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Menschenraub ist ein vergessenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Doch bis zum Mauerbau 1961 wurden hunderte Menschen von der DDR-Staatssicherheit aus Westberlin entführt. Die Opfer waren ehemalige SED-Funktionäre, die die Seiten gewechselt hatten, Mitglieder von Organisationen, die gegen die DDR agitierten, Flüchtlinge, die für alliierte und westdeutsche Geheimdienste arbeiteten. Die Methoden der staatlich organisierten Entführungen waren vielfältig: Verschleppung auf offener Straße, Betäubung der Opfer durch Chemikalien, arglistige Täuschung durch Freunde und Verwandte. Westberlin…mehr

Produktbeschreibung
Menschenraub ist ein vergessenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Doch bis zum Mauerbau 1961 wurden hunderte Menschen von der DDR-Staatssicherheit aus Westberlin entführt. Die Opfer waren ehemalige SED-Funktionäre, die die Seiten gewechselt hatten, Mitglieder von Organisationen, die gegen die DDR agitierten, Flüchtlinge, die für alliierte und westdeutsche Geheimdienste arbeiteten. Die Methoden der staatlich organisierten Entführungen waren vielfältig: Verschleppung auf offener Straße, Betäubung der Opfer durch Chemikalien, arglistige Täuschung durch Freunde und Verwandte. Westberlin lebte in Angst: Wer würde der Nächste sein? Wolfgang Bauernfeind recherchierte für sein Buch u. a. bei der Stasi-Unterlagenbehörde und sprach mit Entführungsopfern wie dem früheren RIAS-Mitarbeiter Richard Baier und dem Publizisten Karl Wilhelm Fricke. Er legt nun eine spannend geschriebene Auswahl von Entführungsfällen vor, die die illegalen Aktivitäten der Stasi im Auftrag des SED-Regimes schildert, um "Verräter" in der DDR bestrafen zu können. Deutlich wird
die Haltung der SED, die jegliche ideologische Abweichung, jede eigenständige politische Position als Angriff auf ihre Macht ansah und resolut bekämpfte.
Autorenporträt
WOLFGANG BAUERNFEIND, geb. 1944, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie. Ab 1970 freie Mitarbeit bei Fernsehen und Hörfunk, ab 1978 Redakteur, Regisseur und Autor im Hörfunk-Feature des SFB, ab 1994 dort bzw. im rbb Abteilungsleiter. Zahlreiche internationale und nationale Radiopreise, Lehrtätigkeit u.a. an der Medienakademie von ARD und ZDF, diverse Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Die Jagd auf Gehlen fiel aus ...

Wolfgang Bauernfeind erzählt Entführungsgeschichten aus der Zeit des Kalten Krieges.

Von Daniela Münkel

Am 25. November 1949 wird Herbert Kerst am S-Bahnhof Potsdamer Platz von Geheimpolizisten des Kriminaldezernats K 5, eines Vorläufers der DDR-Staatssicherheit, in Ost-Berlin verhaftet und inhaftiert. Er war von einer ehemaligen Geliebten in den Ostsektor der Stadt gelockt worden. Kerst, der in West-Berlin wohnte und im Osten der Stadt arbeitete, wurde vorgeworfen, Insiderinformationen aus seiner Arbeitsstelle der "Vereinigung volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetriebe landwirtschaftlicher Erzeugnisse" an eine West-Berliner Zeitung weitergegeben zu haben. Außerdem soll er für den amerikanischen Geheimdienst tätig gewesen sein. Nach langen Verhören und offenbar ohne Hoffnung, jemals wieder frei zu kommen, stürzte sich Kerst am 7. März 1950 in den Treppenhausschacht des Ost-Berliner Polizeikommissariats in den Tod.

Herbert Kerst ist einer von mehreren hundert Opfern, die von der DDR -Staatssicherheit aus West-Berlin oder der Bundesrepublik in den Jahren 1949 bis 1989 entführt wurden und oft für Jahre in den DDR-Gefängnissen verschwanden - ein dunkles Kapitel der deutsch-deutschen Systemkonfrontation. Der Journalist Wolfgang Bauernfeind hat sich des Themas angenommen und präsentiert 13 dieser Entführungsfälle. In einem Nachwort beschreibt der Autor darüber hinaus die vom MfS 1954/55 geplante, dann aber doch nicht realisierte Entführung von Reinhard Gehlen, des Chefs der "Organisation Gehlen", der Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes.

Die Verschleppung Gehlens sollte ein besonderer Coup der Staatssicherheit im Rahmen der in den Jahren 1953 bis 1955 durchgeführten "konzentrierten Schläge" sein, die sich gegen Kontaktleute westlicher Nachrichtendienste und antikommunistischer Widerstandsorganisationen in der DDR richteten. Dass es im Herbst 1955 trotz sorgfältiger Vorbereitung - Gehlens Wohnhaus, seine Gewohnheiten und Arbeitswege wurden detailliert ausgeforscht sowie ein Entführungsplan unter dem Codewort "Jäger" entwickelt - nicht zu der Entführung kam, war vor allem übergeordneten politischen Gründen geschuldet: Die kurz zuvor beim Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau besiegelte Annäherung zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion sollte durch eine solche abenteuerliche Aktion nicht gefährdet werden.

Die meisten der von Bauernfeind erzählten Fälle sind seit Jahren bekannt und wurden teilweise schon mehrfach publizistisch oder wissenschaftlich ausgewertet - zuletzt systematisch in einer umfassenden Monographie zum Thema von Susanne Muhle. Im Unterschied zu dieser Studie bietet der vorliegende Band auch keine tiefergehenden historischen Analysen und Einordnungen - Bauernfeind beschreibt Entführungsfälle und Einzelschicksale mehr als Gruselgeschichten des Kalten Krieges.

Wolfgang Bauernfeind: Menschenraub im Kalten Krieg. Täter, Opfer, Hintergründe.

Mitteldeutscher Verlag, Halle an der Saale 2016. 256 S., 14,95 [Euro].

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