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Die Markteinführung der Pille in der Bundesrepublik 1961 eröffnete Frauen und jungen Mädchen neue Wege bei der Familienplanung und im Sexualverhalten: Die Verhütung wurde sicherer, die Anwendung einfacher, und die Verantwortung lag nun bei ihnen. Zugleich wurde öffentlich darüber debattiert, ob und wie die Pille die Sexualmoral der jungen Generation veränderte; moralische Bedenken prallten auf die Forderung nach sexueller Selbstbestimmung. Als mit der Frauenbewegung Anfang der 1970er Jahre das Private politisch wurde, forderten viele Frauen ein Umdenken in Bezug auf die Geschlechterrollen. Sie…mehr

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Produktbeschreibung
Die Markteinführung der Pille in der Bundesrepublik 1961 eröffnete Frauen und jungen Mädchen neue Wege bei der Familienplanung und im Sexualverhalten: Die Verhütung wurde sicherer, die Anwendung einfacher, und die Verantwortung lag nun bei ihnen. Zugleich wurde öffentlich darüber debattiert, ob und wie die Pille die Sexualmoral der jungen Generation veränderte; moralische Bedenken prallten auf die Forderung nach sexueller Selbstbestimmung. Als mit der Frauenbewegung Anfang der 1970er Jahre das Private politisch wurde, forderten viele Frauen ein Umdenken in Bezug auf die Geschlechterrollen. Sie entwickelten ein neues Körperbewusstsein, infolgedessen sie die Pille wiederum häufig ablehnten. Die sexuellen und körperlichen Erfahrungen der Frauen, die in den 1960er Jahren mit der Pille verhüteten, unterschieden sich grundlegend von denen ihrer Mütter. Die Möglichkeiten der Pille waren eine stille generationelle Erfahrung, die Frauen mindestens so sehr prägte wie das politische Geschehen dieser Zeit, und die ihr Verhältnis zur Generation ihrer Mütter und zu Männern neu definierte.

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Autorenporträt
Eva-Maria Silies, geb. 1978, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg; studierte in Mainz, Tours und Göttingen Geschichte, Politik sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft, 2005-2008 Stipendiatin im DFG-Graduiertenkolleg "Generationengeschichte" an der Georg-August-Universität Göttingen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2010

