Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 3,54 €
Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktdetails
Trackliste
CD
1Vertigo00:03:15
2Miracle Drug00:03:59
3Sometimes You Can't Make It On Your Own00:05:09
4Love And Peace Or Else00:04:51
5City Of Blinding Lights00:05:48
6All Because Of You00:03:39
7A Man And A Woman00:04:30
8Crumbs From Your Table00:05:03
9One Step Closer00:03:52
10Original Of The Species00:04:41
11Yahweh00:04:22
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2004

Erwachet
Nektar der Nächstenliebe: "U2" wollen wieder die Besten sein

So viel Rückkehr war nie: Ihre Therapie "Back To Basics!" haben sie noch einmal verschärft. Auf ihrem neuen Album feiern "U2" den Abschied von aller glamourösen Ironie. Zurück zur Aufrichtigkeit lautet die Devise, Pathos-Pop ist wieder angesagt. Während all die elektronischen Gimmicks der letzten Jahre an den Rand gedrängt werden, dominiert eine wiedergewonnene Song-Qualität die Aufnahmen von "How To Dismantle An Atomic Bomb". Seit "The Joshua Tree" von 1987 gab es kein Album wie dieses mehr mit übergroßen Gesten und hoffnungsfrohen Hymnen. Bono selbst - gern als Westentaschenguru und blauäugiger Kampagnenkönig verhöhnt - fühlt sich hier selber als Atombombe, die er bis auf den nackten Kern entblößen will. Solche kruden Gedanken kamen ihm vor drei Jahren, als er das Sterben seines Vaters Bob Hewson begleitete und sich in seinem Innersten zerrissen fühlte. Heute kann er zwei Lieder davon singen: Während das anrührend-eingängige "Sometimes You Can't Make It On Your Own" zum wohl nachhaltigsten Lied des ganzen Albums avanciert, ist "One Step Closer" ein Song, der unter der Fülle der pulsierenden Tonspuren seine Linie zu verlieren droht.

Auch mit ihrem elften Studio-Album bewerben sich "U2" lauthals um den Titel der besten Band der Welt; darunter macht es Bono ja nicht. Dabei war der Gutmensch von eigenen Gnaden zuletzt vor allem ein begnadeter Spendeneintreiber für seine Hilfsorganisation DATA. Mit missionarischer Manie jettete er um den Erdball, um die Menschheit zu retten, dilettierte als Diplomat, konferierte mit Kofi Annan, George W. Bush, Václav Havel oder dem Papst ("Katholizismus ist für mich der Glam Rock der Religionen"). Die Band-Mitstreiter Larry Mullen, Adam Clayton und The Edge durften derweil am Album werkeln. Bono soll deshalb nicht den Hauptanteil an den Songs gehabt haben, was ihnen nicht schlecht bekommen ist.

Natürlich verhandeln die friedliebenden Iren auch diesmal die großen Grundthemen Geburt, Tod, Liebe, Haß und Erlösung - die Welt als Wohltätigkeitsbazar, für den das Dubliner Quartett die pastoralen Pop-Epen liefert. In den besten Momenten, in Liedern wie "Vertigo" oder "All Because Of You" - begnadeten Krachern right in the face -, gelingt ihnen ein Kriegsgeschrei des Herzens. Dann trägt Bono seine Seele auf der Zunge und kennt über einem trockenen Baß- und Schlagzeugfundament keine Furcht vor Pathos und Peinlichkeit. In "City Of Blinding Lights" und "Crumbs From Your Table" schwebt der verheißungsvolle Unterton von Bonos High-Voltage-Gesang über glockenhellen Gitarrentönen. Die raffinierten Flageolett-Phantasien, bisweilen flirrenden Engelsharfen gleich, von David Evans alias The Edge schaffen im Zusammenspiel mit offenen Stimmungen eine oft unwirkliche Atmosphäre. Wellenbewegungen hypnotischer Obertöne durchziehen die Lieder und winden sich in eine bisweilen himmelhochjauchzende Erlösungsstruktur.

Leider wird die Erdenschwere einiger Lieder leichtfertig einem nebulösen Sphären-Bombast geopfert. Berückende Melodielinien finden sich neben bloß hübschen harmonischen Einfällen, die im Ungefähren treiben. "Miracle Drug" ist so ein Song, der unwiderstehlich beginnt und seinen Impuls zunehmend verliert. Man muß deshalb das neue Album in seiner Gesamtstimmung würdigen: schartige, vom Leben gezeichnete Stimmen neben blauäugiger Anbiederung. Jedenfalls mußten sich "U2" nicht länger neu erfinden. Man griff einfach auf die hymnischen Rockrituale der achtziger Jahre zurück, was sich schon auf dem letzten Album "All That You Can't Leave Behind" andeutete.

Die Band ist am besten, wenn sie an ihrer Suche nach der mythischen Einheit des Ganzen, das als Song-Zyklus mehr sein will als die Summe der Teile, nicht verzweifelt, sondern sich mit einem widersprüchlichen Ergebnis arrangiert. So ist es auf dem neuen Album geschehen. Und wenn schon die religiöse Massenerweckung durch Musik nicht gelingen kann, dann bleibt Bono doch ein Trost: "Die vornehmste Pflicht eines Rock'n'Rollers besteht darin, nicht zu langweilen."

PETER KEMPER

U2, How To Dismantle An Atomic Bomb. Island 986 782 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr