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Mit seinem Debüt "Blasse Helden" gelingt Norris von Schirach alias Arthur Isarin ein "kühnes literarisches Abenteuer" (Viktor Jerofejew)
Ausgerechnet in den Trümmern der Sowjetunion hofft der romantische junge Deutsche Anton jene Leichtigkeit zu finden, die er im Westen vermisst. Jenseits von Moral und Ideologie betritt er Anfang der 1990er Jahre Moskau wie durch eine Tapetentür, um hier auf dem ausgebrannten Stern ein radikal freies Leben zu führen, interessiert nur an Geld, Frauen und der großen russischen Kultur. Sein lustvoller Gleitflug endet jäh, als Putin ein Jahrzehnt später die Szene betritt. Anton muss sich entscheiden.…mehr

Produktbeschreibung
Mit seinem Debüt "Blasse Helden" gelingt Norris von Schirach alias Arthur Isarin ein "kühnes literarisches Abenteuer" (Viktor Jerofejew)

Ausgerechnet in den Trümmern der Sowjetunion hofft der romantische junge Deutsche Anton jene Leichtigkeit zu finden, die er im Westen vermisst. Jenseits von Moral und Ideologie betritt er Anfang der 1990er Jahre Moskau wie durch eine Tapetentür, um hier auf dem ausgebrannten Stern ein radikal freies Leben zu führen, interessiert nur an Geld, Frauen und der großen russischen Kultur. Sein lustvoller Gleitflug endet jäh, als Putin ein Jahrzehnt später die Szene betritt. Anton muss sich entscheiden.
Autorenporträt
Isarin, ArthurDer Name Arthur Isarin ist das Pseudonym von Norris von Schirach. Er wurde 1963 in München geboren und arbeitete nach dem Studium in London, New York und Almaty sowie, von 1993 bis 2003, in Moskau. Dort erlebte er die Jelzin-Jahre, die geprägt waren durch Privatisierungen und dem damit einhergehenden Erstarken der Oligarchen sowie dem Abrutschen großer Teile der Bevölkerung unter die Armutsgrenze.Norris von Schirach hat einen Sohn und lebt heute abwechselnd in Australien und Rumänien (Bukarest). "Blasse Helden" ist sein erster Roman, den er unter dem Namen Arthur Isarin veröffentlichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2018

