Diskussion darüber geht, macht dieses Buch deutlich. Sein Verfasser stellt Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Weltmarktes ("Globalisierung"), dem demografischen Wandel sowie den Strategien von Parteien und gesellschaftlichen Interessengruppen her. Inhaltlich schlägt Butterwegge einen weiten Bogen von den Bismarck'schen Sozialreformen im 19. Jahrhundert über die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates nach dem Zweiten Weltkrieg sowie seinen "Um-" bzw. Abbau in der Gegenwart bis zu einer solidarischen Bürgerversicherung, die seiner Meinung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen vorzuziehen und am ehesten geeignet ist, das historische Projekt der Gewährleistung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit durch Staatsintervention fortzusetzen. Daneben werden konkrete Alternativen zur gegenwärtigen Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Familienpolitik erörtert.
Autorenporträt
Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrte bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln.  
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.01.2006

Frieden in der Demokratie
Ein Plädoyer für den in die Kritik geratenen Sozialstaat
Die herrschende, neoliberale Krisenerklärung geht so: Wirtschaftliche Selbstregelungskräfte sind prinzipiell in der Lage, einen harmonischen Wirtschaftsablauf mit hohen Wachstumsraten und ohne Arbeitslosigkeit zu garantieren. Diese Selbstregulierungsfähigkeit verkraftet ein gewisses Maß an staatlichen Eingriffen. Da man diese jedoch in der Vergangenheit übertrieben habe, musste es früher oder später zu Ausfallerscheinungen des Marktmechanismus und in dessen Folge zu niedrigerem Wachstum, Arbeitslosigkeit und Wohlstandseinbußen kommen. „Mehr Markt“ gilt als ebenso universelles wie wirksames Mittel, diesen Entwicklungen nachhaltig zu begegnen. Als Dosierungsempfehlung gilt die einfache Devise, dass der Weg in Richtung „mehr Markt“ und weniger Staat solange zu beschreiten ist, wie noch wirtschaftliche Probleme vorhanden sind. Grenzen des Marktes sind nicht bekannt.
Insbesondere der Sozialstaat ist ins Zentrum der Kritik der Marktapologeten geraten. Tenor: Der Sozialstaat wirkt wie eine Last, die die Wirtschaft an neuen Höhenflügen, an einem Aufbruch in ein neues Wirtschaftswunder, hindert. Sein Zusammenstreichen wird in neoliberaler Sicht zur Voraussetzung für den Abbau der Massenarbeitslosigkeit und für mehr Wachstum.
Gegen diese prinzipielle Kritik des Sozialstaats argumentiert Christoph Butterwegge in seinem neuen Buch. Auf einer institutionellen, einer materiellen und einer diskursiven Ebene spürt er den Entwicklungen nach, die den Sozialstaat zum Sündenbock schlechthin stempeln. Ergebnis: Der Sozialstaat ist weder Verursacher vergangener noch gegenwärtiger Wirtschafts- und Beschäftigungskrisen, sein Abbau nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Bereits in der Vergangenheit war er die „wichtigste Friedensformel fortgeschrittener kapitalistischer Demokratien“ (Claus Offe).
Das Hauptproblem des Sozialstaats sieht Butterwegge in einer „Sinnkrise des Sozialen“. Ausgelöst wurde sie „durch eine immer weiter um sich greifende Glorifizierung des privaten Profitstrebens“. Da das Wesen des Sozialstaats eine solidarische Umverteilung von den Habenden zu den Nicht-Habenden ist, zerrt er notwendigerweise an den Profiten. Damit ist man bei der populären Kritik am Sozialstaat. Aufgebauschte Berichterstattungen über Faulenzer in der sozialen Hängematte und über Sozialschmarotzer (von „Florida-Rolf“ bis zu „Viagra-Kalle“) schüren in breiten Bevölkerungsteilen Vorbehalte gegen den Sozialstaat. Dass dies Peanuts sind im Vergleich zu den individuellen Bereicherungen von Managern vom Schlage Essers oder Ackermanns bleibt außen vor.
In einem detaillierten Vergleich der Ära Kohl mit der Ära Schröder kommt Butterwegge zu einem interessanten Schluss: Trotz recht einschneidender Sozialkürzungen unter Kohl und Blüm „blieb der Systemwechsel im Sinne einer neoliberalen Transformation des Wohlfahrtsstaates“ in den 80er Jahren aus. Dagegen sieht er die Existenz des Sozialstaats nach den Reformen der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder gefährdet, „weil der Neoliberalismus immer mehr an Einfluss gewann“.
Als Alternative zum neoliberalen Um- oder Abbau des Sozialstaats schlägt der Autor die Einführung der Bürgerversicherung vor, deren wesentliche Grundlage die Idee ist, „das System der sozialen Sicherung durch eine sukzessive Ausdehnung auf die ganze Bevölkerung sowohl leistungsfähiger und auch stabiler wie auch gerechter zu machen“.
Butterwegges engagierte Auseinandersetzung mit der Realität des Sozialstaats, den Reformen und den zugrunde liegenden Ideologien macht deutlich, dass der Sozialstaat zu einem großen Teil in einer „inszenierten Krise“ (Thomas von Freyberg) steckt. Dies zu erkennen ist nicht nur Gegenstand des Buches, sondern Voraussetzung und Teil seiner Zukunft.
NORBERT REUTER
CHRISTOPH BUTTERWEGGE: Krise und Zukunft des Sozialstaates. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005. 318 Seiten, 24,90 Euro.
„Inszenierte Krise“: Zum Sozialstaat gibt es keine Alternative.
Foto: phalanx
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überzeugend findet Norbert Reuter dieses Plädoyer für den Sozialstaat von Christoph Butterwegge. Wie er berichtet, untersucht der Autor die Entwicklungen, die den Sozialstaat zum Sündenbock schlechthin stempeln. Butterwegge zeige, dass der Sozialstaat Wirtschafts- und Beschäftigungskrisen weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart verursacht hat. Sein Abbau nutze der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung nicht, sondern schade ihr. Das Hauptproblem des Sozialstaats sehe der Autor in einer "Sinnkrise des Sozialen", ausgelöst durch die Ausbreitung des neoliberalen Profitdenkens und der populären Kritik am Sozialstaat. Butterwegges Auseinandersetzung mit der Realität des Sozialstaats, den Reformen und den zugrunde liegenden Ideologien lobt Reuter als "engagiert". Deutlich werde dabei, dass der Sozialstaat zu einem großen Teil in einer "inszenierten Krise" (Thomas von Freyberg) steckt. "Dies zu erkennen ist nicht nur Gegenstand des Buches", resümiert der Rezensent, "sondern Voraussetzung und Teil seiner Zukunft."

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