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Wie keine andere zeitgeschichtliche Ausstellung zuvor hat die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" in Österreich und Deutschland zu heftigen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geführt. Am Beispiel der Ausstellung und der durch sie ausgelösten Kontroversen zeigen die AutorInnen des vorliegenden Bandes - Historiker, Politik- und Sprachwissenschaftler-, wie unterschiedliche individuelle und kollektive Erinnerungen entstehen, wie konfliktbehaftete Aspekte der Geschichte politisch und medial verarbeitet werden.Anhand von Feldpostbriefen…mehr

Produktbeschreibung
Wie keine andere zeitgeschichtliche Ausstellung zuvor hat die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" in Österreich und Deutschland zu heftigen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geführt. Am Beispiel der Ausstellung und der durch sie ausgelösten Kontroversen zeigen die AutorInnen des vorliegenden Bandes - Historiker, Politik- und Sprachwissenschaftler-, wie unterschiedliche individuelle und kollektive Erinnerungen entstehen, wie konfliktbehaftete Aspekte der Geschichte politisch und medial verarbeitet werden.Anhand von Feldpostbriefen und einer Fragebogenuntersuchung unter Wehrmachtsveteranen wird nachgewiesen, dass in der Kriegsgeneration ein hohes Maß an Kenntnis und Bewusstsein über die Beteiligung der Wehrmacht an Verbrechen vorhanden war. Ausgehend von einer Analyse, welch unterschiedliche Bilder von der Wehrmacht in unterschiedlichen medialen und politischen Kontexten existieren, stellen sich die Autoren die Frage, wie das Bild von der "sauberen Whrmacht" nach dem Krieg entstehen und über Jahrzehnte im Wesentlichen unhinterfragt bestehen konnte. Im Kontext der ersten Wehrmachtsausstellung prallten Geschichtskonzeptionen aufeinander, entstanden vergangenheitspolitische Spannungsfelder, die ebenso untersucht werden wie im Vergleich Aufbau und öffentliche Wirkung von erster und zweiter Wehrmachsausstellung.Mit einem Reichtum an Fakten und Erzählungen und anhand fundierter Analysen setzt sich dieses Buch mit der Konstruktion von Geschichtsbildern auseinander. Der für ein breites Publiikum geschriebene Band dokumentiert darüber hinaus jenseits jeder Polemik erstmals die in Deuschland und Österreich heftig geführte Kontroverse rund um die 1995 (und in einer Neuauflage 2001) eröffnete Wehrmachtsausstellung, die bislang in mehr als 30 Städten in Deutschland und Österreich zu sehen war.
Autorenporträt
Walter Manoschek, Jg. 1957, ist Assistent am Institut für Staats- und Politikwissenschaft an der Universität Wien und Projektmitarbeiter der Ausstellung "Vernichtungkrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2004