Sehnsucht nach der harten Hand
Norris von Schirach bestätigt Putins Geschichtsbild
Das Interessanteste an dem Roman „Blasse Helden“ war immer das Pseudonym. Der Name des Autors lautete Arthur Isarin, da waren Verbindungen nach Russland nicht ausgeschlossen. Für ein Buch, dass sich als Schlüsselroman für die geschmähte Jelzin-Zeit, die gesetzlosen, elenden, räudigen Neunzigerjahre nach der Perestroika darbot, versprach „Arthur Isarin“ tiefere Einsichten. Konsequenterweise enthielten die ersten Würdigungen von „Blasse Helden“ immer beides: Ein kopfschüttelndes Staunen darüber, was in Russland möglich ist, nämlich alles, und Überlegungen zur wahren Identität Isarins.
Inzwischen ist Gewissheit, was viele schon ahnten: Arthur Isarin ist Norris von Schirach, der Bruder des fabelhaft erfolgreichen Justiz-Romanciers Ferdinand von Schirach („Strafe“), verwandt mit Ariadne von Schirach und Benedict Wells, außerdem Enkel des Nazi-Jugendführers Baldur von Schirach. Sein Buch habe es aus eigener Kraft und nicht durch den berühmten Namen schaffen sollen, hatte Norris von Schirach erklärt. Das klingt sympathisch nach Sportsgeist. Und? Schafft es der Roman? Erklärt er den Aufstieg Putins aus den Abgründen der Jelzin-Zeit, wie einige Kritiker lobten? Nun: Er versucht es. Und das Ergebnis ist unverzeihlich.
Norris von Schirach, der nach dem Mauerfall nach Moskau zog und zehn Jahre dort lebte, erzählt in „Blasse Helden“ die Geschichte des deutschen Glücksritters Anton, der nach Moskau zieht und acht Jahre dort bleibt. Anton arbeitet für eine Firma für Rohstoffhandel und schlägt sich wacker im zeittypischen Sumpf aus Bestechung, Gewalt und Lieferschwierigkeiten. Anton liebt Frauen – der Klappentext verwendet tatsächlich das Wort „Kokotten“ –, klassische Musik und kennt keine Skrupel, kokettiert insofern unübersehbar mit einem der unsterblichen Unmoralischen der russischen Literatur, Michail Lermontows „Held unserer Zeit.“ Nichts berührt ihn, nicht das Auftauchen eines Bären auf einer Party, nicht ein versoffener Fabrikdirektor, der mit dem Bagger fast einen Menschen umbringt, nicht der Putschversuch der Altkommunisten gegen Boris Jelzin mit Straßenschlachten und Toten. „Das Revolutionspathos konnte ihm nicht kitschig und artifiziell genug sein“, schreibt Schirach: „Er würdigte den Unterhaltungswert des Wahns und wollte die Theatralik einsaugen.“
Es war ein Genuss ohne Risiko, denn westliche Ausländer wurden damals beneidet und hofiert, sie waren unangreifbar. Die Härten, die Anton durchsteht, die handtellergroßen Kakerlaken, die Cholera-Epidemie in der Ukraine sind freiwillige Übungen in intensivem Leben, ja, fast koloniale Abenteuer. Rasch lernt Anton die Techniken der Einschüchterung und Erniedrigung, wobei unklar ist, ob er sie nicht immer schon beherrschte und nur erstmals wagt, sie einzusetzen. Er wäre nicht der erste Westeuropäer, der im Osten den Barbaren in sich entdeckt.
Natürlich fragt man sich sehr schnell, wie viel von Antons Erlebnissen literarisch verdichtet ist und wo es Schirach einst krachen ließ. Der Autor bleibt da fein in der literarischen Deckung, und wer, sagen wir, Hans Magnus Enzensbergers schonungslose Beobachtungen und Selbstbeobachtungen aus der Sowjetunion in „Tumult“ kennt, dem geht diese Druckserei irgendwann ziemlich auf die Nerven. In seinen gelungenen Augenblicken erhellt das Buch den schmalen Grat zwischen unerhörter Freiheit und entfesseltem Überlebenskampf. Ein verzweifelter Wissenschaftler möchte Anton ein Mammut verkaufen, frisch entdeckt. Die Buchhalterin einer bedrängten Firma stopft Kontenbücher von Offshore-Firmen in ihre Tasche und fährt mit dem Trolleybus nach Hause. Aber das sind Momente. Die Sexszenen sind rührend schlecht, die Begeisterung über die reiche russische Kultur klingt immer eine Spur zu ergriffen. Anton, der in der Nähe des Moskauer Konservatoriums wohnt, plant Geschäftstermine nach den Spielplänen großer Bühnen, und als die Pianistenlegende Swjatoslaw Richter einmal an ihm vorbeigeht, erschüttert ihn das fast mehr als ein Zwölfjähriger, der seine minderjährige Schwester anbietet.
Das wirklich Nervtötende an „Blasse Helden“ ist jedoch nicht dies, und auch nicht die Rechthaberei, mit der Schirach bekannte Russlandklischees wie die „russische Seele“ durch neue Russlandklischees ersetzt wie den Satz eines Geheimdienstlers: „Dem Russen geht es am besten, wenn er das Wohl des Landes über sein eigenes stellt.“ Man könnte auch über die sprachlichen Schwächen hinwegsehen, obwohl jemand nach acht Jahre in Russland wissen sollte, wie der Singular von „Silowiki“, der „Machtmenschen“, lautet.
Unverzeihlich an „Blasse Helden“ aber ist der Gestus historischer Unausweichlichkeit. Am Ende, als Gesetzlosigkeit und Anarchie sich zum Inferno steigern und Anton in eine Schießerei nach der anderen gerät, will ihn ein Geheimdienstler zur Kooperation zwingen. Alles werde nun anders, ein neuer Mann sei an die Spitze getreten, er werde schon sehen. Dabei war Putin, der Neue, damals ein Unbekannter, dessen Vorzug gerade in seiner Konturlosigkeit lag. Die Autokratie unter Putin aus der Rückschau als zwingende Folge früherer Zügellosigkeit darzustellen, als Antwort auf die Sehnsucht der Russen nach einer harten Hand, klingt, als hätte Russland nie eine Wahl gehabt. Mehr noch: Diese Lesart klingt wie lupenreine Putin-Propaganda.
SONJA ZEKRI
Arthur Isarin: Blasse Helden. Roman. Verlag Knaus, München 2018. 320 Seiten, 22 Euro.
Der Grat zwischen Freiheit
und Überlebenskampf
ist hier besonders schmal
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»Wer Russland heute verstehen will, sollte Isarin lesen - ein kühnes literarisches Abenteuer.« Viktor Jerofejew