Willkommenes Hilfsmittel zur Planung des persönlichen Glücks
Wo bleiben Lust und Liebe? Eva-Maria Silies schreibt über die Pille als weibliche Generationserfahrung in der Bundesrepublik
Der Versuch, mit knalligen Alliterationen einen Buchtitel aufzupeppen, geht nicht immer gut aus. Über „Liebe, Lust und Last“ gibt es in Eva-Maria Silies’ Dissertation zur Geschichte der Antibabypille in der Bundesrepublik wenig zu lesen. Besser hätte sie ihre Arbeit „Generation Pille“ genannt, denn genau davon will sie berichten: Wie das neue hormonelle Verhütungsmittel die Frauen zu einer Generation zusammengeschmiedet hat, die im Krieg und in den Jahren bis 1950 geboren wurden. Zu einer „stillen Generation“, denn anders als die „lauten“ Generationen, allen voran die „68-er“, rekrutierte sich die „Generation Pille“ um eine prägende Erfahrung, die keine Frau offen oder mit großem Stolz vor sich her trägt. Das vor allem am weiblichen Körper anzusetzende Zugehörigkeitsmerkmal habe dennoch Identifikations- und Kommunikationsmöglichkeiten unter Frauen geschaffen, die weit über die 68er-Erfahrungen der Männer hinausgingen, meint die Historikerin. Die revoltierenden Studenten konnten jüngst zwar lautstark die Erinnerungen an ihre wilden Jahre zelebrieren, aber letztlich war doch nur eine ziemlich elitäre männliche Minderheit am Geschehen beteiligt. Die Pillenerfahrung habe dagegen einen Großteil junger Frauen direkt oder indirekt betroffen.
Argumente für den enormen Stellenwert der Hormonpille in der Nachkriegsgeschichte finden sich schnell: Sie entkoppelte langfristig Sexualität und Fortpflanzung. Sie befreite die Frauen nicht nur von der Angst vor ungewollter Schwangerschaft, sondern ermöglichte eine neue Qualität der Lebensplanung. Sie beförderte weibliche Berufskarrieren, aber auch mehr Selbstreflexivität im Umgang mit dem eigenen Körper, ja, paradoxerweise langfristig sogar mehr Autonomie von der männlichen Medizinexpertise. Alles in allem verdankten die Frauen der Pille eine individuelle Wahlfreiheit zwischen „Neuer Mütterlichkeit“ und „Sex and the City“. Doch rechtfertigen es diese Fakten, um ein Hormonpräparat herum eine Generation auszurufen? Eine Generationenidentität ohne artikuliertes Zugehörigkeitsbewusstsein bleibt irgendwie blass. Nicht nur, weil es einen schlechten Beigeschmack hat, wenn sich Historiker dazu verführen lassen, über die Akteure hinweg zu entscheiden, welcher Gruppe sie angehören, sondern auch, weil es beliebig werden kann. Warum nicht eine „Generation Auto“ ausrufen?
Nichtsdestoweniger bietet die umfangreiche Arbeit von Eva-Maria Silies einen produktiven Anlass, dem Zusammenhang von Verhütung und Einstellungswandel in der Gesellschaft nachzugehen. Mit einem „Halleluja“ schloss kürzlich ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung zur Bilanz von fünfzig Jahren Antibabypille (SZ vom 8./9. Mai). Erst die mutige Vermarktung des Verhütungsmittels habe die Frauen von den Fesseln einer geradezu „saudi-arabischen“ Prüderie der frühen Bundesrepublik gelöst und damit letztlich ihren gesellschaftlichen Aufbruch ermöglicht. Die Frauenbefreiung also nichts als die Tat kühner Chefs bei Schering und Konsorten?
Das Material von Eva-Maria Silies, bestehend aus Interviews mit Zeitzeuginnen, Umfragen, Medienberichten, Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände und der Kirchen aus den Jahren 1960 bis 1980, gibt darauf eine Teilantwort. Ausgangslage war die Unaufgeklärtheit der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Viele junge Paare wussten nichts über Verhütung. Selbst Frauenärzte hörten an den Unis kaum etwas zum Thema Sex und Geburtenkontrolle. Konservatives Familienbild, kirchliche Verbote, Tabuisierung von Sexualität und Verhütung im öffentlichen Diskurs ließen gerade mal den fehleranfälligen Koitus interruptus zu. Kondome waren nicht leicht zu kriegen, vor allem für Frauen. Und „Knaus-Ogino“, eine Methode so sicher wie russisches Roulette, aber vom Papst abgesegnet, setzte ein Maß an Wissen voraus, für das weder Eltern noch Schulen einstanden.
So prüde, wie immer behauptet, waren die Zeiten allerdings auch wieder nicht. Die Aufklärung durch Gleichaltrige wurde immer wichtiger. Auch hatte sich die Einstellung zum vorehelichen Sex schon in den fünfziger Jahren zu wandeln begonnen. Nicht zuletzt aufgrund der Umstände in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, als viele Frauen ohne Ehemann zurechtkommen mussten. Wenn manche Freiheitserfahrungen der sogenannten Trümmerfrauen auch unfreiwillig waren, der Lack am bürgerlichen Familienmodell war beschädigt.
Unabhängig davon hatte man schon lange vorher über ein orales Verhütungsmittel nachzudenken begonnen. Bereits in den zwanziger Jahren träumten Mediziner und Sozialtechniker in den USA und in Europa davon. Ihr Motiv war die Eugenik. Mit einer täglichen Pille wäre die Gefahr der Überbevölkerung in den armen Ländern der Erde und der fehlgeleiteten Fertilität bei unterprivilegierten Landsleuten schnell gebannt. Wirklichkeit wurde das orale Contraceptivum jedoch erst durch die Hormonforschung der vierziger und fünfziger Jahre. Die ersten skrupellosen Massentests in Puerto Rico, Haiti, Mexico und einzelnen US-Bundesstaaten führten schließlich dazu, dass die amerikanischen Behörden 1957 die Pille freigaben, allerdings zunächst als Arzneimittel für Frauenleiden.
Auch in Deutschland brachte im Jahr 1961 die Firma Schering ihr Präparat unter falscher Flagge auf den Markt. „Anovlar“ wurde als Mittel der „Ovulationskontrolle“ beworben. Die Verhütung von Schwangerschaften musste erst diskursfähig werden. Abgesehen von den gefürchteten Langzeitschäden der Hormonbehandlung, waren es vor allem moralische Bedenken, die noch während der gesamten sechziger Jahre die Beschaffung der Pille für unverheiratete Frauen und besonders für junge Mädchen sehr schwierig machten. Es gab das ungeschriebene Gesetz, nur verheirateten Frauen, die bereits Kinder hatten, ein Rezept auszustellen.
An dieser Stelle wäre es leicht, eine Geschichte des erfolgreichen weiblichen Widerstands gegen reaktionäre Kirchenleute und patriarchale Mediziner zu schreiben. Dass Eva-Maria Silies dieser Versuchung nicht erliegt, ist eine Stärke ihres Buches. Es zeigt den mit der Einführung der Pille einhergehenden Wertewandel auf, dem sich bald auch die Moralapostel beugen mussten. Befürchtungen, Frauen würden ihre neue Freiheit schamlos ausnützen, bewahrheiteten sich nicht, die Meinungsforscher erkannten vielmehr eine überraschend hohe Wertschätzung der treuen und festen Partnerschaft. Die Hormonpille führte sicher auch zu einer weniger belasteten Sexualität.
Noch mehr trug sie aber zur rationalen Familienplanung und Lebensführung bei. Das passte zum Zeitgeist: Die Menschen in den sechziger Jahren waren in gehobener Stimmung, wenn es um Planbarkeit ging. Das war ein Hauptgrund dafür, dass im Lauf der nächsten zehn Jahre die Pille zum meistverwendeten Verhütungsmittel werden sollte.
Diese kulturellen und mentalen Voraussetzungen der Erfolgsgeschichte der Pille kommen in der materialreichen Rekonstruktion von Eva-Maria Silies leider zu kurz. Der gar nicht so große Ansturm auf das Hormonpräparat in den ersten Jahren war nicht nur eine Folge männlicher Obstruktion. Auch die Frauen mussten sich erst einmal eine völlig andere Position in der Partnerschaft, aber auch in der Welt vorstellen können. Von nun an würden sie nicht nur allein verantwortlich und zuständig für die Verhütung sein, sondern sich damit auch langfristig aus einem Arrangement lösen, das Frausein, Mütterlichkeit und Versorgungsansprüche automatisch miteinander verband.
Auf der anderen Seite winkte das Versprechen auf einen individuellen Lebenszuschnitt, auf wenige, aber umso wichtigere Kinder, auf Planbarkeit des Lebens, Verwirklichung der eigenen Wünsche in der Konsumwirtschaft, für die wiederum ein Einstellungswandel Voraussetzung war. All diese Wandlungsprozesse mussten erst einmal in Gang kommen. Ohne sie wäre die Pille womöglich ein Mittel zur kollektiven Kontrolle des Volkskörpers geblieben. Und nicht zu einem technischen Hilfsmittel geworden, das gerade zur rechten Zeit Frauen und Männern die individuelle Hoffnung auf ein planbares persönliches Glück und auf Autonomie über das eigene Leben zu erfüllen versprach. War die Pille eine Ursache der sexuellen Befreiung, oder eine Folge des Wertewandels? Um das zu beantworten, werden wir uns tatsächlich mehr mit Lust und Liebe beschäftigen müssen, als mit dem Kristallisationspunkt „Pille“. Die allein hätte niemanden zum Frohlocken gebracht. MIRIAM GEBHARDT
EVA-MARIA SILIES: Liebe, Lust und Last. Die Pille als weibliche Generationserfahrung in der Bundesrepublik, 1960- 1980. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 488 Seiten, 39,90 Euro.
War die Frauenbefreiung also
nichts als die Tat kühner Chefs bei
Schering und Konsorten?
War die Pille eine Ursache der
sexuellen Befreiung, oder
eine Folge des Wertewandels?
1961 kam „Anovlar“ als Mittel zur „Ovulationskontrolle“ auf den Markt. Der Verhütungszweck musste erst diskursfähig werden. 1965 persiflierte ein Wagen auf dem Mainzer Rosenmontagszug die Wirkung der Antibabypille. Foto: AP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2010