Was vom Weltkrieg übrig blieb
Die Rezeption der ersten Wehrmachtsausstellung und die Entstehung von Geschichtsbildern
HANNES HEER / WALTER MANOSCHEK / ALEXANDER POLLAK / RUTH WODAK (Hrsg.): Wie Geschichte gemacht wird – Zur Konstruktion von Erinnerungen an Wehrmacht und Zweiten Weltkrieg. Czernin Verlag, Wien 2003. 320 Seiten. 32 Euro.
Relativiert die neukonzipierte „Wehrmachtsausstellung” das öffentliche Bild der Täterschaft von Wehrmachtsführung und einfachen Soldaten beim Holocaust? Auf diese Behauptung läuft eine Untersuchung von Autoren hinaus, die für die erste „Wehrmachtsausstellung” verantwortlich waren. Der ehemalige Leiter dieser Ausstellung, Hannes Heer, und ein ehemaliger Mitarbeiter, Walter Manoschek, haben gemeinsam mit Sprachwissenschaftlern und Historikern versucht, neben der historischen Recherche über den Vernichtungskrieg der Wehrmacht das unmittelbare diskursive Geschehen im Kontext der beiden Ausstellungen zu analysieren und zu bewerten. Insofern ist die Untersuchung weit mehr und anderes als eine verspätete zornige Reaktion von Geschassten.
Täter auf freiem Fuß
Die Autoren versuchen „The Discursive Construction of History” zu ergründen, – zu Deutsch: Wie Geschichte gemacht wird. Ihre Hauptthese lautet, dass „Eliten aus Wissenschaft, Politik und Medien auf ihre Weise an der Interpretation und Umdeutung von Vergangenheit” mitarbeiten. Immer sei deren Darstellung von (historischen) Zusammenhängen interessengeleitet. Das gelte ebenso für die in diesem Deutungsprozess erzeugten Geschichtsbilder über die Rolle der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und deshalb auch für alle Geschichtsdebatten. Geschichtsbilder werden demnach nicht ausschließlich entsprechend dem fortschreitenden Forschungsstand geformt und entwickelt, sondern sie entstehen über sich durchsetzende Positionen und Deutungen nach geschichtspolitischen Gegebenheiten durch Kommunikation.
Welches Geschichtsbild über die Rolle der Wehrmacht in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 geformt wurde, hing danach von den Nachkriegsverhältnissen und den sie bestimmenden Kräften ab. Die „Nürnberger Prozesse” des Internationalen Militärgerichtshofs lieferten ausreichende Hinweise für Anklagen gegen führende deutsche Militärs und einfache Soldaten. Dennoch war weder den Besatzungsmächten noch den Verantwortlichen auf deutscher Seite daran gelegen, Täter und Mittäter zu ermitteln und die für Verbrechen der Wehrmacht Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen; im Gegenteil: Die Zeit des „Kalten Krieges”, der Wiederbewaffnung und des „Wirtschaftswunders” ließ den Aufbau der Bundeswehr mit Offizieren und Generälen der Wehrmacht notwendig erscheinen.
Die Legende von der „sauberen Wehrmacht” war von Film, Presse, Literatur, Denkschriften und Biographien der Wehrmachtsgenerale öffentlichkeitswirksam inszeniert worden und erfüllte ihren Zweck: Sie bot Ehrenerklärungen für die Soldaten der Wehrmacht, die ritterlich gekämpft hatten – und beförderte somit die Verdrängung schuldhaften, völkerrechtswidrigen Handelns. Vernichtungskrieg und Verbrechen der Wehrmacht sollten gar nicht erst auf die Tagesordnung kommen.
50 Jahre nach Kriegsende brach eine Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht” hieß, mit diesem Tabu. Uneingeschränkt ging von ihr das Signal aus, dass der konzeptionell von der Wehrmachtsführung ausgearbeitete Krieg im Osten, der schon im Frühjahr 1941 auf dem Balkan begann, auf die Vernichtung bestimmter Bevölkerungsgruppen sowie auf Verwüstung zielte. Die Botschaft der Ausstellungsmacher war ungeheuerlich: Der Massenmord an den Juden sei nicht nur und nicht erst in den Vernichtungslagern durchgeführt worden und nicht nur von Einsatzgruppen der SS und von Polizeieinheiten – sondern auch von Wehrmachtseinheiten.
Die mehr als 1400 Fotos der Ausstellung hatten vielschichtige Verbrechen offenbart. Sie riefen heftige Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit hervor. Ein Teil der Vätergeneration und politische Gegner der Ausstellung sahen in dieser „Wehrmachtsausstellung” eine existenzielle Provokation. Viele fühlten sich angegriffen. Mancher Kritiker bemühte als Wissenschaftler seine Kunst, um damit die bedrohliche Wirkung der Ausstellung abzuwehren. Der Geschichtsstreit hatte sich zu dem Streitpunkt der Nation gesteigert.
Das Hamburger Institut für Sozialforschung war so unter öffentlichen Druck geraten. Die Mängel und Fehler, die von einer Historikerkommission nach der Rücknahme der Ausstellung festgestellt wurden, hätten in der Sache behoben werden können; allein der öffentliche Druck schien nur noch den Ausweg der Rücknahme zu bieten.
Die in diesem Geschichtsdiskurs zum Ausdruck kommenden Interpretations- und Konstruktionsweisen haben die Autoren jetzt untersucht. Sie kommen zu einem Urteil über die neukonzipierte „Wehrmachtsausstellung”: „Mit dem Verschwinden der Bilder verschwinden auch die Täter. Selbst wenn die Namen bleiben, so haben sie kein Gesicht mehr.” – Eine Dekonstruktion also der historischen Wahrheit? Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Immerhin hatten andere früh die Konsensfähigkeit der neuen Ausstellung ausgerufen, die dokumentiere, dass die Wehrmacht eben keine Mörderbande gewesen sei. Dabei war die erste Ausstellung gar nicht so weit gegangen, obwohl die Reaktionen das so aussehen ließen.
JOHANNES KLOTZ
Die erste Wehrmachtsausstellung und ihre Folgen: Demonstrationen, Aufmärsche, Tränen. Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass die deutsche Wehrmacht an der Vernichtung der Juden beteiligt gewesen sei - dieser Vorwurf, erhoben in der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, führte auch fünfzig Jahre nach Kriegsende zu heftigsten Verwerfungen in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit. Die Wellen schlugen hoch, so hoch, dass am Ende die Macher der Ausstellung zurücktreten mussten - allerdings auch, weil sie unhistorisch ungenau gearbeitet hatten. Jetzt kommen sie noch einmal auf die Vorwürfe zurück. In einer großangelegten, zusammen mit Sprachwissenschaftlern und Historikern unternommenen Untersuchung gingen, wie Johannes Klotz referiert, der ehemalige Ausstellungsleiter, Hannes Heer, und sein damaliger Mitarbeiter, Walter Manoschek, der "Discursive Construction of History" nach: Wie wird Geschichte gemacht? Ihre Hauptthese laute, dass immer "Eliten aus Wissenschaft, Politik und Medien auf ihre Weise an der Interpretation und Umdeutung von Vergangenheit" mitarbeiteten. Etwa sei das Geschichtsbild über die Rolle der Wehrmacht in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 von den Nachkriegsverhältnissen geformt worden. Im "Kalten Krieg" habe man erfahrene Soldaten gebraucht; darum sei die Legende von der "sauberen Wehrmacht" "von Film, Presse, Literatur, Denkschriften und Biografien der Wehrmachtsgenerale öffentlichkeitswirksam inszeniert worden". Mit diesem Tabu habe erst die Wehrmachtsausstellung gebrochen. Wenig gnädig gingen, so Klotz, die Autoren mit der revidierten Ausstellung um, wenn sie schrieben: "Mit dem Verschwinden der Bilder verschwinden auch die Täter. Selbst wenn die Namen bleiben, so haben sie kein Gesicht mehr."

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