Die Pille erregte vor allem die Gemüter
Pragmatismus zuerst: Eva-Maria Silies entzaubert die ersten Jahrzehnte hormoneller Verhütung in Deutschland

1960 wurde die Pille in den Vereinigten Staaten zugelassen, 1961 in Westdeutschland, als erstem Land in Europa. Die Zulassung bezog sich zunächst auf die Pille als Medikament gegen Zyklusbeschwerden, nicht auf die Pille als Verhütungsmittel. Lange dienten gynäkologische Pseudodiagnosen als Feigenblatt für die Verschreibung. So ambivalent verschämt der Startschuss, so wenig sexuell revolutionär ging es weiter. Selbst bei den Achtundsechzigern als den deutschen Prototypen selbstbestimmter Lebensformen fehlte offenbar der Nimbus von Auflehnung. Für die Kommunardinnen war es "fast schon ein Zwang, die Pille zu nehmen", ihre männlichen Mitstreiter "waren zwar intellektuell ... gut drauf, aber im Bett oft verklemmt und gehemmt". Nicht nur die Zitate von Protagonistinnen der Studentenbewegung illustrieren den Hiatus zwischen den hohen Erwartungen an die Pille und der konkreten Anwendung. Die Dissertationsschrift von Eva-Maria Silies aus dem Göttinger Graduiertenkolleg "Generationengeschichte" zieht viele solch interessante Quellen heran, um die frühen Erfahrungen mit der Pille in der Bundesrepublik zu beleuchten.

Kernstück der Untersuchung sind siebzehn Interviews mit Pionierinnen in Sachen hormoneller Verhütung. Sie geben Auskunft als Töchter von Müttern, die die Pille in ihrer Jugend noch nicht kannten. Silies erläutert ausführlich, vor welchem Hintergrund sich diese Generationenerfahrung abspielt. Dazu zählt, wie die Medien das Thema Pille und Sexualität verhandelten, wie Ärzte damit umgingen und wie schließlich in der damals noch stärker religiös geprägten Gesellschaft die katholische Kirche Einfluss nahm.

Viele Zuschreibungen an die Pille und an die mit ihr neu begründete Ära gilt es zu revidieren: Es ging in den Debatten heißer zu als in den Betten. Vor allem die Medien nutzten das Thema Pille und Verhütung als Erotisierungs-Aufhänger, vom Cover bis hin zu den Bildergeschichtchen der "Bravo". Nur wenige sprachen so anspruchsvoll liberal von der Hoffnung, endlich die "Angst als unziemliche Dritte" aus dem Bett der Frau zu vertreiben, wie das seinerzeit in einem Editorial der Frauenzeitschrift "Constanze" geschah. Eher wurde der Befürchtung um die Entfesselung sexueller Hemmungslosigkeit das Wort geredet. Das hatte indes mit der Lebenswirklichkeit der Anwenderinnen nicht viel zu tun. Ihnen ging es weniger um Sex als um Sicherheit. Dieser Pragmatismus spiegelt sich nicht zuletzt in den Mütter-Töchter-Verhältnissen: Wenn auch nicht viel über Aufklärung gesprochen wurde, so half man doch der Tochter bei der Beschaffung der Pille - was gerade für junge Mädchen lange Zeit schwierig blieb.

Damit sich die befreiende Wirkung der Pille entfalten konnte, war nicht zuletzt die reflexive Kritik der Frauenbewegung notwendig. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen, wie erst die Erkenntnis, dass die Pille allein die repressiven Verhaltensmuster nicht aufhob, die feministische Standortbestimmung entscheidend beförderte. Schon 1972 bot das "Frauenhandbuch" als Meilenstein der neuen deutschen Frauenbewegung Aufklärung in einem umfassenden Sinn. Mit der darin enthaltenen Kritik an der Pille war es sogar dem etwas früher erschienenen amerikanischen Klassiker "Our Bodies, Ourselves" einen Schritt voraus.

Gern hätte man anlässlich der historischen Exkurse mehr über die nur nebenbei erwähnten "sexfreundlichen Seiten des Nationalsozialismus" erfahren. Silies geht es jedoch eher um die Beplanung der weiblichen Sexualität, deren Spur sie in der Weimarer Republik aufnimmt und erst in die Nachkriegszeit weiterverfolgt. Die frühen Ideen zur weltweiten Geburtenkontrolle, die einer der wichtigsten Motoren für die Entwicklung der Pille waren, setzten sich sogar personell in der Beratungspraxis fort. So war die Ärztin Anne-Marie Durand nicht nur vor dem Krieg eine Aktivistin der Geburtenplanung und Mitglied der IPPF, der International Planned Parenthood Federation. Sie wurde 1952 zur Mitbegründerin von Pro Familia, einer der wichtigsten Institutionen im Netzwerk der zahlreichen Beratungsstellen, die besonders in den späten sechziger Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen.

Ein wenig schief geraten nur einzelne Deutungen, die vermutlich von der Sympathie der Autorin für die Position des Laien gegenüber dem Experten herrühren. Keine Frage, viele Ärzte wollten seinerzeit die Frauen bevormunden, und ihre Fachkenntnisse in Sachen Verhütung waren erschreckend gering. Dass sich Ärzte für Fragen zuständig fühlen, die weit über die medizinischen Aspekte hinausgehen, und gerade niedergelassene Ärzte über neue Erkenntnisse nicht hinreichend informiert sind, trifft indes auf viele medizinische Sachverhalte zu und zeugt nicht zwingend von einer Abwehrhaltung gegenüber dem Thema Pille und Sexualität. Auch bei der Bewertung der Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz auf die "Pillenenzyklika" Humanae vitae von Papst Paul VI. im Jahr 1968 verteilt Silies alle Pluspunkte an die katholischen Laien, die sich gegen Rom die Hoheit über ihre Ehebetten erkämpften. Allerdings beweist die Königsteiner Erklärung der deutschen Bischöfe eine nicht minder emanzipierte Haltung des damaligen deutschen Klerus - und sollte schon aus Wehmut über vergangene Zeiten gewürdigt werden.

Man kann nur wünschen, dass diese Ex-Post-Entzauberung der ersten Pillenjahrzehnte den kritischen Blick für aktuelle Widersprüche schärft. Denn auch heute wird der Pille manches Potential angedichtet, das sie schlicht nicht hat. So verweisen Pillenbefürworter gern darauf, dass dieses sicherste aller Verhütungsmittel nicht zuletzt Teenagerschwangerschaften und Abtreibungen verhindere. Dagegen fand soeben ein Cochrane Review heraus, dass die Spirale verlässlicher verhütet als die Pille. Schaut man nach Japan - ein Land, das sich der Zulassung der Pille 40 Jahre lang entgegenstemmte -, so erkennt man, dass es nicht zwangsläufig die Pille ist, die junge Mädchen schützt. In Japan verhüten nur wenige Prozent der Frauen hormonell, die Rate der Teenagerschwangerschaften ist trotzdem äußerst gering, nicht zuletzt im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien, wo allein gut ein Viertel der Frauen bis fünfzig die Pille nimmt.

MARTINA LENZEN-SCHULTE

Eva-Maria Silies: "Liebe, Lust und Last". Die Pille als weibliche Generationserfahrung in der Bundesrepublik 1960-1980. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 488 S., geb., 39,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Laut Martina Lenzen-Schulte hilft dieses Buch, den Blick zu schärfen für die Widersprüche im Umgang mit der Pille - auch heute. Aus Eva-Marie Silies' Dissertation zu frühen Erfahrungen mit der Antibabypille erfährt die Rezensentin hingegen vor allem über Töchter von Müttern, über Generationserfahrungen und wie Medien, Ärzte und Kirche in den 60er Jahren die Debatten anheizten. Dass es in den Betten weniger heiß zuging und der Griff zur Pille eher von Pragmatismus bestimmt war, lernt Lenzen-Schulte aus den dokumentierten Interviews. Und auch was die Frauenbewegung der Pille, ihren Verheißungen und den harten Tatsachen verdankt. Im Ganzen erscheinen der Rezensentin die historischen Exkurse im Band aufschlussreich, nur manchmal sieht sie die Autorin allzusehr Partei ergreifen für die Laien und gegen die Experten. Das führe zu schiefen Deutungen, meint sie.

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